Donnerstag, Januar 30

Filme lassen Gebäude lebendig werden. Manche Filmschaffende nutzen Architektur aber auch gezielt dazu, Stimmungen zu erzeugen, Emotionen zu verstärken und die innere Welt ihrer Figuren sichtbar zu machen – so etwa «The Brutalist», der ab heute in den Deutschschweizer Kinos läuft.

Für diesen bewegenden Film, der momentan in den Kinos läuft, hat der Regisseur Pedro Almodóvar mit Tilda Swinton und Julianne Moore zwei herausragende Schauspielerinnen zusammengeführt. Es gibt jedoch eine dritte Hauptfigur: das Haus, das an den Brutalismus erinnert, jedoch in einer leichteren, eleganteren Form, und den Grossteil des Films rahmt.

«The Room Next Door» erzählt von einer todkranken Kriegsberichterstatterin (Tilda Swinton), die eine alte Freundin (Julianne Moore) darum bittet, sie bei ihrem Freitod zu begleiten. Dazu ziehen sie sich aus Manhattan zurück in ein modernes, abgelegenes Ferienhaus im Naturschutzgebiet. Der Umzug markiert den Beginn einer neuen Nähe zwischen den Frauen.

Das Gebäude, entworfen vom Studio Aranguren + Gallegos, setzt sich aus verschiedenen Komplexen aus Glas und Beton zusammen, die sich an einem abfallenden Hang in einen Pinienwald einfügen. Die scharfkantige Architektur und Inneneinrichtung, bestehend aus Möbeln in leuchtenden Grundfarben und gleichermassen klaren Geometrien, wirken je nach Gesprächsinhalt und Dynamik zwischen den beiden Frauen belebend, beschützend und warm oder kalt, bedrohlich und abstossend.

Bauten aus Glas und Beton schaffen in Filmen nicht nur ein Gefühl von Ruhe und Klarheit, sondern können auch zum Sinnbild für Isolation und Bedrohung werden. So spielen zahlreiche Thriller und Horrorfilme der letzten Jahre nicht mehr nur in alten Häusern mit knarrenden Treppen, verstaubten Kronleuchtern und dunklen, langen Korridoren, sondern in modernistischen Villen.

Besonders eindrücklich zeigt sich das in «Ex Machina», dem Spielfilm von Alex Garland. Darin gewinnt der Programmierer Caleb Smith (Domhnall Gleeson) einen Wettbewerb, wodurch er eine Woche zu Hause beim neurotischen Tech-Milliardär Nathan Bateman (Oscar Isaac) verbringen kann. In der Villa, die von nichts als Wald, Bergen und einem Fluss umgeben ist, experimentiert Bateman mit humanoiden Robotern.

Sind die Hauptfiguren erst einmal mit dem Helikopter eingeflogen, spielt sich diese Geschichte nur noch in dem eindrücklichen Gebäude oder in dessen unmittelbarer Nähe ab, das, wenn keine Dreharbeiten stattfinden, ein Hotel ist. Es besteht aus einzelnen, um ein umgebautes Bauernhaus gruppierten Glasquadern. Viel Privatsphäre lassen die raumhohen Fensterfronten und transparenten Glaswände nicht. Verloren in der Natur, treffen im Film Mensch und Maschine auf engem Raum aufeinander. Das kann natürlich nicht gutgehen.

Was nur wenige wissen: Tom Ford, hauptberuflich Modedesigner, hat auch Architektur studiert. Zudem führt er Regie. In seinem Debüt «A Single Man» verbindet er Mode und Architektur. Der Film erzählt von George Falconer (Colin Firth), einem nach Kalifornien eingewanderten englischen Literaturdozenten, der nach dem Tod seines Lebenspartners Jim (Matthew Goode) im Kummer zu versinken droht.

Grösstenteils spielt die Geschichte in Falconers Haus, der Schaffer Residence in Kalifornien, einem 1949 von John Lautner entworfenen Bau aus viel Glas und Holz. Er wirkt wie der Spiegel von Falconers Persönlichkeit: streng geordnet, strukturiert und inmitten der Natur so abgekapselt von der Welt wie der Trauernde von seinen Mitmenschen. Die Transparenz des Baus verstärkt Falconers Isolation zusätzlich – durch die Glaswände gefilmt, wirkt er einsam und verloren.

Auch wird das Tageslicht im Innern des Gebäudes für Rückblicke in die Vergangenheit genutzt: In den Szenen, in denen Falconer noch mit Jim im Haus lebt, glücklich und gelassener wirkt, sind die Räume von Sonnenlicht durchflutet, erscheinen hell und freundlich. Die Szenen, in denen Falconer allein ist, sind meist am Abend gedreht, was seinen Gemütszustand unterstreicht. Gegen Ende des Films – Achtung, Spoiler! –, als Falconer wieder neuen Lebensmut findet, kehren Farbe und Licht in das Mid-Century-Gebäude zurück.

Nicht nur von Filmbegeisterten wurde «The Brutalist», der bisher unter anderem drei Golden Globes und zehn Oscar-Nominierungen einspielte, mit Spannung erwartet, sondern auch in Architekturkreisen.

Doch in Brady Corbets Filmdrama, das die Geschichte des fiktiven ungarisch-jüdischen Architekten und Holocaust-Überlebenden László Tóth (Adrien Brody) erzählt, geht es tatsächlich weniger um Architektur als vielmehr um das emotionale Gewicht von Tóths Reise. Nach dem Zweiten Weltkrieg wandert er, begleitet von seiner Frau Erzsébet (Felicity Jones) und einer Drogenabhängigkeit, in die USA aus und bekommt dort den grössten Auftrag seines Lebens.

Die Architektur ist stark aufgeladen: Das Gemeindezentrum, das Tóth für den Industriellen Harrison Lee Van Buren (Guy Pearce) entwirft, wird zum monumentalen Abbild seiner Vergangenheit. «Ich wollte, dass das Institut sowohl Tóths Genie als auch das Trauma, das er in sich trägt, widerspiegelt», sagt Judy Becker, die Produktionsdesignerin von «The Brutalist», im Interview mit der Online-Plattform «Archinect».

Zu den architektonischen Referenzen im Film zählen Marcel Breuers Whitney Museum in New York und Harry Weeses U-Bahn-System in Washington. Dessen weite, höhlenartige Innenräume haben Becker zu den unterirdischen Elementen des Instituts im Film inspiriert, die sie als «eine Reflexion der Gefangenschaft und des Kampfes um die Freiheit» beschreibt.

Becker, die für ihre Arbeit für einen Oscar nominiert ist, studierte aber auch die Architektur der Konzentrationslager. Die «starren Grundrisse und die beengten Räume dieser Orte» hätten die nüchterne Innenarchitektur des Instituts, insbesondere die niedrigen Decken und engen Durchgänge, beeinflusst. Tóths Bauwerk wirkt so schwer wie die Handlung des Films, der ab dem 30. Januar 2025 in den Schweizer Kinos läuft.

Bei Tag eröffnet die Villa des Unternehmers Martin Vanger (Stellan Skarsgård) in «The Girl with the Dragon Tattoo» einen einzigartigen Blick über den Infinity-Pool, die felsige Hügelkuppe und die Bucht. Nachts jedoch, umgeben von völliger Dunkelheit, verwandeln die Panoramafenster den Innenraum in eine Vitrine – die Bewohner werden der Wildnis und Beobachtern ausgeliefert.

Die Spannung verstärkt sich, als klarwird: Die Bedrohung lauert nicht draussen. Die Zuschauerinnen und Zuschauer blicken von aussen in die Villa und beobachten, wie Vanger in der von John Robert Nilsson entworfenen Villa sein Unwesen treibt – einem Gebäude, das plötzlich nicht mehr luxuriös, sondern bedrohlich steril und wie durch Panzerglas abgeschottet wirkt.

Im Film «Parasite» des südkoreanischen Regisseurs Bong Joon Ho, der unter anderem mit vier Oscars prämiert wurde, gelingt es der mittellosen vierköpfigen Familie Kim durch raffinierte Täuschung, sich im Leben der wohlhabenden Familie Park einzunisten.

Die Wohnverhältnisse der beiden Familien sind darin nicht nur Sinnbild für die sozialen Unterschiede, sondern auch für die jeweiligen Familienleben. Jenes der Kims etwa ist trostlos und improvisiert, und dies spiegelt sich in ihrer engen, dunklen und heruntergekommenen Kellerwohnung wider.

Im Kontrast dazu steht das moderne Anwesen der Parks – gross, luxuriös, erbaut aus edlen Materialien, eingerichtet mit einem minimalistischen, makellosen Interieur. Der weitläufige, gepflegte Garten verstärkt das Gefühl von Ruhe und Stabilität, das die Villa und die Lebensverhältnisse der Parks vermitteln – genau das, wonach sich die arme Familie Kim sehnt.

Doch kaum hat sie sich in diesem vermeintlichen Paradies einquartiert, offenbart sich: Auch dieses Refugium, mit seinen offenen Grundrissen und riesigen Fensterfronten, birgt Geheimnisse.

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