In Amerika gilt er schon länger als Weltklassegeiger, jetzt hört man die souveräne, völlig uneitle Kunst des Deutsch-Amerikaners auch in Zürich. Mit dem Violinkonzert von Brahms bezaubert Augustin Hadelich das Tonhalle-Publikum.

Beethoven, Brahms, Tschaikowsky – die Violinkonzerte dieser drei Komponisten sind so etwas wie die Tempelsäulen des Repertoires für jeden Geiger. Der Deutsch-Amerikaner Augustin Hadelich beherrscht sie, wie alle Solistinnen und Solisten, die in der dünnen Luft des internationalen Konzertbetriebs bestehen wollen, vermutlich im Schlaf. Beim Tonhalle-Orchester Zürich hat sich Hadelich im Sommer 2023 erstmals mit dem Tschaikowsky-Konzert präsentiert; zusammen gastierte man damals unter der Leitung des Musikdirektors Paavo Järvi sogleich an den BBC Proms in London.

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Diese Woche kehrte Hadelich nun für zwei Auftritte zum Tonhalle-Orchester zurück, diesmal mit dem Brahms-Konzert. Und nach diesem Gastspiel darf man schon jetzt auf ein drittes Engagement hoffen, vielleicht ja wirklich mit Beethoven im Gepäck. Denn Hadelich, das demonstriert seine Wiedergabe des rund vierzigminütigen Brahms-Kolosses eindrucksvoll, ist einfach der Mann für diese grossen, technisch wie konditionell herausfordernden Stücke.

Der Geiger als Dirigent

Weder deren Bekanntheit noch ihr künstlerischer Anspruch scheinen ihn indes zu schrecken. Hadelich steht, nein schwebt beim Brahms-Konzert so souverän über den Dingen, wie man das selten erlebt. Er spielt diese Musik zwar nicht wie im Schlaf, aber mit der Sicherheit eines Traumwandlers, der über die Schwierigkeiten bloss lächelt. Das hat viel mit der Klarheit zu tun, mit der er seinen Solopart in jedem Moment überblickt. Anstatt sich an den vielen Herausforderungen im Detail abzuarbeiten, durchdenkt er seinen Part offenkundig wie ein Dirigent: in grösseren Einheiten und Spannungsverläufen. Er weiss daher immer genau, wo virtuoser Glanz oder Dramatik gefragt sind; aber auch, wo es Raum gibt zum Innehalten, so dass sich die Musik schwärmerisch aussingen kann.

Anders als bei vielen Solisten, die sich mehr Platz für ihr Ego nehmen, wahrt er dabei jedoch immer einen fast klassizistisch strengen Rahmen, auch der musikalische Puls bleibt nahezu konstant. Beim Romantiker Brahms, dessen Musik leicht zum Schwärmen verführt, hat diese Strenge eine besonders eindringliche Wirkung: Es ist nicht der Interpret, der den Fluss der Musik mit Verlangsamungen oder dem Anziehen des Tempos bestimmt – es ist die Musik selbst, die den Lauf der Zeit je nach Intensitätsgrad anzuhalten oder zu beschleunigen scheint.

Hadelich beherrscht dieses paradoxe Spiel mit unserer Wahrnehmung meisterhaft. Dass er dabei auf seiner prächtigen Guarneri von 1744, die einst von der Geiger-Legende Henryk Szeryng gespielt wurde, auch noch ausgesprochen tonschön musiziert, wirkt beinahe selbstverständlich – so stimmig stellt dieser Künstler sein Können in den Dienst des Werks. Das Orchester stellt sich nach etwas verwackeltem Beginn am Donnerstag recht schnell auf die Intensität dieses Musizierens ein und scheint dem Geiger selbst fasziniert zu lauschen – so subtil und transparent klingt die Begleitung. Besonders im Ohr bleibt das betörend schöne Oboensolo von Simon Fuchs im Mittelsatz.

Ein Hörabenteuer

Die gewohnte Präzision und sein charakteristisch breites Klangspektrum zeigt das Orchester dann nach der Pause in Béla Bartóks wildem Tanzspiel «Der holzgeschnitzte Prinz» von 1917. Hier setzt auch der rumänische Gastdirigent Cristian Măcelaru stärkere Akzente, indem er die Musiker etwa bei den folkloristisch inspirierten Stellen zu freiem, fast entfesseltem Spiel anregt. Wie Hadelich behält Măcelaru dabei jedoch den rhythmischen Puls immer im Blick, was dieses zu selten gespielte Frühwerk Bartóks auch ohne Darsteller auf der Bühne zu einem packenden Hörabenteuer macht.

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