Dienstag, Februar 25

Der Guide Michelin Österreich brachte die Sterne zurück in die Alpenrepublik und erhellt mit der neuen Auswahl auch die entlegensten Winkel der Bundesländer.

1 Michelin-Stern, 1 grüner Stern

Vor den Panoramafenstern des Geniesserhotels «Die Forelle» im Kärntner Südwesten schlängelt sich der Weissensee. Von den Gailtaler Bergen behütet, bleibt der mit seiner Höhenlage von 930 Metern höchstgelegene Badesee der Alpen bis Anfang März zugefroren. Und zwar auf stolzen 6,5 Quadratkilometern – die grösste präparierte Natureisfläche Europas. Nach einem Tag auf Schlittschuhen kann man sich die kreativ-regionale «Berg.See.Küche» vom jüngst mit einem Michelin-Stern sowie einem grünen Stern ausgezeichneten Küchenchef Hannes Müller schmecken lassen.

Doch auch ohne sportliche Aktivität vorab muss man hier zuschlagen. Etwa beim eingangs gereichten Brot mit getrockneter Marille und aufgeschlagener Misobutter, mit Wald-Geissbart verfeinert. Oder bei der roh marinierten Gebirgsbachforelle, umkränzt von Melonenrettich und Kresse, am Tisch mit geräuchertem Fischsud aufgegossen. Und nicht zu vergessen: der Lammrücken, sous-vide gegart und in der Pfanne fertig gebraten.

Die Müllers züchten im Stall unter den Hotelräumen Krainer Steinschafe. Die einst beliebteste Rasse im Alpen-Adria-Raum ist dank extensiver Weidehaltung bekannt für besonders delikates Fleisch – und ein Slow Food Presidio: Sie gehört also zu den Pflanzensorten, Tierrassen oder Lebensmitteln, die von der internationalen Slow-Food-Stiftung für biologische Vielfalt geschützt werden. «Das Steinschaf hat schon seine kleinen Eigenwilligkeiten», sagt Monika Müller, die die Menufolge ihres Mannes als Sommelière begleitet. Daher brauche es dazu auch einen eigenwilligen Wein. Sie reicht also einen St. Laurent 2017 Zagersdorf voller Kirschnoten-Schmelz vom burgenländischen Weingut Rosi Schuster. Überhaupt bleibt ihre Weinbegleitung in Österreich. Hell strahlen die Sterne über dem Weissensee. So hell, man könnte glatt nachts Schlittschuh laufen.

Geniesserhotel «Die Forelle», Techendorf 80, A-9762 Weissensee. DZ ab 380 Euro / Nacht, inkl. Dreiviertelpension.

1 grüner Stern

«Der grüne Stern ist eine wunderbare Auszeichnung», sagt Claudia Ressi, «aber da braucht man schon die Produzenten dafür.» Und von denen findet man eben richtig gute im Gailtal. Im Südwesten Kärntens entstand vor nunmehr zehn Jahren die weltweit erste Slow-Food-Travel-Destination – ein touristisches Pilotprojekt mit besonderem Augenmerk auf nachhaltig und handwerklich produzierte Lebensmittel und Kulinarik. Und Claudia Ressis frisch mit dem grünen Michelin-Stern ausgezeichneter Mann Manuel zählt zu den 18 Slow-Food-Köchen Kärntens.

Seit der gebürtige Kärntner Ressi aus Wiens Sterneküchen in der Heimat zurück ist, gibt’s in den Stuben seines traditionsreichen Wirtshauses am Hauptplatz von Hermagor Klassiker à la carte wie Gailtaler Ripperl oder Kaiserschmarren (vielleicht der beste im ganzen Land, dank dem mit selbstgemachtem Duftpelargonien-Sirup gesüssten Apfelmus und einem ordentlichen Anteil Sauerrahm im Teig, der jeden Bissen saftig-fluffig hält). Oder eben das vier- bis achtgängige Foodie-Menu «Bärenwanderung». Da gibt es etwa einen im eigenen Kombucha gebeizten Lachs oder raffiniert zum Croissant geschlungene Butternusskürbis-Gemüsestreifen, in deren delikatem Innern sich fein-bitterer Endiviensalat versteckt.

Wer will, kann in Ressis Kochkurs lernen, wie man den Rand der Kärntner Kasnudel mustergültig abdichtend «krendelt». Und die mit den Tortellini verwandten Kasnudeln – gefüllt mit einer Masse aus Topfen, angerösteten Schalotten, zerquetschten Kartoffeln, Distelöl, Schnittlauchessig, weissem Balsamessig und getrockneter Kärntner Minze – dann im Anschluss gleich verkosten. Halbiert, an der Schnittfläche in Butter geröstet, mit der Radicchio-Sorte Rosa dell Isonzo garniert und mit Parasol-Pulver bestäubt. Wir wissen, wohin bei Bärenhunger.

«Bärenwirt», Hauptstrasse 17, A-9620 Hermagor. Im «Kleinen Bären» gegenüber kann man in einem vom 3 Gästezimmern der Ressis auch übernachten, DZ ab 120 Euro / Nacht.

2 Michelin-Sterne

«Jeder gute Abend endet in der Küche. Bei uns fängt er gleich dort an», so lautet das Motto von Philip Rachinger. Und mit jedem Teller, der aus seiner frisch zweifach besternten Küche an die Tische im Restaurant «Ois» getragen wird, unterstreicht der 35-Jährige diesen Satz. Kumquats, gefüllt mit Crème fraîche und Saiblingkaviar, dazu wird in Brandteig aktivkohlenschwarz gebackenes Sellerie-Käse-Mus gereicht – eine Textur wie warme Macarons. In einer Eisenpfanne wird Topinambur mit Haselnussbutter und Buttermilchbruch noch zischend und blubbernd vor Ofenhitze zu Tisch getragen, damit man frisches Bauernbrot darin tunken kann. Und dann gibt es noch das mit schwarzem Knoblauch verzierte «versaute Punschkrapferl», dessen an Petit Fours angelehntes Äusseres noch einen Schweinebauch versteckt. Ein Rezept, mit dem der Zwei-Sterne-Koch heuer auch auf dem Wiener Opernball aufwarten wird.

«Ois», das steht im Mühlviertlerischen für «alles». Und so ist dann eben auch die Küche: verspielt und sophisticated; innovativ und erdverwurzelt; furios und gut gelaunt. «Spitzenküche mit so manchem Überraschungseffekt», urteilt der Guide Michelin.

Philip Rachinger kochte im «Steirereck» bei Heinz Reitbauer oder in London bei Pierre Gagnaire. Aber er kam dann doch wieder heim in den abgelegenen Mühltalhof, der sich bereits seit sechs Generationen im Familienbesitz befindet. Ein kleines Hotel mit Flussbad und Sauna mit Blick auf die Grosse Mühl, einen der Flüsse, die dem oberösterreichischen Mühlviertel seinen Namen gaben. Tourismuswirtschaftlich noch wenig erschlossen, deshalb hat man im Mühlviertel seine Ruhe. Ausser natürlich, Philip Rachinger organisiert unter seinen Apfelbäumen ein Treffen von 24 Sterneköchen.

2017 bespielten Grössen wie der «Noma»-Küchenchef René Redzepi die Mühltalhof-Stationen. Oder die slowenische Autodidaktin Ana Ros, die ihrer Heimat Slowenien die erste 3-Sterne-Adresse einbrachte. Der Netflix-Starkoch David Chang tüftelte gemeinsam mit dem österreichischen Tausendsassa Lukas Mraz vom Wiener 2-Sterne-Restaurant «Mraz & Sohn». Und der schwedische 2-Sterne-Koch Magnus Nilsson habe gerade in einer Doku von den gebackenen «Mäusen» seiner Oma geschwärmt, erzählt Philip Rachinger: «Flüssiger Germteig, frittiert, in Zimtzucker gewälzt.» Ein Zuhörer nickt begeistert: «Urgeil.» Ein besseres Résumé zum Mühltalhof fällt uns jetzt auch nicht ein.

Übrigens: Gegenüber führt Philips Vater Helmut Rachinger das Restaurant «Fernruf 7», wo es etwa Erdäpfel-Wan-Tan mit Grammeln oder Schweinebauch «japanisch» mit Kimchi gibt. Auch seine wunderbaren Gästezimmer im alten Stadl sind fernöstlich inspiriert. Einst standen Vater und Sohn gemeinsam in der Küche, heute sagt Philip: «Beim Papa im ‹Fernruf 7› einen Tisch zu bekommen, ist wahrscheinlich schwieriger als bei mir.»

Hotel-Restaurant «Mühltalhof» (4 Sterne), das dazugehörige Restaurant «Ois» ist seit Januar mit 2 Michelin-Sternen bestückt, Unternberg 6, A-4120 Unternberg, ab 144 Euro / DZ inkl. Frühstück.

1 Bib Gourmand

«Das erste Wort haben die Produzenten», so klärt Walter Triebl seinen Fokus. Und nach denen muss der Küchenchef des frisch mit einem Bib Gourmand ausgezeichneten «Wirtshauses Lilli» am schmucken Hauptplatz von Fehring gar nicht weit suchen. Aufgewachsen ist der Südoststeirer – den man auch auf der österreichischen «100 Best Chefs»-Liste findet – nämlich nur zehn Minuten entfernt, auf dem elterlichen Biohof. Von dort stammt dann auch das fermentierte Rotkraut zu seiner Ceviche-Inspiration eines See-Saiblings. Letzterer wird mit der Ikejime-Methode getötet – einer Technik aus Japan, die darauf abzielt, keine den Fleischgeschmack beeinflussenden Stresshormone freizusetzen.

Für seine lässige, bodenständige und doch immer elegant getwistete Regionalküche ist Walter Triebl am idealen Standort. Fehring liegt inmitten einer Hügellandschaft vulkanischen Ursprungs, an der östlichen Stadtgrenze beginnt bereits das Burgenland. Rundum wachsen Kürbisse auf den Feldern des Raabtals, fürs Steirer Kernöl. Im engsten Umkreis finden sich aussergewöhnliche kulinarische Zutaten: vom steirischen Trüffel, den er in eine intensive Consommé zu verwandeln weiss, bis zu den Bresse-Gauloise-Hühnern vom Bio-Hendlhof ganz in der Nähe, die den Gang als mit Schnittlauch und Ingwercrème garnierte Chicken-Wings begleiten.

Das Fehringer Lamm kommt vom Bürgermeister. Und Wachs und Honig fürs Dessert liefern die Bienenstöcke vom Sous-Chef, der seine Bienen am Waldrand eines Kastanienhains hält. «Die Kastanie schmeckt man gut heraus», sagt Triebl. Und reicht noch Macarons, gefüllt mit einer Crème aus mit Bienenwachs infundierter Milch. Die Steiermark auf der Zunge – das klappt im «Wirtshaus Lilli».

«Wirtshaus Lilli», Hauptplatz 9, Fehring, A-8350 Österreich.

1 grüner Stern, 1 Bib Gourmand

«Unser eigenes Fleisch zu produzieren, das war von Anfang an die Idee hinter dem ‹Pogusch›», erklärt die Gastgeberin Birgit Reitbauer das Konzept des Wirtshauses «Steirereck am Pogusch», dem ländlichen Pendant zur gerade von zwei auf drei Sterne aufgewerteten Wiener Fine-Dining-Adresse, dem «Steirereck» im Stadtpark. Und so züchten die Reitbauers am Pogusch Schafe, Ziegen, Schweine und Hühner für die Frühstückseier. Oder bauen in ihren Gewächshäusern (in denen man auch übernachten kann) Hunderte verschiedener essbarer Pflanzen zur eigenen Verarbeitung an.

«Hier ist es wirklich mehr wie in einem Wirtshaus», betont die Österreicherin: «Donnerstags gibt es Schlachtplatte, freitags Fisch und am Samstag alles rund ums Kalb. Man kann aber auch einfach auf ein Stück Käse und ein Glas Wein vorbeikommen.» Oder sich an den langen Gemeinschaftstisch der von den Wirtshausherden abgetrennten «Schankkuchl» setzen, wo Manuel Weissenböck seine innovativen Gerichte mit Twist kredenzt. Den eleganten Amurkarpfen mit Raucharomatik und süss eingelegter Spitzpaprika etwa. Oder die mit Mandarine gefüllte ganze Birne, in einer sämigen Sauce aus Bitterschokolade und Kalamansi-Saft für die Zitrusnote.

Ein besonders ausgetüftelter Favorit des 35-jährigen Niederösterreichers ist der samt Tannenzweig servierte «Zapfenstreich»: Pogusch-Kartoffeln werden in lange Bandnudeln geschnitten, im Salzbad eingeweicht und dann roh zum Zapfen gewickelt, gedämpft, gebacken und schliesslich mit Kapernpulver bestreut zum Gast gebracht. «Erdäpfel gehören für mich einfach zur österreichischen Küche», sagt Weissenböck: «Ich wollte damit etwas Gutes machen. Etwas Wärmendes, Wohltuendes – mit Liebe.»

Wirtshaus «Steirereck am Pogusch», Pogusch 21, A-8625 Turnau. Ab 100 Euro / DZ Übernachtung (im Gewächshaus), es gibt aber unterschiedlichste Übernachtungsmöglichkeiten.

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