Mittwoch, Januar 22

Weinfelden plant 70 Gräber, die islamischen Bestattungsvorschriften entsprechen. Gegner wollen dies mit einem Referendum verhindern – und werfen so Grundsatzfragen zum Zusammenleben auf.

Für gläubige Muslime gelten bei der Bestattung besondere Vorschriften. So müssen die Gräber nach Mekka ausgerichtet, von anderen Grabfeldern abgegrenzt und in «reine Erde» gesetzt sein. Also Boden, auf dem zuvor noch nie ein Grab stand.

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Über dieses Anliegen diskutierte die Gemeinde Weinfelden schon im Jahr 2006. Damals lehnte das Stadtparlament den Bau «diskussionslos» ab. Damals habe es keinen Bedarf gegeben. Doch dieses Jahr nahm das Parlament das neue Friedhofsreglement mit 24 zu 4 Stimmen an.

Nur drei Tage dauerte es, bis in der Gemeinde die 400 geforderten Unterschriften für ein Referendum zusammenkamen. Schliesslich reichte ein überparteiliches Komitee am Montag, 20. Januar, sogar 1000 beglaubigte Unterschriften ein – also von 13 Prozent der Weinfelder Stimmberechtigten.

So ist der Friedhof von Weinfelden von einem Ort der Ruhe zum Politikum geworden. Und es stellt sich die Frage: Geht es um Toleranz oder um eine Sonderbehandlung? Die Thurgauer Kleinstadt wird voraussichtlich am 18. Mai über die islamischen Grabfelder abstimmen. Ein Nein der Bevölkerung könne eine «Signalwirkung für ähnliche Projekte» in der ganzen Schweiz haben, schreibt die «Sonntagszeitung».

«Ein Unbehagen, das viele spüren»

Für den EDU-Kantonsrat Lukas Madörin, der zusammen mit anderen Gegnern das Referendum ergriffen hat, geht es um mehr als nur ein Friedhofsreglement. «Bei vielen Leuten löst der Islam ein gewisses Unbehagen aus», sagt Madörin auf Anfrage der NZZ. Das Thema sei ein «heisser Härdöpfel». Es müsse möglich sein, diese Debatte zu führen, ohne gleich in Verdacht zu geraten, intolerant zu sein.

«Die Menschen sind verunsichert und wollen darüber reden, trauen sich aber oft nicht», sagt Madörin. Das Projekt eines muslimischen Grabfelds sei für ihn ein Schritt in eine «bedenkliche Richtung» – eine Abkehr von der bewährten Trennung von Religion und Staat.

Weinfelden habe eine lange Tradition der religiösen Neutralität auf dem Friedhof, argumentiert Madörin. «Das Bestattungswesen ist eine staatliche, keine religiöse Angelegenheit.» Die Einführung eines muslimischen Grabfeldes empfinde er daher als befremdlich – «eine Sonderbehandlung», die nicht in die heutige Zeit passe.

Gleichzeitig weist Madörin darauf hin, dass es ihm nicht darum gehe, Muslime auszugrenzen. «Ich bin offen für Lösungen, aber ohne dass wir das Friedhofsreglement religiös aufladen», sagt er. Eine spezifische Ausrichtung der Gräber sei für ihn denkbar – solange es im Reglement keinen religiösen Bezug gebe. Die Bevölkerung müsse mitreden, es gehe um ein grundlegendes Verständnis davon, «wie in Weinfelden das Zusammenleben gestaltet werden soll».

«Muslime fühlen sich missverstanden»

Für Adem Kujovic, Generalsekretär des Dachverbands Islamischer Gemeinden der Ostschweiz, hingegen sind die muslimischen Gräber in Weinfelden eine «Herzensangelegenheit». Der Dachverband hatte die Schaffung der Grabfelder angeregt. Im Gespräch mit der NZZ wünscht sich Kujovic mehr «Respekt vor den Bedürfnissen von Menschen». Es habe ihn enttäuscht, zu sehen, «wie aus diesem Bedürfnis ein Politikum gemacht wurde».

Besonders irritiert zeigt sich Kujovic über die zunehmend «polemische» Debatte. «Es ist bedauerlich, dass man Beispiele aus dem Ausland heranzieht – etwa Demonstrationen islamistischer Gruppen – um Ängste zu schüren. Wir leben in der Schweiz, und hier haben wir unsere eigenen, bewährten Wege des Dialogs und des Kompromisses.» Er verweist darauf, dass in Städten wie Zürich und Frauenfeld bereits muslimische Grabfelder existierten, ohne dass dies zu gesellschaftlichen Verwerfungen geführt habe.

Kujovic betont, dass die muslimische Gemeinschaft durchaus zu Kompromissen bereit sei. Die Kernprinzipien der islamischen Bestattung – wie die rituelle Reinigung und die Ausrichtung der Gräber nach Mekka – müssten jedoch respektiert werden. «In einer pluralistischen Gesellschaft sind Lösungen möglich, die Traditionen und Bedürfnisse aller berücksichtigen.»

Die Gesellschaft für Minderheiten in der Schweiz (GMS) befasst sich ebenfalls mit dem Thema. «Dass Muslime bisher nicht stärker auf eigene Grabfelder drängten, hat mit der Angst zu tun, dadurch nur den Widerstand zu verstärken», heisst es in einer Broschüre der GMS. Aber auch mit negativen Erfahrungen, wie rund um die Minarettabstimmung.

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