Mittwoch, Oktober 23

Der Wald lockt im Herbst mit kulinarischen Schätzen. Eine diplomierte Pilzkontrolleurin klärt auf, worauf es beim «Pilzlen» zu achten gilt.

Im Herbst zieht es viele in die Wälder, um nach Pilzen zu suchen. Es ist ein Naturerlebnis mit Aussicht auf ein feines Abendessen. Doch es gibt einiges, was beim Pilzlen beachtet werden sollte. Denn so gut die Gewächse schmecken, so vorsichtig sollte man beim Verzehr sein. Erwischt man einen giftigen Pilz, kann das im schlimmsten Fall tödlich enden.

Überhaupt kann es schwierig sein, die kleine Frucht des unterirdisch grossen Lebewesens auf dem Waldboden zu entdecken. Gemeinsam mit Marionna Schlatter, einer diplomierter Zürcher Pilzkontrolleurin, haben wir uns auf die Suche gemacht. Dabei hat sie uns ihre Tipps und Tricks verraten.

«Sobald es kühler und feuchter wird, beginnen die Pilze aus dem Boden zu spriessen», sagt Marionna Schlatter. Das könne schon im Juni sein. «Die Waldgewächse mögen eine gewisse Feuchtigkeit und einen hohen Temperaturunterschied zwischen Tag und Nacht», sagt die Expertin. Frost hingegen gar nicht. Gefriert der Boden ein erstes Mal, endet die Saison auch schon.

Zur Person

Marionna Schlatter

Seit Kindheit faszinieren Marionna Schlatter Pilze. Geweckt wurde die Leidenschaft durch ihren Vater, der sie an die Welt der Pilze heranführte. Bereits mit 14 Jahren hat sie die Prüfung zur Pilzkontrolleurin absolviert. Heute bildet die 43-Jährige selbst Pilzkontrolleurinnen und -kontrolleure aus. Zudem ist sie Mitautorin des Buchs «Pilze aus Wald und Stadt». Ausserdem ist sie Nationalrätin der Grünen.

Zu Marionna Schlatters Ausrüstung gehören drei Utensilien. Das erste: ein grosser Korb, in dem sie die gesammelten Pilze aufbewahrt. Anstelle von diesem könne auch eine Papiertüte verwendet werden. Von geschlossenen Plastiksäcken rät Schlatter ab: «Darin können die Pilze nicht atmen und bleiben deshalb weniger lange frisch.»

In luftdurchlässigen Plastikschalen, in denen im Supermarkt zum Beispiel Trauben verkauft werden, platziert Schlatter die gefundenen Pilze und versorgt sie im grossen Korb. «So bleiben die Pilze separiert», erklärt die Expertin. Zu guter Letzt darf das Pilzmesser mit geschwungener Klinge und Pinsel zur Entfernung des Drecks nicht fehlen.

Damit die Ausbeute gleich am Abend zubereitet werden kann, sollte bereits im Vorfeld eine Pilzkontrollstelle auf der Webseite der Vereinigung amtlicher Pilzkontrollorgane der Schweiz (kurz Vapko) ausfindig gemacht werden. So können die Pilze im Anschluss gezeigt und danach frisch zubereitet werden.

Ja. Die gesetzlichen Vorschriften variieren jedoch von Kanton zu Kanton. Die unterschiedlichen Regelungen sind auf der Website der Vapko ersichtlich. In Zürich darf man pro Tag und Person ein Kilogramm Pilze sammeln. Ausser vom 1. bis zum 10. Tag des Monats – dann ist Schonzeit, während der das Sammeln untersagt ist. In Naturschutzgebieten ist es ebenfalls verboten, Pilze zu sammeln.

«Überall, wo es Wald hat, gibt es auch Pilze», sagt Marionna Schlatter. Auch in den Wäldern der Stadt und nicht nur in den Bergen. Im Gegenteil: «Im Unterland gibt es eine grössere Vielfalt an Pilzen, da hier die Baumarten diverser sind», sagt die Pilzkontrolleurin. Schliesslich wachsen viele Pilze in Symbiose mit bestimmten Bäumen.

Deshalb Schlatters Tipp: Beim Pilzesuchen sollte man nicht nur nach unten, sondern unbedingt auch nach oben schauen. Steinpilze beispielsweise wachsen gerne bei Fichten, Herbsttrompeten ausschliesslich bei Buchen, am liebsten bei ganz alten und grossen. In Zürich findet man in der Nähe von Buchen auch Eierschwämme – jedoch ist es ihnen Ende Oktober oft bereits zu kalt. Zu dieser Jahreszeit wachsen hier eher Trompetenpfifferlinge, die nahe verwandt sind mit Eierschwämmen und in der Pfanne zubereitet genauso gut schmecken. Im Umfeld von Ahorn brauche man nicht zu suchen, da wachse nichts Geniessbares, weiss die Expertin.

Auch sogenannte Pilzgemeinschaften könnten auf das Vorkommen gewisser Sorten hinweisen. In der Nähe vom giftigen Fliegenpilz und dem Mehlräsling etwa findet man oft auch Steinpilze.

Der Steinpilz, der Maronenröhrling, Parasol, Reizker und Eierschwämme gehören zu den Anfängerpilzen – das seien häufige Pilze, die man relativ einfach erkennen kann. Doch alle Sinne gehörten zum Pilzlen mit dazu, meint Marionna Schlatter. Um die Gesamtheit ihrer Merkmale zu bestimmen, müsse man sie anschauen, anfassen und an ihnen riechen. Der geniessbare Mehlräsling etwa riecht nach Camembert, den Hexenröhrling erkennt man an der blauen Verfärbung seines Fleisches, der Maronenröhrling verfärbt sich durch Druck blau.

Durch das Anfassen wird aber auch festgestellt, ob der Pilz noch gut ist: «Wenn man etwa den Hut eines Steinpilzes anfasst und dieser ganz schlabbrig ist, ist er zu alt und nicht mehr geniessbar. Das kann zu Magenbeschwerden führen.»

Wie bei so vielem gilt auch hier: Das Erkennen wie das Finden sind reine Übungssache. Der beste Weg, in die Welt der Pilze einzutauchen, sei das Begleiten von jemandem aus einem Pilzverein, sagt Schlatter und fügt an: «Vieles, was wir über die Gewächse wissen, basiert auf Erfahrungswissen und ist nicht unbedingt in einem Buch festgehalten.»

Hinsichtlich des Nachwachsens spiele es keine Rolle, ob er aus der Erde gedreht oder geschnitten werde. «Generell pflücken wir nämlich nur die Frucht. Das ganze Lebewesen befindet sich unter dem Boden», erklärt Schlatter. Damit der Pilz bestimmt werden kann, müsse er aber ganz aus dem Boden genommen werden. Denn der Stiel sei für seine Zuordnung oft ausschlaggebend, so die Expertin.

Werden die Pilze zur Kontrollstelle gebracht, was Schlatter generell empfiehlt, sollte das Ende des Stils keinesfalls entfernt werden. Sobald klar ist, um welche Sorte es sich handelt, könne der untere Teil abgeschnitten werden, so dass nicht der ganze Dreck mit nach Hause komme.

Je nachdem, wie alt sie bei der Ernte waren, bleiben die rohen Pilze in einem luftdurchlässigen Gefäss im Kühlschrank versorgt zwischen 24 und 48 Stunden haltbar. «Mit gekochten Pilzen sollte dann wie mit Fleisch umgegangen werden», rät die diplomierte Pilzkontrolleurin. Was heisst: Nachdem die Reste des Pilz-Mahls auskühlen konnten, werden sie im Kühlschrank versorgt und am nächsten Tag aufgegessen. Mehrmals sollten sie nicht aufgewärmt werden, meint Schlatter.

«Pilze müssen gut erhitzt werden», sagt Marionna Schlatter und fügt an, dass der Verzehr von rohen Pilzen gesundheitsschädlich sein kann. Wichtig ist also, dass die Pilze ungefähr 10 bis 20 Minuten in der Pfanne bleiben, egal wie man sie zubereitet. Welche Zubereitungsart sich für welche Sorte am besten eignet, solle man am besten gleich die Pilzkontrolleurin oder den Pilzkontrolleur fragen.

«Pilzbestimmungs-Apps funktionieren noch nicht», warnt Schlatter. Das liege daran, dass diese nur perfekt aussehende Pilze zuordnen können. Die Lebewesen seien jedoch Umwelteinflüssen wie zum Beispiel Schnecken ausgesetzt, die den Hut leicht beschädigen. Und beschädigte Pilze würden die Apps noch nicht erkennen. «Zuverlässig ist nur die Pilzkontrolle», sagt die Expertin.

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