Donnerstag, November 21

Er verschied just in dem Jahr, da die letzten Teile des einstigen Textilimperiums Gessner aufgelöst wurden.

An dem Tag, als Thomas Isler verstirbt, wartet auf die Hinterbliebenen zu Hause bei der Rückkehr vom Spital ein Blumenmeer. Er hat am Tag zuvor Geburtstag gehabt – und musste in den Notfall eingeliefert werden. «Was können wir Thomas Gutes tun?», steht auf einer der Glückwunschkarten. Thomas Isler, verheiratet, Vater zweier erwachsener Söhne, Damian und Leander, ist am 14. November 2024 verstorben. Er wurde 80 Jahre und einen Tag alt.

Schon länger hatte er Krebs. Doch er liess sich nicht davon abhalten, sein Leben so zu führen, wie er das immer getan hatte. Er fuhr Ski und ruderte. Noch am Freitag sei er im Geschäft gewesen, sagt sein Sohn Damian Isler. Er war aktiv bis zum Schluss. Vom ruhigen Pensionistenleben habe er ohnehin nie viel gehalten, sagt seine Ehefrau Corinne Isler-Boller.

Thomas Isler war ein Textilindustrieller mit Leib und Seele. Das Familienunternehmen Gessner mit Sitz in Wädenswil, dem er bis zu seinem Ableben als Präsident vorstand, war lange Zeit eine Grösse im hiesigen Textilgeschäft. Isler stand dem Textilverband Schweiz vor und war 41 Jahre lang Präsident der Zürcherischen Seidenindustrie-Gesellschaft, die das Erbe dieses für Zürich einst so wichtigen Industriezweigs verwaltet.

Ein «Urfreisinniger»

Als «urfreisinnigen Rüeschliker Unternehmer» hat die «Zürichsee-Zeitung» Isler einst bezeichnet. Der Freisinn in einer liberalen, offenen Spielart sei ihm sehr wichtig gewesen, sagen die Hinterbliebenen – überhaupt die Freiheit. Er war 18 Jahre lang, von 1977 bis 1995, Gemeindepräsident von Rüschlikon. Ebenfalls während 18 Jahren und bis 2005 sass er im Kantonsrat, die beiden letzten Jahre als Fraktionschef.

2008 wurde er Präsident des Zürichsee-Landschaftsschutzes, im Volksmund Schilfröhrliklub genannt. Der Verein setzt sich für den Schutz des Landschaftsbildes an den Ufern des Zürichsees ein. In einer Gedenkschrift zu seinem Abschied steht über Isler, er habe sich viel länger und intensiver für den Verein eingesetzt, als er das selbst angekündigt habe.

Es heisst darin: «Dank seinen engen Beziehungen zur Kantonsregierung konnte sich der Verein direkt nicht nur in den politischen, sondern auch in den verwaltungsinternen Meinungsbildungs- und Entscheidungsprozess einbringen.»

Andere hätten unter der Last der vielen Ämter vielleicht geächzt. Bei ihm sei das Gegenteil der Fall gewesen, sagt sein Sohn Damian Isler. «Er hat diese Aufgaben gesucht, weil sie ihm Energie gegeben haben.» Aber er habe in einer neuen Funktion keineswegs alles an sich gerissen, sondern gerne delegiert und den Leuten ihre Freiheiten gelassen. «Als Chef war er sehr beliebt.»

In seinem letzten Lebensjahr gab Thomas Isler ein Amt nach dem anderen ab. Im März das Präsidium der Zürcherischen Seidenindustrie-Gesellschaft, im Juni jenes des Zürichsee-Landschaftsschutzes.

Als er geboren wurde, beschäftigte die Firma noch 2000 Leute

Und auch für die einst stolze Textilfirma endete eine Ära. Gegründet 1841, beschäftigte das Familienunternehmen Gessner bei Thomas Islers Geburt noch über 2000 Angestellte auf der ganzen Welt. Die Spezialität des Hauses war die Herstellung von Stoffen für Krawatten, Deko und Haute Couture. Die Firma überlebte den Niedergang der Textilindustrie in der Schweiz nicht. Wie für andere ehemalige Textilbetriebe ist die Entwicklung der eigenen Immobilien heute ein wichtiges Standbein.

Aber Thomas Isler wollte es damit nicht sein Bewenden haben lassen. Unter dem Label Créasphère wurden die einstigen Fabrikläden zu einem Netz von Fachgeschäften für Stoff und Vorhänge mit über 200 Mitarbeiterinnen in der ganzen Schweiz.

Doch auch dieses Marktumfeld wurde zuletzt zusehends schwieriger. In diesem Jahr hat die Firma ihre letzten Filialen geschlossen. Das Familienunternehmen konzentriert sich nun allein auf die Immobilienentwicklung.

Der Zufall wollte es, dass dies just in dem Jahr geschah, das Thomas Islers letztes sein sollte. Zurück bleiben sein Unternehmen, seine Familie und sein grosses Engagement für seinen geliebten Zürichsee.

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