Das Luxusmodell unter den Lastenrädern lässt sich mit 200 Kilogramm beladen, trägt zwei Kinder und kann mindestens das Zweitauto ersetzen.
Der erste Versuch, das etwa 37 Kilogramm schwere Lastenrad hochkant in einen Lift zu stellen, verlief nicht sehr vorzeigbar. Die 1,60 Meter kleine Testerin strauchelte, kippte zur Seite und betätigte mit Arm und Schulter fast alle Knöpfe des Fahrstuhls. Dabei sah das Aufstellen des Rads in die vertikale Position im Video des Herstellers Tern so einfach aus: Lenker festhalten, Bremse ziehen, nach hinten gehen und das Rad hochkant auf seinen vier dafür angebrachten Kontaktpunkten abstellen.
Aber mit der Zeit zeigte sich: Das Ganze erfordert etwas Übung. Es kommt mehr auf die Koordination als auf die Kraft an. Und so gelang es nach kurzer Zeit, das Rad unter den erstaunten Blicken der Nachbarn sicher in den Lift und wieder hinaus zu befördern.
Erstaunt und auch bewundernd reagierten übrigens auch Freunde, entfernte Bekannte sowie manche völlig Fremde, als sie das Cargo-Bike Tern R14 in Aktion erlebten: Immer wieder baten Menschen während der Testphase darum, das auffällige Velo genauer betrachten zu dürfen und erklärt zu bekommen. Gerne.
Die Einsatzmöglichkeiten
Das etwa 180 Zentimeter lange Fahrrad hat einen verlängerten Gepäckträger, auf dem zum Beispiel eine Kiste für Einkäufe befestigt werden kann – oder auf dem bis zu zwei Kinder Platz finden. Für den Test wurde das Tern mit einer Sitzbank für zwei Kinder ausgestattet. Auch das Storm-Shield kam zum Einsatz, ein wetterfestes Verdeck, das Schutz vor Regen und Sonne bietet. Im Test erwies es sich als nicht ganz einfach, das Verdeck zu montieren, aber auch hier gelang es mit jedem Versuch etwas schneller.
Damit die Kinder während der Radtour auf keinen Fall der Fahrerin in die Quere kommen konnten, verstauten die Kleinen ihre Beine in den Fahrradtaschen unterhalb des Sitzes. Dort war trotzdem noch genügend Raum für Einkäufe. Ein weiterer Rucksack fand Platz auf dem Korb unterhalb des Lenkers.
Das Cargo-Velo kann inklusive Fahrerin mit 200 Kilogramm beladen werden, davon 100 Kilogramm auf dem Gepäckträger. Die nur 20 Zoll grossen Räder sorgen dafür, dass das Rad einen niedrigen Schwerpunkt hat. Selbst wenn es mit zwei Kindern und einigen Einkäufen beladen ist, gelingt es so, sicher und wackelfrei loszufahren.
Lenker und Sattel können einfach und ohne Werkzeug verstellt werden, so dass ganz unterschiedlich grosse Personen dasselbe Fahrrad nutzen können. Geeignet ist es für eine Körpergrösse zwischen 150 und 195 Zentimetern.
Die Testerin fuhr das Rad im Ortsverkehr, auf steilen Waldwegen und auf Schotter. Der Motor hatte genügend Kraft, um das schwer beladene Bike auch starke Steigungen hinaufzutreiben. Die Räder rollten auch auf unebenen Untergründen sicher. Sollte man einmal eine Steigung hinaufschieben müssen, kann man den Laufassistenten betätigen, eine leichte Motorunterstützung beim Schieben.
Motor und Akkus
Alle Tern-GSD-Modelle sind ausgestattet mit dem Bosch-Cargo-Line-Antrieb. Tern selbst schreibt darüber, der enorm kräftige Motor sei ausgelegt auf hohe Zuladung und bergige Strecken. Die Testerin war überrascht von der Kraft des Motors, der auch starke Steigungen zuverlässig bewältigte.
Das Tern GSD R14 ist das Luxusmodell der GSD-Serie. Diese besteht aus drei Modellen, die auf den ersten Blick sehr ähnlich aussehen. Alle haben Platz für zwei Akkus. Doch nur das R14 wird auch serienmässig mit zwei Akkus ausgeliefert, die jeweils 500 Wh bieten. Dadurch erhöht sich die mögliche Fahrzeit enorm. Die hängt natürlich vom ausgewählten Fahrmodus, von der Beladung und dem Fahrstil ab, man kann aber gut über 100 Kilometer zurücklegen.
Die Schaltung
Das getestete Modell GSD R14 hat eine elektronische 14-Gang-Rohloff-Nabenschaltung. Mit ihr ist Schalten auch im Stand möglich. Zudem gilt diese Schaltung als ausgesprochen hochwertig und wartungsarm. Die Schaltung ist der entscheidende Unterschied zu den preisgünstigeren GSD-Modellen: Ein anderes verfügt über eine stufenlose Enviolo-Schaltung, ein drittes über eine 10-Gang-Kettenschaltung.
Weitere Merkmale
Der Atlas-Lockstand-Ständer sorgt für extrem stabilen Halt. Die Kinder können sicher ein- und aussteigen, Einkäufe bequem aufgeladen oder entladen werden. Da sich der Ständer nur lösen lässt, indem man zusätzlich einen Hebel am Lenker betätigt, muss man keine Angst haben, dass er sich versehentlich von allein löst.
Das GSD R14 ist zudem nicht nur mit einer Federgabel, sondern auch mit einer Sattel-Federstütze ausgestattet, so dass die Fahrt auch auf unebenem Untergrund angenehm ist. Es hat ausserdem keine Kette, sondern einen langlebigen und eher wartungsfreien Zahnriemen. Fernlicht und Bremslicht sind ebenfalls enthalten, einen Blinker hat das Rad aber nicht.
Fazit: Lastenrad statt Auto
Das gewöhnliche E-Bike, das unmotorisierte Velo und auch den Fahrradanhänger konnte das Lastenrad im Test nicht ganz ersetzen. In manchen Situationen war die Kombination aus Fahrrad oder E-Bike und Anhänger für den Transport zum Kindergarten sinnvoller – weil man den Fahrradanhänger schnell abmontieren und dann ohne Anhänger mit einem gewöhnlichen Rad zur Arbeit fahren kann. Holt das andere Elternteil das Kind später ab, kann es den Anhänger ans eigene Fahrrad montieren. Natürlich kann auch am Tern GSD ein Fahrradanhänger montiert werden. Man muss selbst entscheiden, ob man dann gern mit dem leeren Cargo-Velo weiterfahren möchte.
Diese Flexibilität bietet das Lastenrad naturgemäss nicht. Dafür hat es viele andere Vorteile, für die Testerin die wichtigsten: Die Kinder dürfen auch im höheren Alter noch mitfahren, und der Transport sehr schwerer Lasten ist möglich. Das Rad besetzt eine weitere Nische. Das Tern GSD R14 und auch die anderen beiden GSD-Modelle können wohl zumindest den Zweitwagen ersetzen. Im Stadtverkehr gibt es jedenfalls wenige Gründe, das Auto zu nutzen, wenn man auch das Lastenrad zur Verfügung hat.