Mittwoch, April 16

Der Nettogewinn des Autobauers fiel 2024 um mehr als die Hälfte auf 7 Milliarden Dollar. Gleichzeitig wuchs der Verkauf von Emissionsgutschriften. Aber dieses Geschäft wird Tesla wohl nur vorübergehend helfen.

Lange galt Elon Musk mit seinen Unternehmen SpaceX und Tesla als der Prototyp des Erfolgsmenschen, in den USA und weltweit. Skeptiker, die vor allem jahrelang gemachte Verluste beim Autohersteller Tesla argwöhnisch betrachteten, liess Musk dank immer neuen Absatzrekorden verstummen.

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Nebenbei florierte bei Tesla das Geschäft mit CO2-Zertifikaten. Da das Unternehmen die von den USA und der EU festgelegten CO2-Obergrenzen mit den verkauften Elektroautos regelmässig unterschreitet, erhält es Zertifikate, die es handeln und verkaufen kann. Tesla erzielte so Jahr für Jahr Umsätze von bis zu 1,8 Milliarden Dollar, vermerkt in den Geschäftszahlen unter der Rubrik «Automotive regulatory credits». 2024 legte der Umsatz aus dem Zertifikatehandel auf fast 2,8 Milliarden Dollar zu.

Möglich dürfte dies durch die hohe Zahl verkaufter Tesla-Fahrzeuge und die grosse Nachfrage nach solchen CO2-Credits angesichts zunehmend scharfer Emissionsziele geworden sein. «Je härter die Ziele, desto grösser der Markt», sagt Jos Dings im Gespräch. Der Niederländer war bis letzten Oktober für die politische Strategie und die Geschäftsentwicklung von Tesla in Europa zuständig.

In der EU beispielsweise gelten CO2-Grenzwerte, die Autohersteller in regelmässigen Abständen erreichen müssen und die alle fünf Jahre nachgeschärft werden. Auch in diesem Jahr steht eigentlich wieder eine solche Deadline an. Aber auf Druck von Autoherstellern und ihren Lobbyverbänden hat die EU-Kommission Anfang April vorgeschlagen, das Erreichen der Emissionswerte bis 2027 aufzuschieben. Die EU-Auflagen zielen derweil mittelfristig darauf ab, dass ab dem Jahr 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen verkauft werden.

Autohersteller, die nicht aus eigener Kraft – also durch den Verkauf von emissionsarmen Fahrzeugen – unter die gewünschten Grenzwerte kommen, können sich die Einhaltung der CO2-Werte durch Zertifikate erkaufen. Dazu gehört beispielsweise auch Stellantis. Der Gigant unter den europäischen Autoherstellern, zu dem unter anderem Peugeot und Fiat gehören, kündigte Anfang April an, auch in diesem Jahr wieder Emissionszertifikate von Tesla zu kaufen.

Der Verkauf solcher Gutschriften ist für Elon Musks Unternehmen also ein gutes Geschäft. Insbesondere in den USA war der Handel bislang sehr lukrativ, sagt Dings. Der Ertrag unterstützt zudem den Verkauf von Elektroautos und Dienstleistungen kräftig; 2024 nahm Tesla mit dem Geschäft 2,8 Milliarden Dollar ein, und damit 54 Prozent mehr als im Vorjahr. Allein im letzten Quartal von 2024 verdiente Tesla 692 Millionen Dollar mit dem Verkauf der Zertifikate – fast 30 Prozent des Reingewinns von 2,33 Milliarden Dollar.

Schlupfloch oder Business

Dass dieses Geschäft überhaupt möglich ist, wird immer wieder von Aktivisten kritisiert. Sie sagen, dieses bewusste Schlupfloch in der Gesetzgebung mache es Autoherstellern einfacher, die Klimaziele zu erreichen, ohne den Umstieg auf emissionsarme und Elektroautos forcieren zu müssen.

Aber die Nachfrage nach emissionsarmen Autos ist in der EU noch gering. Die letzten Jahre haben tatsächlich gezeigt, dass viele der eingesessenen Automarken Probleme haben, neue und umweltfreundlichere Fahrzeuge auf den Markt zu bringen und damit Käufer anzuziehen. So beklagte der Autoverband ACEA im Februar: «Ansichten, wonach die Flexibilitäten die CO2-Ziele untergraben würden, gehen am springenden Punkt vorbei: Wir haben ein Nachfrageproblem für emissionsfreie Fahrzeuge in der EU.»

Die jüngsten offiziellen Daten der Europäischen Umweltbehörde zeigen zwar, dass es vorangeht. Die durchschnittlichen CO2-Emissionen von neu zugelassenen Autos sind zwischen 2019 und 2023 um 28 Prozent gesunken. Der Hauptgrund dafür ist der Anstieg von Elektrofahrzeugverkäufen, 2023 machten sie knapp 24 Prozent der Neuwagenflotte in der EU aus.

Aber ein genauerer Blick in die Zahlen zeigt auch, dass die kommenden Jahre für viele Hersteller eine Herausforderung werden. Neue Fahrzeuge blasen den Daten gemäss durchschnittlich 106,4 Gramm CO2 pro Kilometer in die Luft. Und das, obwohl ab diesem Jahr eigentlich der neue Grenzwert von 95 g/km gelten sollte. Und trotz der wachsenden Zahl von Elektroautos blieben Benziner auch 2023 die meistverkauften Antriebe, sie machten mehr als die Hälfte aller Neuzulassungen aus, Dieselfahrzeuge folgten darauf mit 17 Prozent.

Für Tesla ist das Geschäft mit den Emissionsgutschriften jedoch kein Garant für Umsatz. Einerseits hängen die Einnahmen von Teslas eigenen Verkaufszahlen ab. Andererseits nimmt das Angebot an Zertifikaten durch Konkurrenten mit emissionsfreien Autos zu.

Derzeit sinken die Verkäufe emissionsarmer Fahrzeuge beim amerikanischen E-Auto-Pionier. Im ersten Quartal 2025 fielen die Tesla-Verkaufszahlen weltweit auf 336 681 Autos, im Vergleich zu 386 810 Stück im Vorjahr. Somit stehen auch weniger Zertifikate zum Handel zur Verfügung. Mit einem Rückgang vom derzeitigen Allzeithoch ist im laufenden Jahr also zu rechnen.

Viele Autobauer setzen derweil immer stärker auf den lokal emissionsfreien Elektroantrieb, und die Verkäufe von Stromern steigen nun nach einem Zwischentief 2024 wieder an. Gleichzeitig drängen chinesische Hersteller wie die Geely-Gruppe mit Volvo und Polestar und vor allem BYD immer kräftiger auf den Markt der emissionsarmen Fahrzeuge. Polestar, das im Jahr 2023 gemäss offiziellen Daten 22 000 emissionsfreie Autos registriert hat, verkauft bereits CO2-Zertifikate. Tesla, im gleichen Jahr mit 300 000 registrierten Nullemissionsautos in Europa, ist also nicht mehr der alleinige Anbieter.

«Wenn man das Überleben des Unternehmens vom Verkauf von Emissionszertifikaten abhängig macht, würde ich sagen, dass das eine ziemlich dumme Strategie ist», sagt Dings, der ehemalige Tesla-Mitarbeiter, und fügt hinzu: «Das Produkt muss gut genug sein.» Elon Musk hat also allen Grund, die mittlerweile angejahrte Produktpalette bei Tesla rasch mit neuen Modellen anzureichern und bestehende Baureihen aufzufrischen.

Dies geschah letztmals mit dem bisherigen Verkaufsschlager Model Y. Das technisch und optisch aufdatierte Kompakt-SUV wird derzeit nach und nach an die Kunden ausgeliefert und dürfte den Druck aufs Unternehmen lindern.

Doch ein Imageproblem hat Musk weiterhin. Solange er im Namen der Trump-Regierung rigorose Sparprogramme mit seiner Doge-Behörde verkündet, leidet das Strahlemann-Ansehen des gebürtigen Südafrikaners und mit ihm das seiner Firmen, die vor allem private Kunden ansprechen. Tesla steht hier im Zentrum, eine Antibewegung ist weltweit mittlerweile spürbar und schlägt sich in Umsatzeinbrüchen nieder. Vom Hoffnungsträger Cybertruck verkauften sich bisher weniger als 50 000 Exemplare, viele der kantigen Pick-up-Stromer stehen bei den Händlern und bleiben unverkauft.

Pläne für neue Umsatzbringer gäbe es bei Tesla: Ein Elektroauto für den Massenmarkt soll demnächst erhältlich sein und könnte für hohe Absatzzahlen sorgen. Zudem wartet die Kundschaft seit Jahren auf die Einführung des Supersportwagens Roadster und der elektrischen Lkw-Zugmaschine Semi. Beide wären margenstarke Produkte, die fertig entwickelt sind.

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