Freitag, Januar 17

Der amerikanische Friseur Chris Wenzel alias der «Blowout-Professor» erklärt auf Youtube und Tiktok die Grundlagen für schöne, lange, glänzende und professionell gestylte Haare. Und, wer hätte es gedacht: Man hat es nicht richtig gemacht.

In der wundersamen Welt der sozialen Netzwerke gibt es nichts, was es nicht gibt: einen Kanal für ambitionierte Bonsai-Gärtner, Influencerinnen, die zeigen, wie man seinen Mann zum Aufräumen bringt, und Menschen, die dabei helfen, Bier selber zu brauen. Es gibt Granfluencer (fitte alte Leute), Cleanfluencer (endlich Ordnung) und Fleischfluencer (alles Wurst). Das alte Diktum der Kommunikationswissenschaft, dass jedes neue Medium Schlaue schlauer und Dumme dümmer mache, zeigt sich in den fragmentierten und hochspezialisierten Ecken der sozialen Netzwerke. Youtube als Schule des Alltags, Tiktok als Lebenshilfe.

Wer gedacht hat, dass er auf dem vermeintlich einfachen Gebiet des Haarewaschens alles richtig macht, der wird auch hier von Youtube eines Besseren belehrt. Der amerikanische Friseur Chris Wenzel zeigt dort, wie es richtig geht. Im Haarewaschen und -Stylen ist er ein Profi, zusammen mit seiner Kollegin Leslie Naoom betreibt er die Blow-Bar «Live Love Locks» in Miami, Florida.

Endlich richtig die Haare waschen

Eine Blow-Bar ist ein Friseurkonzept, das sich in Europa noch nicht durchgesetzt hat: ein Salon, in dem es ausschliesslich darum geht, sich die Haare professionell waschen und in einen Hollywood-Helm föhnen zu lassen. Es ist die Art von Perfektion, die man in Europa im Alltag als overdone verstehen würde, aber so weit muss man es gar nicht kommen lassen. Chris Wenzel möchte, dass wir aufhören, an unseren Haaren zu verzweifeln, und er fängt mit den Basics an. Den totalen Basics, um genau zu sein, nämlich damit, dass wir uns endlich, endlich richtig die Haare waschen.

Dafür hat Wenzel einen Youtube-Kanal eingerichtet, in dem er mit Leslie Naoom als Sidekick, einer blonden Polyesterperücke und einfachsten gestalterischen Mitteln versucht, seine Aufklärungsarbeit unter der Dusche zu leisten. Man wusste ja gar nicht, was man alles falsch machen kann. Geradezu ironisch: Der Blowout-Professor selber hat so gut wie gar keine Haare, aber eben Leslie, an der er seine Techniken und Produkte testet.

Manchmal bittet er auch seine Nachbarn, all das neue Zeug auf dem Markt auszuprobieren: «Wir als Profis können mit jedem Produkt ein gutes Ergebnis bekommen, wir wollen, dass es jeder schafft.»

Haircare Mistakes That Will RUIN Your Hair

Kopfhaut reinigen, nicht die Haare!

Aber was bitte kann man denn alles unter der Dusche falsch machen? So einiges, erfährt man. Seine Videos sind ein Rabbit-Hole: Je länger man sie schaut, desto komplexer wird die Materie. Zehn bis zwanzig Minuten dauert ein Vortrag, länger als mancher TED-Talk zum Thema, sagen wir, wie die Verwaltung in Athen es schafft, die Bürger vor der Hitze zu schützen. Aber der Blowout-Professor leistet Tiefenarbeit, und so begibt man sich auf eine Reise in die Struktur des Haares.

Als Erstes räumt Wenzel damit auf, dass man Shampoo zwischen den Händen schaumig reibt, denn Schaum, so lernt man, bindet das Sebum, also jenen Fettfilm, der aus den Poren in der Kopfhaut entsteht und der dafür sorgt, dass die Haare irgendwann fettig werden. Es gilt also, die Kopfhaut zu waschen und nicht die Hände und nicht die Haare.

Das macht man, indem man die Kopfhaut mit einem Scheitel freilegt und das Shampoo von dort aus in diese einmassiert (eigentlich ganz genau so, wie es richtige Friseure im Salon machen). Das wiederholt man an den Seiten und vor allem am Hinterkopf, so lange, bis das Shampoo wieder schäumt, denn das heisst, dass kein Fett mehr gebunden wird und die Kopfhaut vom menschengemachten Schmutz befreit ist.

Hier setzt Wenzel auch schon zum ersten Exkurs an, und zwar darüber, in welchem Zustand sich das Haar befindet: Je weiter von der Wurzel entfernt, desto poröser die äussere Schicht. Darum klatscht man den Conditioner auch nicht, analog zum Shampoo, direkt auf den Kopf, sondern massiert ihn ab Ohrenhöhe in den unteren Teil der Haare.

Nun ist das Haar zwar schön feucht, doch leider hat die poröse Struktur ein Problem – nämlich dass dort, wo Feuchtigkeit reinkommt, auch Feuchtigkeit wieder heraustritt, etwa beim Ausspülen. Also empfiehlt der Blowout-Professor Leave-in-Spray-Conditioner, also das sauteure Zeug, das einem Friseure nach dem Besuch immer andrehen wollen und bei dem man sich immer gefragt hat, warum das jetzt besser sein soll als der 3-Franken-90-Conditioner aus dem Supermarkt.

Ohnehin, Shampoo aus dem Supermarkt, dazu hat Wenzel auch sehr starke Meinungen, doch dazu später. Zurück zu seiner «hair trifecta», also jenen drei Produkten, die es braucht, um bessere Haare zu bekommen.

Auf einmal sieht die Blondierung wieder frisch aus

Eines seiner Mittel, das er jedem ans Herz legt, ist das Haaröl von Olaplex. Warum? Die Enden der Haare sind der kaputteste Teil, und mit dem «Bonding Oil» werden sie so weit gekittet, dass sie nicht von Tag zu Tag weiter zerstäuben. Das, so Wenzel, sei das Geheimnis nicht nur von gepflegtem Haar, sondern auch von langem Haar. Das Öl reicht auch, um morgens wieder in die Gänge zu kommen: Haare bürsten, Öl in die Spitzen, danach sind die Haare good to go.

So simpel das alles klingt – die Effekte sind im Selbstversuch durchschlagend. Plötzlich sieht die etwas verwelkte Blondierung nagelneu aus, und die Haare rascheln so sanft, als käme man direkt vom Friseur (oder dem «Salaaaan», wie Wenzel es nennt). Seine Videos wurden über 50 Millionen Mal angeklickt, erleuchtete Fans erklären auf Tiktok, dass der Blowout-Professor der Grund für ihre glänzende Mähne sei.

Die Kommentare unter seinen Videos handeln von einem neuen Leben durch richtig behandeltes Haar, davon, dass seine Tipps müde Haarschöpfe wieder zum Glänzen gebracht haben. Allerdings gibt es auch Kritik, vor allem an seiner Abneigung gegenüber Billigshampoos – tatsächlich funktionieren seine Tipps auch mit günstigen Alternativen aus dem nächsten Migros-Regal.

Trotzdem merkt man Wenzel an, dass seine Aufklärung eine Herzensangelegenheit ist: «Haartipps im Internet sind wie Diättipps», sagt er, «ständig kommen Leute an und sagen, was das neue Ding ist – einmal ist es Pfefferminze, danach kommt Rosmarin, dann vielleicht Reiswasser, man weiss es nicht.» Er wolle einfach nur, dass die Menschen aufhörten, Zeit und Geld für nutzlose Produkte zu verschwenden. Und tatsächlich, so stellt sich heraus, braucht man von allem weniger, wenn man sich an einige seiner Regeln hält.

Eine Wissenschaft für sich

165 Videos hat der Blowout-Professor inzwischen gepostet, manche von ihnen dauern über zwanzig Minuten. Sie tragen Titel wie «Haircare mistakes that will RUIN your hair» oder «The secret to fast hair growth» oder «Stop using the wrong brushes for your hair type». Als Aussenstehende könnte man glauben, eine Ausbildung zur Friseurin zu bekommen, dabei drehen sich die Videos nur um Waschen, Föhnen und darum, wie man die Pracht irgendwie aufrechterhält.

Dass dies eine Wissenschaft für sich ist – eigentlich hätte man es sich denken können. In einer Welt, in der es Influencer gibt, die erklären, wie man seinen Zimmerpapagei zum Sprechen bringt, ist das Bedürfnis nach gepflegten Haaren doch geradezu mehrheitsfähig.

Die wichtigsten Tipps des Blowout-Professors:

  1. Heat-Styling: Ja, bitte Haare nicht trocknen lassen, das führt nur dazu, dass die äusserste Haarschicht matt bleibt. Die tatsächliche Farbe im Inneren des Haares kann nicht leuchten, wenn die äussere Haarschicht nicht durch den Föhn geglättet wurde (er vergleicht Föhnen mit einer Politur). Allerdings: Die Haare bitte nicht grillieren, sondern nur feuchte Haare mit Hitze stylen.
  2. Wer einen Lockenstab oder ein Glätteisen benutzt, sollte sich unbedingt einen Hitzeschutz zulegen.
  3. Die Föhnfrisur hält länger, wenn man sich eine Duschhaube aus der Kategorie «Gutes von gestern» kauft und die Haare beim Duschen nicht wieder feucht werden lässt.
  4. Die Frisur hält noch länger, wenn man sich eine Seidenhaube, ebenfalls aus der Kategorie «Gutes von gestern», zulegt und sie beim Schlafen trägt.
  5. Die Frisur hält noch einen Tag länger, wenn man ein leichtes Trockenshampoo verwendet.
  6. Die Form der Bürste (oval oder rechteckig) ist egal, die der Borsten nicht. Es gibt Bürsten für normales und solche für lockiges Haar.
  7. Die Spitzen regelmässig zu schneiden, um die Haare wachsen zu lassen, ist Unsinn. Stattdessen muss man die Spitzen mit Öl pflegen, damit sie nicht weiter abbrechen.
  8. Shampoo mit kaltem Wasser abzuspülen, ist nicht nur ekelhaft, sondern bringt auch nichts.
  9. Die schönsten Produkte nützen nichts, wenn die Bürste nicht regelmässig gereinigt wird – sonst hat man den ganzen alten Schmutz gleich wieder in den Haaren.
  10. Haarspray ist nur für besondere Events geeignet, weil es die Haare verklebt.
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