Der «Running Mate» von Kamala Harris spricht ein wenig Chinesisch und hat das Land oft bereist. Republikaner werfen ihm das vor. Dabei ist Tim Walz durchaus kritisch gegenüber China.
Tim Walz muss sich offenbar für seine Verbindungen zu China rechtfertigen. Als ihn Kamala Harris vergangene Woche als ihren Vize-Kandidaten vorstellte, kamen von republikanischer Seite umgehend verbale Angriffe. Der republikanische Senator Tom Cotton etwa forderte von Walz eine öffentliche Erklärung für seine «unübliche, 35-jährige Beziehung mit dem Kommunistenchina». Der ehemalige amerikanische Botschafter in Deutschland, Richard Grenell, schrieb: «Niemand ist mehr pro-China als der Marxist Tim Walz.»
Walz glaubte lange an Wandel durch Handel
Tatsächlich ist Tim Walz sehr China-affin. Er schickt Video-Grussbotschaften zum Chinesischen Neujahrsfest, und spricht darin ein wenig Mandarin oder Kantonesisch. Erst im März hat er sich noch mit dem chinesischen Generalkonsul in den USA getroffen, Zhao Jian, und mit ihm darüber gesprochen, wie der Austausch zwischen den USA und China verbessert werden kann.
Austausch mit China hat Walz persönlich lange gepflegt und gefördert. Walz hat China über 30 Mal bereist, und hat sogar seine Flitterwochen dort verbracht. 1989 hat er an einem Elite-Gymnasium in Foshan, nahe bei Hongkong, Englisch und Amerikanische Geschichte unterrichtet. Nebenbei hat er Mandarin und Kantonesisch gelernt. Daraufhin haben seine Frau und er jährlich in den Sommerferien Schülergruppen nach China geführt, bis 2003. Walz und seine Frau Gwen waren damals beide Lehrer an einer Highschool in Makato, Minnesota.
«China war am Kommen, und das war der Grund, warum ich gegangen bin», sagte Walz 2007 in einem Interview mit der amerikanischen Zeitung «The Hill». Die neunziger Jahre war die Zeit, in der China sich wirtschaftlich öffnete, bis China 2001 schliesslich der Welthandelsorganisation beitrat. Die Mehrheit in den USA glaubte damals daran, dass Handel und Dialog mit China einen politischen Wandel auslösen könnte. Auch Tim Walz gehörte zu der Fraktion, die sich für engere Wirtschaftsbeziehungen mit China einsetzten.
Scharfer Kritiker der chinesischen Regierung
Trotz seiner kulturellen Affinität gegenüber China teilt Walz den überparteilichen Konsens zugunsten einer harten Chinapolitik. Die Menschenrechtssituation in China hat Walz schon immer kritisch gesehen – auch wenn er anfangs noch hoffnungsvoll war.
1989, als er im Süden Chinas unterrichtete, fuhr er mit dem Zug ins nördlich gelegene Peking. Er wollte den Platz des Himmlischen Friedens sehen, wo am 4. Juni desselben Jahres Hunderte, wenn nicht Tausende friedlich demonstrierende Studenten von der Regierung niedergeschossen worden waren. Im Jahr darauf sagte er gegenüber einer Lokalzeitung in Nebraska, die Chinesen seien von ihrer Regierung seit Jahren schlecht behandelt und betrogen worden. «Mit der richtigen Führung gebe es keine Grenzen dafür, was sie alles erreichen könnten», sagte er. «Sie sind gutherzig, grosszügig, fähige Menschen… dorthin zu gehen, war eines der besten Dinge, die ich getan habe.»
Walz und seine Frau Gwen heirateten am 4. Juni 1994, dem fünften Jahrestag des Massakers. Ihr Mann wollte ein Datum wählen, dass er bestimmt nie vergessen würde, sagte seine Frau laut einer Lokalzeitung.
Mit der Zeit wurde Walz skeptischer und er räumte eine gewisse Naivität ein, an «Wandel durch Handel» geglaubt zu haben. Sein Verhalten als Mitglied des Repräsentantenhauses von 2006 bis 2018 zeigt seine zunehmend chinakritische Haltung. Bereits 2009 warnte er, in Tibet und Xinjiang finde ein kultureller Genozid statt. 2016 schloss er sich mit Republikanern zusammen für einen Gesetzesentwurf gegen administrative Budgetkürzungen für die Armee. China habe eine neue Insel im Südchinesischen Meer gebaut, wo Flugzeuge landeten, lautete ein Beispiel für die Bedrohung Chinas in seiner Rede vor dem Kongress.
2017 stimmte er für den «Hong Kong Human Rights and Democracy Act», zudem unterstützte er mehrfach Resolutionen für die Unterstützung von chinesischen Dissidenten. Solche traf er auch persönlich, zum Beispiel den Demokratieaktivisten aus Hongkong, Joshua Wong, der aktuell in Hongkong vor Gericht steht.
I stand w/ @joshuawongcf & all advocating for #democracy in #HongKong. Political prosecutions can’t silence the spirit of self-determination pic.twitter.com/W3ItSI0z73
— Fmr. Rep. Tim Walz (@RepTimWalz) August 22, 2017
Im Jahr 2016 hatte Walz den Dalai Lama zum wiederholten Mal empfangen. Dass ein Politiker seines Rangs dies tut, unterstreicht, dass ihn die Druckversuche der chinesischen Regierung wenig kümmern. Das offizielle China protestiert jedes Mal, wenn Politiker den Dalai Lama empfangen.
#tbt to 2 years ago, a life-changing lunch with @DalaiLama. We talked about humility, patience, and compassion. I try to embody these values every day in my work. pic.twitter.com/UnaEyy0GOI
— Tim Walz (@Tim_Walz) March 15, 2018
Der Schweizer Bundesrat empfängt den Dalai Lama bereits seit 2005 nicht mehr, obwohl die Schweiz die grösste tibetische Exilgemeinschaft Europas beherbergt. Beim letzten längeren Besuch des Dalai Lamas in der Schweiz, 2018, richtete der Zürcher Regierungsrat Mario Fehr ein offizielles Grusswort an ihn und es gab ein Treffen mit der parlamentarischen Gruppe Tibet.
China-Kenner in der Regierung kann nützlich sein
Falls Walz Vizepräsident der USA wird, wäre er der einzige Präsident oder Vizepräsident seit George Bush senior, der selber in China gelebt hat. Diese Erfahrung aus erster Hand kann im diplomatischen Austausch nicht schaden. Obwohl Walz anerkennt, dass das globale Machtstreben Chinas den amerikanischen Interessen zuwiderläuft, hat er stets dafür plädiert, die Kanäle des menschlichen und wirtschaftlichen Austauschs offen zu halten.

