Sportlich sein geht im österreichischen Lech auch ganz gut auf die gemütliche Art: am Vormittag die Piste hinunter, danach kommt Wellness und wird geschlemmt.
Martin Schneider hebt seinen Arm und zeigt mit dem Finger auf die Berge, die im 360-Grad-Radius um uns herum thronen. In rund vier Stunden werden wir sie alle auf unseren Skis abgefahren sein, erklärt der Ski-Guide. Für eine Skifahrerin, die seit über fünf Jahren nicht mehr auf den Brettern gestanden ist, ist die Präsentation dieses Halbtagesprogramms ehrfurchteinflössend. Der «Weisse Ring» heisst die Runde, die hier als legendärste Skirunde der Alpen bezeichnet wird und Lech mit Zürs, Zug und Oberlech verbindet. Die sportliche Sightseeing-Tour umfasst rund 22 Kilometer und insgesamt etwa 5500 Höhenmeter Unterschied auf leichten und mittelschweren Skiabfahrten, inklusive Halt bei den Aussichtsplattformen am Rüfikopf und am Madloch.
1885 schnallten sich drei Österreicher Skis an und fuhren zum ersten Mal die Pisten am Arlberg herunter – und der Arlberg ging als Wiege des alpinen Skilaufs in die Landesgeschichte ein. Mit Lech, Schröcken, St. Anton, St. Christoph, Stuben, Warth und Zürs bildet Vorarlberg heute das grösste Skigebiet Österreichs: über 300 Skiabfahrtskilometer und mehr als 200 Kilometer Tiefschneeabfahrten.
Jeder Kilometer am Weissen Ring hat Spass gemacht. Der tief verschneite Arlberg ist ein wahres Eldorado für alle, die in den Ferien gerne aktiv sind. Die Pisten erfreuen Anfänger gleichermassen wie Profis. Der Muskelkater in den Beinen wird in den kommenden Tagen aber deutlich spürbar sein. Am Nachmittag präsentiert sich Lech von seiner schönsten Seite: Die Sonnenstrahlen sorgen dafür, dass jeder Stuhl auf den Terrassen der Hotels und Restaurants besetzt ist. Nach dem Skifahren und vor dem Spa-Besuch ist eine Stärkung im Freien sehr willkommen.
So wie mit jeder weiteren Kurve, die auf der Piste gezogen wurde, der Alltag in den Hintergrund gerückt ist, geschieht dasselbe am Abend beim Betreten des Spa-Bereichs im Hotel Gasthof Post. Alle Sinne sind auf Entspannung eingestellt. Im beheizten, 15 Meter langen Aussenpool lassen sich ein paar Bahnen ziehen und das Omeshorn bestaunen – den Berg, der direkt vor dem Hotel thront, vergleichen die Einheimischen mit dem Matterhorn –, während ringsherum die Schneeflocken vom Himmel fallen. Eine magische Kulisse.
Alle Sinne entspannen
In der finnischen Sauna und im Sole-Dampfbad werden die Muskeln wieder gelockert, beim anschliessenden Ausruhen in den Zirbenbetten wird der Puls beruhigt. Der Spa-Besuch wird mit einer Massage abgerundet. Nach dem Skifahren eine wahre Wohltat. Für Eltern mit Kleinkindern ist ebenso der Badebereich für die Kleinen ein willkommener Aufenthaltsort.
Das familiengeführte Hotel Gasthof Post, das im Dorfzentrum von Lech steht, ist seit je ein Ort, wo Stunden der Entspannung genussvoll zelebriert werden und erstklassige Kulinarik serviert wird. Das Traditionshaus ist Teil des erlesenen Kreises der «Relais & Châteaux»-Familie. Hier trifft alpine Gasthoftradition auf höchsten Luxus mit charmanten Details. Nie zuvor haben wir weichere Handtücher und Waschlappen in den Händen gehalten, und wenn es schon nicht ohne Gefäss für Tischabfälle auf dem Frühstückstisch geht, dann doch zumindest mit solchen aus Porzellan und mit dekorativer Bemalung versehen.
Die Liebe fürs Detail spiegelt sich auch in den Zimmern wider. Keines gleicht dem anderen. Die mit Antiquitäten, bunt bemalten Kachelöfen oder Bücherregalen ausgestatteten Räume fühlen sich so an, als wäre man in einer Wohnung bei Freunden untergebracht. Manche Zimmer sind zudem mit einem Vorraum sowie einem begehbaren Kleiderschrank ausgestattet. Einige haben einen modernen Twist, andere kommen traditioneller daher. Handwerk und hochwertige Materialien aber prägen jedes einzelne. Die Fliesen in den Badezimmern – auch hier gleicht keines dem anderen – wurden von österreichischen Künstlern bemalt. Die teilweise 80 Quadratmeter grossen Suiten mit eigener Terrasse bieten ein fürstliches Feriendomizil. Platzmangel muss hier niemand befürchten.
Wer durchs Hotel wandelt, nimmt den Duft von Holznoten wahr und hier und da auch den manchmal intensiveren Geruch von ausgestopften Tierköpfen, die von den Wänden hinunterblicken.
Aussergewöhnliche Kulinarik-Paare
Ausnahmslos himmlisch duftet es auf jedem Teller und in jeder Schale, die zum Abendessen serviert werden. Traditionelle Köstlichkeiten verschmelzen auf kreative Weise mit kosmopolitischen Einflüssen. Hummer und Huhn bilden ein ebenso stimmiges Paar wie Wagyu und Schnecken. Und wer meint, man könne aus Süsskartoffeln, Pilzen und Knochenmark keine Süssspeise kreieren, wird hier eines Besseren belehrt. Das Panoramarestaurant und die drei Stuben empfangen die Gäste in einer alpinen Wohlfühlatmosphäre, in der die Komponenten Kalb, Chicorée und Rinderfett auf dem Teller als solche zwar nicht erkennbar sind, ihr Geschmack aber keinen Zweifel lässt.
Aktivitäten und Attraktionen für grosse und kleine Bergmenschen gibt es in Lech zuhauf. Nach einem jeweils ausgewogenen Frühstück, inklusive Green Power Juice aus Apfel, Spinat, Petersilie und Ananas, geht es an den Start der Schlittelpiste. Wache Sinne sind hier entscheidend, denn die Route darf aufgrund ihres Gefälles als waghalsig bezeichnet werden. Als Kontrastprogramm bieten sich die Winterwanderwege an.
Einer mit einer besonderen Attraktion befindet sich in Oberlech. Oberhalb der letzten Häuser steht der Skyspace von James Turell. Von Lech nimmt man am besten den Bus bis zur letzten Station. Auf dem Winterwanderweg geht es in rund 30 Minuten zur Lichtkunst. Für diesen Standort hat der Künstler einen Lichtraum entworfen, in dem das Zusammentreffen von Himmel und Erde in der hochalpinen Landschaft mit neuem Blick zu erleben ist. Wenn man Glück hat, erwischt man einen Zeitpunkt, zu dem niemand anderes anwesend ist, dann lässt sich das Licht in aller Ruhe wahrnehmen.
Gastronomie neu denken
Glück haben auch all diejenigen, die Gast in der «Roten Wand» sind. In Zug gelegen, einem Weiler von Lech, ist es eine Adresse für anspruchsvolle Geniesser. In den «Roten Wand Stuben» wird modern interpretierte alpine Küche serviert. Die «Stuben» in geschichtsträchtigen Wänden, dekoriert mit Handwerklichem sowie Bildern aus früheren Zeiten, bilden eine stimmige Symbiose mit der modernen Einrichtung. «Wir haben Freude daran, eine hohe Gastronomie in einer relaxten Umgebung anbieten zu können», sagt Joschi Walch, Chef der «Roten Wand». Und nicht nur das. Gastronomie neu zu denken, ist es, was das Team tagtäglich antreibt. Neben dem Chef’s Table, der im Nebengebäude im ehemaligen Schulhaus von Zug untergebracht ist, ist auch ein Food Lab Teil des Unternehmens. Hier werden kulinarische Ideen und neue Techniken ausprobiert.
Junge, kreative Köpfe wie Jamie Unshelm, Leiter des Culinary Lab, forschen unermüdlich, wie es dem Hotel in Zukunft zum Beispiel gelingen wird, Zero Food Waste vollumfänglich zu leben. Kartoffelschalen werden bereits getrocknet und zu Brot weiterverarbeitet, aus Kaffeesatz wird Kombucha oder Kaffeeessig. Verändern und neu zusammenbauen lautet die Devise. Hierfür stehen im «Küchen-Labor» verschiedene Maschinen zur Verfügung: Mit der einen lassen sich Lebensmittel schwärzen, mit einer anderen klären, fermentieren, oder es lässt sich veganer Kaviar produzieren.
Ein Grossteil von dem, was der Gast auf dem Teller serviert bekommt, wird im Haus produziert. Jamie Unshelm reicht ein Stück Karottenspeck zum Probieren. Und der Name verspricht nicht zu viel: eine Karotte, die wie Speck schmeckt. Hier ist man überzeugt, dass Fleisch in Zukunft an Bedeutung verlieren wird. «Wir hinterfragen alles, was wir machen, und wollen immer ein Stück weiterdenken», sagt der Gastgeber Joschi Walch. «Entwicklung ist wichtig, und die jungen Leute müssen schliesslich auch gefördert werden», ergänzt er.
Ein Rundgang durch die «Rote Wand» verdeutlicht, dass hier grosser Wert auf Details, Design, Handwerk und Kunst gelegt wird. Naturmaterialien treffen auf Farbakzente, Gastfreundschaft auf Hochgenuss. Die durch und durch stimmig konzipierten Aufenthaltsräume sowie das Team sorgen für viel Wohlgefühl. Auf der von der Sonne gewärmten Restaurantterrasse geniessen wir einen Teller Paté vom heimischen Wild mit Preiselbeeren aus eigener Herstellung und hausgemachtem Sauerteigbrot.
Auf Ästhetik bedachtes Dorf
Was 1650 als Bauernhaus errichtet wurde, wurde immer wieder erweitert. Damit es den Dorfcharakter beibehält, wurden allerdings ausschliesslich Gebäude – insgesamt sind es sechs Häuser, die alle unterirdisch miteinander verbunden sind – in ähnlicher Grösse wie die bereits bestehenden gebaut, anstelle eines immer grösser werdenden Hotelkastens. Heute ist die «Rote Wand» eine Adresse, an der Hochgenuss und Innovation in jeder Hinsicht gelebt werden.
Aussagen wie «Der Gast will dies und das» werden zur Kenntnis genommen. Aber: «Unsere Familie wohnt auch im Hotel, wir sind selbstbewusst und gestalten alles so, wie wir es für richtig halten», betont Joschi Walch. Die Naturidylle in Zug ist umso perfekter, da in der direkten Umgebung des Hotels kein abgestelltes Auto das Bild stört: Die Autos lässt ein Angestellter nach der Vorfahrt einfach in die dreistöckige Tiefgarage des Hotels verschwinden. Und wo früher ein 600 Quadratmeter grosser Parkplatz stand, blüht nun im Sommer ein Garten. Jeder und jedem in Zug ist es ein Anliegen, dass das idyllische Dorfbild intakt bleibt.
Die Dichte an kulinarischen Hochgenüssen ist in Lech besonders hoch. Da trifft es sich gut, wenn man nur die Vormittage auf der Skipiste verbringt und sich am Nachmittag dem Schlemmen hingibt. Die Buchteln im Hotel Almhof Schneider zum Beispiel sind wahre Meisterwerke, geschmacklich wie optisch. Rund 1500 Personen sind in Lech zu Hause. Dazu kommen rund 5000 Hotelbetten. Ein Dorf von Hotels könnte man sagen, die eine gewisse Höhe nicht übersteigen dürfen. Ferienwohnungen dürfen seit 1980 nicht mehr gebaut werden.
Im ganzen Dorf gibt es nur Weisslichtreklamen, andere Farben oder gar blinkende Leuchtmittel sind verboten. Anstelle von Zäunen wählt man Hecken – so lässt sich das idyllische Dorfbild pflegen und erhalten. Zudem wird laufend in die Häuser sowie ins Ambiente investiert. Es ist Teil der hiesigen Kultur. Auf dem Notizblock im Zimmer im Hotel Gasthof Post ist auf den Blättern zu lesen: «Ich wär so gern noch einen Tag geblieben.» Wie wahr.
Dieser Artikel ist im Rahmen der «NZZaS»-Beilage «Reisen» erschienen, die von NZZ Content Creation erstellt wird.