Montag, September 16


Tipps

Die Wurst lässt sich gut transportieren, konservieren und ist zudem eine perfekte Verwertung des Tieres. Um sie selbst herzustellen, braucht es etwas Geduld und die richtigen Gadgets.

Durchwursteln. Ein Wort, das den stärksten Metzgergesellen zum Weinen bringt, weil es einer der wunderbarsten Erfindungen in der Karnivoren-Historie überhaupt nicht gerecht wird, auch wenn Synonyme dafür, wie durchquälen und -quetschen, präziser auf den völlig normalen Vorgang bei der Wurstherstellung hindeuten. Nämlich dass Fleisch mittels Drücken durch scharfkantige kleinere und grössere Öffnungen geführt wird. Und so seine gewünschte Konsistenz erhält.

Die Wurst war eine strategische Erfindung, ein Quantensprung in der menschlichen Ernährung. Sie lässt sich über lange Dauer konservieren und auch gut transportieren. Napoleon hätte es mit seiner Armee nie bis nach Moskau geschafft ohne diese Art von Fleischkonserven. Dass er dort nicht reüssierte, lag hauptsächlich am zusammenbrechenden Nachschub, der Feldherr hatte schlicht mit einer kürzeren Dauer des Feldzuges gerechnet.

Fleisch wurde aber schon viel früher in Hüllen gepackt. 700 Jahre v. Chr. erwähnte Homer tapfere Krieger, die sich vor der Schlacht mit fett- und blutgefüllten Tierdärmen stärkten. Die Römer waren als kreative Wurstfüller bekannt, sie befüllten Därme mit Innereien, Ei und Wolfsblut. Zwischen Antike und Mittelalter wurden Zubereitung und Rezepturen verfeinert, Gewürze fanden ihren Weg in die Därme, und ausser getrocknet wurde auch gebrüht und geräuchert, ein Gewinn für die Haltbarkeit.

Perfekte Verwertung des Tieres

Was die Wurst bis heute ausmacht: Sie ist die perfekte Verwertung von Tierteilen, die sonst fast niemand als Ganzes auf dem Teller haben möchte. Innereien, Hirn, Blut, Fett, Stücke, die auch nach tagelangem Schmoren nicht zart zu bekommen sind, sie alle eignen sich – stark zerkleinert und gewürzt – als ideale Munition, um Därme damit zu laden.

Trotzdem ist die Wurst ein deutliches Zeichen des Respekt des Metzgers gegenüber dem Tier, das er tötet. Nur damit kann er die je nach Tierart 40 bis 50 Prozent Fleisch, die sonst niemand kauft, sinnvoll verwerten.

Würste selbst zu fabrizieren, ist einfacher als allgemein vermutet. Mehr noch, die Befriedigung, sie danach auf dem Grill oder in der Pfanne liegen zu sehen, hineinzubeissen und genau zu wissen (und zu schmecken!), was darin ist, das entschädigt nicht nur ungemein für die Arbeit und den Aufwand der zusätzlichen Küchen-Gadgets, die dazu benötigt werden. Nein, es macht auch glücklich!

Ohne den Wurstunternehmen zu nahe treten zu wollen: «Gott weiss alles, nur nicht, was in der Wurst ist.» Das geflügelte Wort hat seine Berechtigung. Und das Lebensmittelgesetz unterstützt (legale) Tricksereien auch noch. In einer Kalbsbratwurst ist mitnichten nur Kalb darin. Gerade 24 Prozent. Etwas mehr, wenn sie sich St. Galler Bratwurst nennt. Gewichtige Gründe also, selbst zu wursten.

Was man zum Wursten braucht:

Wir brauchen dazu: einen Fleischwolf, dazu ein Wurstfüllhorn und Därme (die verkauft der Metzger). Noch etwas Eis, und es kann losgehen. Während der gesamten Zubereitungszeit sollen die Zutaten kühl bleiben, darum mischen wir etwa 5 Prozent Eis von Anfang an dazu. Sobald man routiniert und rasch arbeiten gelernt hat, ist das nicht mehr nötig. Wer Platz im Kühlschrank hat, legt auch die Gerätschaften einige Stunden hinein. Wichtig ist, nur frischeste Produkte zu verwenden. «Für meine Salsiccia nach dem Rezept meines sizilianischen Grossvaters kühle ich das Fleisch auf null Grad herunter», sagt Aldo Maurizio Trupia, der meines Erachtens die besten Salsiccie in der Schweiz herstellt.

«Nur Schweinefleisch, von der Schulter und Stotzen, dazu auch das Schulterfett. Bauchfett schmilzt zu rasch und hat oft einen Nebengeschmack, den ich in meinen Salsiccie nicht haben will. Natürlich von Tieren aus besonders artgerechter Haltung. Dazu 2 Prozent Salz, Fenchelsamen und nach Gusto auch Peperonciniflocken. Und molto Passione!» Er drehe dann alles durch den Wolf in mittlerer Grobheit (6-mm-Scheibe) und presse es gleich in ultradünne Schafsdärme ab. Die Länge bestimmt jeder für sich selbst. Ob zur Wurstschnecke aufgerollt oder kurze, handliche Würste, ist einerlei. Beim ersten Mal sahen auch bei mir die Resultate aus wie beim Metzgerlehrling nach durchzechter Nacht.

Wichtig zu beachten beim Wursten:

Immer beachten sollte man den Fettanteil, sonst wird jede Wurst zu trocken. 20 bis 30 Prozent des Totalgewichtes müssen es sein. Und werden Kräuter (zum Beispiel Rucola oder Minze) verwendet, dann immer getrocknet, ausser die Würste werden am selben Tag zubereitet.

Bei den Zutaten sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt. Und es muss auch nicht immer Fleisch sein. Aus Fisch und Meeresfrüchten lässt sich genauso wursten wie aus Gemüse oder Planted-Ersatzprodukten, ebenso eignet sich als Zutat auch Käse, der sich dann beim Aufschneiden herrlich flüssig seinen Weg aus der Wurst sucht. Einfrieren lässt sich jede (frische) Wurst, geräucherte und gekochte Würste sind ja per se schon haltbarer.

Richi Kägi ist Autor und Foodscout, schreibt Kochbücher und Kolumnen. Aus Salsiccie macht er auch einen köstlichen Sugo. Seine Rezepte veröffentlicht er auf homemade.ch und richardkaegi.ch, Instagram @richifoodscout.

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