In Kärnten hat ein Syrer wahllos auf Passanten eingestochen und einen 14-Jährigen getötet. Weil der Mann zuvor nicht auffällig war, fordert der Innenminister «anlasslose Massenkontrollen» von Asylberechtigten.
In Österreich hat ein islamistisch motivierter Terroranschlag Entsetzen und eine politische Debatte ausgelöst. Am Samstagnachmittag kurz vor 16 Uhr attackierte ein 23-jähriger Mann in Villach im Bundesland Kärnten wahllos Passanten mit einem Messer. Ein 14-Jähriger wurde dabei getötet, fünf weitere Personen sind laut Angaben der Polizei verletzt worden – drei von ihnen müssen intensivmedizinisch behandelt werden.
Der Angriff ereignete sich mitten in der Innenstadt in der Nähe des Hauptplatzes. Der Verdächtige soll während der Tat «Allahu akbar» geschrien haben. Sieben Minuten nach dem Eingang des ersten Notrufs konnte er festgenommen werden. Bei dem Angreifer handelt es sich laut den Behörden um einen anerkannten Flüchtling aus Syrien, der damit eine Aufenthaltsberechtigung für Österreich besitzt. Er kam 2020 ins Land und war bisher nicht polizeilich auffällig.
IS-Flagge in der Wohnung und Treueschwur
Inzwischen haben die Ermittlungen aber ergeben, dass er sich im Internet innerhalb kurzer Zeit radikalisiert hat und Anhänger eines islamistischen Tiktok-Influencers ist. In der Wohnung des Syrers wurde zudem eine IS-Flagge gefunden, und er soll laut der Polizei auch einen Treueschwur auf das Terrornetzwerk geleistet haben. Innenminister Gerhard Karner sprach deshalb bei einer Medienkonferenz in Villach am Sonntag von einem islamistischen Motiv und von einem Attentat. Hinweise auf Mittäter gibt es derzeit nicht.
Die Tatwaffe war ein Klappmesser mit einer zehn Zentimeter langen Klinge. Der Verdächtige hätte damit noch Schlimmeres anrichten können, doch ein ebenfalls aus Syrien stammender Essenslieferant konnte dies verhindern. Er beobachtete die Tat und fuhr daraufhin den Angreifer mit seinem Auto an, worauf dieser stürzte. Er habe in diesem Moment nicht nachgedacht und sei einfach losgefahren, um den Täter zu stoppen, sagte der Foodora-Fahrer der «Kleinen Zeitung». Passanten hätten daraufhin auf sein Auto eingeschlagen, weil sie ihn für einen Attentäter gehalten hätten, berichtete der Syrer. Nun wird er als Held gefeiert.
Es handelt sich um den zweiten tödlichen islamistischen Anschlag in Österreich. Anfang November 2020 hatte ein junger Mann mit Wurzeln in Nordmazedonien in der Wiener Innenstadt bei einem Amoklauf vier Personen erschossen. Die Politik reagierte mit Betroffenheit und Trauer. Der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser sprach von einer «furchtbaren Greueltat» und forderte schärfste Konsequenzen. «Wer in Kärnten, in Österreich lebt, muss Recht und Gesetz achten, hat sich unseren Regeln und Werten anzupassen», erklärte der Sozialdemokrat und sprach den Angehörigen des Opfers sein Mitgefühl aus.
Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen nannte die Tat entsetzlich. Seine Gedanken seien bei den Angehörigen des Opfers und den Verletzten. Bundeskanzler Alexander Schallenberg kündigte an, gegen den Täter werde mit der vollen Härte des Gesetzes vorgegangen. «Hass, Intoleranz und Extremismus haben keinen Platz in unserer Gesellschaft», schrieb er.
Radikalisierung durch Tiktok-Propaganda
Das Phänomen junger Menschen, die sich im Internet radikalisieren, nimmt allerdings zu. Alltag sind etwa über Tiktok geteilte Videos, die Israel-Hass und Terrorpropaganda verbreiten. Äusserlich modern erscheinende «Hipster-Salafisten» hätten mit ihrer zeitgemässen Bildsprache eine grosse Attraktivität für junge Menschen, stellte Österreichs Dokumentationsstelle Politischer Islam in ihrem im letzten Sommer publizierten Jahresbericht fest. Jugendliche im deutschsprachigen Raum seien für diese islamistischen Influencer eine zentrale Zielgruppe.
Auch der am King’s College London lehrende Terrorismusexperte Peter Neumann sieht in dem Syrer einen neuen Typus von Attentätern, bei denen die Online-Radikalisierung im Mittelpunkt stehe. Er zog dabei auch eine Parallele zum Anschlag in München wenige Tage zuvor.
Nach allem, was sich abzeichnet, repräsentiert der Attentäter von München einen neuen Typus, den ich bereits eine Weile beobachte. Im Mittelpunkt steht dabei das Internet. 🧵 1/https://t.co/ibkxAQN7q7
— Peter R. Neumann (@PeterRNeumann) February 15, 2025
Wie die Behörden darauf reagieren sollen, bevor etwas passiert, ist unklar. Weil der Attentäter von Villach zuvor nicht auffällig war, forderte Karner am Sonntag die Befugnis für die Polizei, «anlasslose Massenkontrollen» durchzuführen. Sie könnten etwa Asylberechtigten mit syrischem oder afghanischem Hintergrund gelten, erklärte der Innenminister. Seine Partei, die konservative ÖVP, verlangt zudem schon lange die Möglichkeit, Messengerdienste zu überwachen, wie es in vielen Ländern üblich ist. Sie findet dafür aber keine Mehrheit im Parlament.
Auch die rechtspopulistische FPÖ, die erst gerade mit der Bildung einer Regierungskoalition gemeinsam mit der ÖVP gescheitert ist, lehnt diese Kompetenz für die Ermittler unter anderem mit Verweis auf die ihrer Ansicht nach überzogenen Corona-Massnahmen ab. Der Parteichef Herbert Kickl griff am Sonntag Karner und die Konservativen scharf an und warf ihnen vor, den Tatverdächtigen überhaupt ins Land gelassen zu haben. Seine Partei sei die einzige, die das Asylsystem komplett ändern wolle, schrieb Kickl auf seinen Social-Media-Kanälen. Solange das nicht geschehe, werde sich nichts ändern.