Donnerstag, Mai 15

In «Bad Boys: Ride or Die» wird vor allem Blech geredet. Es fehlen Karambolagen und Krawall. Was ist eigentlich mit dem Actionkino los?

Irgendwann zum Ende hin fängt sich Will Smith eine Ohrfeige ein. Im Showdown des neuen «Bad Boys»-Films hat Smith als Detective Mike Lowrey einen Schwächeanfall. Es ist der finale Schusswechsel, der Polizist packt’s nicht mehr. Eine Panikattacke. Aber sein Partner Marcus Burnett (Martin Lawrence) weiss, was zu tun ist. Er klebt ihm eine. Danach ist Mike Lowrey wieder einsatzfähig. Zielsicher schaltet er die letzten Bösewichte aus.

Lowrey ist der Held. Die Backpfeife hat’s gebracht. Fast hätte man Will Smith auch abseits der Leinwand eine gewünscht. Nicht als Retourkutsche für seine Handgreiflichkeit bei den Oscars vor zwei Jahren. Gewaltphantasien geziemen sich nicht. Aber eine Watschen als Wachmacher wäre vielleicht angebracht gewesen. Denn «Bad Boys: Ride or Die» ist nur noch ein hundemüder Wink an den Stoff, der für Smith einst die Leinwandkarriere lancierte.

Die Figurendynamik hat sich damals sofort erschlossen: Will Smith als Playboy-Polizist in Miami und an seiner Seite die Grimasse Martin Lawrence, die auf familientauglichen Gesetzeshüter macht: 1995 hatte der Blockbuster-Meister Michael Bay die beiden als nonstop Stuss schwafelndes Cop-Duo auf das floridianische Verbrechertum losgelassen. Mit Teil drei hat das belgische Regieduo Adil El Arbi und Bilall Fallah übernommen. Dass wir heute erst bei Teil vier sind, ist noch das Beste, was man über die Entwicklung dieser Franchise sagen kann.

Die Story ist sekundär

Die Ambitionslosigkeit von «Bad Boys: Ride or Die» ist bemerkenswert. Bei Produktionskosten von rund 100 Millionen Dollar würde man annehmen, dass im Verlauf der Entwicklung jemand einen Blick auf das Drehbuch wirft. Offensichtlich war für die Macher der Filminhalt jedoch sekundär. Will Smith verkauft Kinokarten: Das scheint das ganze Geschäftsmodell zu sein.

Die «Geschichte» dreht sich darum, dass Conrad Howard, der ermordete Boss von Lowrey und Burnett, postum beschuldigt wird, als Maulwurf für Drogenkartelle tätig gewesen zu sein. Die Cops kommen einer Verschwörung auf die Spur.

Ein uninspirierter Plot per se ist noch nicht schlimm. Actionfilme dürfen dünn sein. Aber faustdick müssen sie auftragen. Die Handlungslogik im Actionkino ist selbsterklärend: Explosionen, Schusswechsel, Prügel, Verkehrsunfälle . . . Hauptsache, etwas passiert. Zerstörung heisst Zerstreuung, mehr verlangt gar niemand. Nirgendwo findet man ein so dankbares Publikum wie im Actionkino. Alles, was der Fan will, ist ein bisschen Verwüstung. Stattdessen bekommt er seit einiger Zeit nur noch Schrott.

Das Genre hat seit seiner Hochphase in den neunziger Jahren den Schwung völlig verloren. Früher war in solchen Filmen Verlass auf zumindest eine ordentliche Verfolgungsjagd. Bei Michael Bay bekam man zuverlässig nach spätestens einer halben Stunde den ersten anständigen Autostunt. Während nun die Bad Boys viel Blech reden, demolieren sie kaum noch welches. Wo bleiben Karambolagen und Krawall?

Michael Bay brüllt

Adil El Arbi und Bilall Fallah vertreiben sich die Zeit damit, dass Marcus Burnett mit einem Süssigkeitenverbot kämpft. Im nächstbesten Kiosk kramt das Schleckermaul nach Smarties. Kurz darauf hat der Mann einen Herzinfarkt. Nach der Nahtoderfahrung ist er ein neuer Mensch. Burnett fühlt sich unsterblich. Das ist der einzig nennenswerte Witz dieses Films, die Figurenprofile werden umgedreht: Während der Berufsjugendliche Lowrey langsam erwachsen wird – er heiratet, verliert seine Lässigkeit und entwickelt Panikattacken –, bringt Burnet nichts mehr aus der Ruhe. Er ist überzeugt, dass er nicht sterben kann.

Das Schicksal habe ihm versichert, dass seine Zeit noch nicht gekommen sei, sagt er. Um seinen Punkt deutlich zu machen, will er blind eine vielbefahrene Strasse überqueren. Ein heranschiessender Sportwagen kann knapp noch bremsen. Völlig in Rage brüllt der Fahrer den Fussgänger an, den Zebrastreifen zu nehmen. Hinter dem Steuer erkennt der kundige Zuschauer niemand anderes als Michael Bay. Der Kurzauftritt ist lustig, aber auch unfreiwillig ironisch: Der alte «Bad Boys»-Regisseur ärgert sich, dass ihm ein Trottel vors Auto läuft. «Bahn frei», scheint Bay zu sagen. «Los, macht Tempo.» Aber «Bad Boys: Ride or Die» tritt auf der Stelle. Too bad.

Exit mobile version