Samstag, September 28

Die Tesla-Aktionäre gewähren Musk einen 56 Milliarden Dollar schweren Bonus. Der Elon-Kult beim Autobauer hat wahrlich seltsame Züge angenommen. Aber die Aktionäre wissen, was sie tun.

Elon Musk gleicht an diesem Abend einem König, der Hof hält. «Meine Kinder lieben den Cybertruck», berichtet ihm ein begeisterter Anteilseigner an der Aktionärsversammlung von Tesla. Ob die Firma in Zukunft auch Fabrikbesichtigungen für kleine Kinder ermöglichen könne? Musk wägt ab. Er spricht Sicherheitsbedenken an, verspricht aber, dass man eine limitierte Tour auch für kleine Kinder anbieten wolle. Das Publikum applaudiert, der nächste Fragesteller darf sich an «Elon» wenden.

Der lauteste Applaus brandet durch die Halle an der 1 Tesla Road, als bekannt wird, dass die Aktionäre Musk einen Bonus auszahlen wollen, der über 50 Milliarden Dollar wert sein dürfte, je nach Entwicklung der Tesla-Aktie. Die Vergütung soll Musks Leistung über zehn Jahre hinweg honorieren. Auf ein Jahr umgerechnet, entspricht dies einer Zahlung von 5 Milliarden Dollar – eine absurd hohe Entschädigung für einen Firmenchef.

Musk sichert seine Macht an diesem Abend weiter ab. Sein Bruder Kimbal wird in den Tesla-Verwaltungsrat gewählt, und die Aktionäre stimmen seinem Wunsch zu, den rechtlichen Firmensitz von Delaware nach Texas zu verlegen. Ein Gericht im kleinen Ostküstenstaat hatte im Januar Musks Zorn auf sich gezogen, als es seinen milliardenschweren Bonusplan gestrichen hatte.

Die Zustände bei Tesla sind eigenartig. Eigentlich sollte der CEO den Aktionären dienen, nicht umgekehrt. Doch Musk hat bei Tesla alle im Griff. Nach dem Verdikt aus Delaware drohte er, KI-Projekte künftig ausserhalb von Tesla weiterzuführen, sollte er seine milliardenschwere Vergütung nicht doch noch erhalten. Der Verwaltungsrat bat die Aktionäre inständig, dem Bonus zuzustimmen. So bleibe Musk motiviert.

Dass sich bei einem Grossunternehmen wie Tesla, das an der Börse immerhin mit 570 Milliarden Dollar bewertet ist, so viel Macht bei einer einzigen Person konzentriert, ist einzigartig. Der Kult um König Musk weist beinahe sektiererische Züge auf: Seine Mitglieder verstehen Elons Vision, während die Welt noch mit Blindheit geschlagen ist.

Tesla hat indes nicht nur einen König, sondern auch 140 000 weitere Mitarbeiter, die zum Erfolg beitragen. Der hängt zudem davon ab, ob die USA und die EU den Kauf von E-Autos weiter subventionieren und ob sie die starke chinesische Konkurrenz mit Zöllen fernhalten.

Zweifellos ist Musk ein aussergewöhnlicher Unternehmer. Ohne sein Wirken bei SpaceX gäbe es heute keine fortgeschrittene private Raumfahrtindustrie. Auch dank ihm wurden Elektroautos – vor 15 Jahren oft unansehnliche Nischenfahrzeuge für Alt-Hippies – massentauglich. Damit haben Tesla und Musk wohl mehr zur Reduktion des globalen CO2-Ausstosses beigetragen als manche Weltklimakonferenz.

Jetzt setzt Musk alles darauf, dass komplett selbstfahrende Autos in wenigen Jahren die Marktreife erlangen. Und dass Tesla-Fahrer ihr Auto zeitweise vermieten werden, um es als autonomes Taxi durch die Gegend kurven zu lassen. Tesla soll nicht zuletzt mit dem Management solcher Taxi-Flotten so viel Geld verdienen, dass es zum wertvollsten Unternehmen der Welt aufsteigt.

Dass diese Robo-Taxi-Vision bald Realität wird, ist zwar unwahrscheinlich, aber möglich. Und Fortschritt bedingt nun einmal, dass jemand die Komfortzone verlässt und Unwahrscheinliches wagt. König Musk soll seine Vision also anpacken, und die Tesla-Aktionäre dürfen ihn hierfür mit Milliarden entlöhnen, wenn ihnen der Sinn danach steht.

Sie sollten sich einfach bewusst sein, dass sie ein grosses Risiko eingehen. Wenn der Erfolg ihres Unternehmens allein davon abhängt, wie motiviert sich ein 52-jähriger Mann frühmorgens an die Arbeit macht, kann einiges schiefgehen.

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