Freitag, April 25

Mrs Market präsentiert die grössten Überraschungen an der SIX im abgelaufenen Jahr – positiv wie negativ. Ausserdem: die Herausforderungen für Aryzta und Barry Callebaut im neuen Jahr sowie keine Sorge vor einem Führungswechsel bei Schindler.

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Das Jahr neigt sich dem Ende zu, was man unter anderem an der Dichte von Jahresaus- und rückblicken erkennt. Und so frage auch ich mich, was 2024 das Besondere an der Schweizer Börse war.

Dabei fällt mir eine Aktie auf, die erst seit diesem Jahr kotiert ist.

Erraten Sie, welche? Hier eine kleine Hilfestellung:

Klar, es handelt sich um Galderma.

Und ich bin mit meiner Einschätzung ganz und gar nicht allein: Elf von dreizehn bei Bloomberg erfassten Analysten empfehlen die Galderma-Aktien zum Kauf. Erst am Montag hat auch Matthew Weston von Goldman Sachs seine Einschätzung nach oben angepasst. Nur zwei Analysten – von Morningstar und Morgan Stanley – führen eine Verkaufen- respektive Halten-Empfehlung. Wobei Thibault Boutherin von der US-Grossbank der pessimistischste Beobachter ist, sein Kursziel von 83 Fr. für die kommenden zwölf Monate liegt 17% unter dem gegenwärtigen Kurs. Nach der jüngsten Avance auf fast 96 Fr. haben die Aktien aber auch die durchschnittliche Schätzung fast hinter sich gelassen.

Die Valoren gehören zusammen mit Lonza zu den beliebtesten an der Schweizer Börse überhaupt – was für mich auch ein Warnsignal ist. Übermässiger Optimismus unter Analysten ist oft auch ein Zeichen dafür, dass die Aktien bereits in (zu) vielen Depots liegen. Günstig sind sie ebenfalls nicht. Das Enttäuschungspotenzial ist in den vergangenen Wochen klar gestiegen.

Gleichzeitig hat Galderma beziehungsweise haben die bisherigen Eigentümergesellschaften EQT und Abu Dhabi Investment Authority sehr vieles richtig gemacht. Bereits der Ausgabepreis war mit 53 Fr. je Aktie vernünftig angesetzt. Man musste sicherstellen, dass der Börsengang am 22. März – der grösste seit langer Zeit an der SIX – ein Erfolg wird, wie ich damals schrieb. Dies auch, weil das Konsortium zu einem späteren Zeitpunkt weitere Aktienpakete zu einem höheren Kurs platzieren wollte, was dann auch ohne grosse Rücksetzer gelang. Im Sommer konnte mit L’Oréal zudem ein langfristiger Ankeraktionär gefunden werden. Der französische Konzern hält seit August 10% der Titel.

Auch punkto Markteinführungen hat das Unternehmen bisher nicht enttäuscht. Das ist eine Grundvoraussetzung dafür, dass das Vertrauen der Investoren hält, wie mein Kollege Henning Hölder Ende Oktober anlässlich der Präsentation der Quartalszahlen schrieb. Das Timing der Zulassungen war gut auf die ersten Börsenmonate abgestimmt. In regelmässigen Abständen hat Galderma in den vergangenen Monaten Erfreuliches geliefert.

Vor allem die letzte grosse Neuigkeit hat es in sich. Am Freitagabend gab die US-Gesundheitsbehörde FDA bekannt, dass die erst im August erfolgte Zulassung für Nemolizumab (Nemluvio) in den USA für die Behandlung von Neurodermitis erweitert worden ist. Das ist ein sehr wichtiger Entscheid, ist dieser Markt doch um ein Vielfaches grösser als jener für die Hautkrankheit Prurigo nodularis. Gemäss Vontobel dürfte das Mittel allein in diesem Bereich einen Spitzenumsatz von 2 Mrd. $ erreichen, zumal es den Juckreiz deutlich besser unter Kontrolle bringen soll als vergleichbare Medikamente.

Auch in der Europäischen Union ist man der Zulassung für Nemolizumab für beide Krankheitsbilder vergangene Woche einen Schritt nähergekommen. Am Freitagmorgen kommunizierte Galderma, der Wirkstoff habe eine positive Empfehlung vom Ausschuss für Humanarzneimittel der Europäischen Arzneimittelagentur erhalten. Den endgültigen Entscheid trifft die Europäische Kommission rund zwei bis drei Monate nachdem der Ausschuss eine Empfehlung geäussert hat – in der Regel folgt sie seiner Empfehlung.

Kurzum: Das Momentum stimmt. Ich bin gespannt, was 2025 bringt und bleibe bei Galderma mal dabei.

Kürzlich habe ich Aryzta analysiert. Die Aktien versprechen für 2025 einiges an Potenzial. Ein Thema, das viele Nahrungsmittelhersteller umtreibt, ist die Preisgestaltung. Die meisten Rohstoffe seien zuletzt nicht signifikant günstiger geworden, sondern eher teurer, sagte Aryzta-Chef Urs Jordi kürzlich in einem Interview mit der Schweizer Nachrichtenagentur AWP. Er zeigte sich zuversichtlich, bei den nun stattfindenden Vertragsverhandlungen mit den Kunden höhere Preise durchzusetzen. «Mittel- und langfristig werden die Preise eher steigen.»

Die Zeit der aussergewöhnlich hohen Inflation und der damit verbundenen starken Preissteigerungen ist aber definitiv vorbei. Der Preiseffekt dürfte sich damit im tiefen einstelligen Prozentbereich einpendeln – wobei das nicht für alle Inputkosten gilt.

Keine Entspannung ist bei Kakao in Sicht. Zuletzt hat der Preis für die Bohnen auch den bisherigen Höchststand vom April 2024 übertroffen.

Ungünstige Wetterbedingungen in Westafrika lassen nach anfänglichem Optimismus die Sorge aufkommen, dass auch die Saison 2024/25 (Oktober bis März) weniger ertragreich ausfallen wird wie frühere Jahre. Die Vorperiode hatte mit einer Mischung aus Dürren, Starkregen und Überflutungen in den wichtigsten Anbauländern Côte d’Ivoire und Ghana zu schmerzhaften Ernteausfällen geführt.

Darunter leidet der Aktienkurs von Lindt & Sprüngli. Noch stärker betroffen ist der von Barry Callebaut, der ebenfalls den Extremstand – sprich das Tief – von April 2024 egalisiert hat,;seit Jahresanfang haben die Titel 12% verloren.

Der Preisanstieg trifft den Kakaohändler und Schokoladenhersteller besonders hart: Barry Callebaut hält wegen des saisonalen Erntezyklus› und der komplexen Verarbeitung viel Kakao auf Vorrat, was bei höheren Rohstoffkosten mehr Kapital bindet. Der freie Cashflow fiel im Ende August abgeschlossenen Geschäftsjahr 2023/24 entsprechend klar negativ aus, die Verschuldung ist deutlich gestiegen – und dürfte bei noch höheren Lagerbeständen im Lauf des Geschäftsjahrs weiter steigen. Das ist aus Investorensicht unattraktiv, noch ist die Liquidität aber gesichert.

Entscheidend wird aus meiner Sicht sein, wie gut das Unternehmen die vollen und teuren Lager in Cash wandeln kann. Dank ihrem Preismodell sollte Barry Callebaut in der Lage sein, die höheren Kosten in Form von Preiserhöhungen weiterzugeben. Doch auch gerade wegen des Preisanstiegs dürfte die Nachfrage aus der Schokoladenindustrie gedämpft bleiben, zumal der Konsumsektor ohnehin schon unter der hohen Inflation der vergangenen Jahre leidet – was auch andere Lebensmittelhersteller stark spüren. Mehr dazu werden wir erst im nächsten Frühjahr wissen.

Im vergangenen April war das heutige Kursniveau zumindest kurzfristig ein Einstiegsignal für die Aktien. Damals waren nicht nur die Erntedaten schlecht, der Kakaomarkt war aus den Fugen und entwickelte eine von den fundamentalen Bedingungen losgelöste Eigendynamik. Mein Kollege Mark Dittli hat die Spirale in diesem Beitrag schön erklärt: Die Absicherung der Kakaohändler über Short-Kontrakte löst beim explosionsartig steigenden Preis Nachschusspflichten aus, die die finanziellen Möglichkeiten der Händler übersteigen und sie in Finanznöte bringen. Sie können sich gezwungen sehen, Short-Positionen einzudecken und den Futures-Kontrakt zurückzukaufen – egal, zu welchem Preis. Doch je mehr Kontrakte geschlossen werden, desto weiter steigen die Kakaonotierungen.

Ob sich gegenwärtig eine ähnliche Dynamik abspielt, kann ich nicht beurteilen. Damit ist es möglich, dass die Preisverwerfungen länger anhalten als im Frühjahr, was Barry Callebaut und auch andere Schokoladenhersteller an einem gewissen Punkt zwingen würde, den Rohstoff zu Spitzenpreisen einzukaufen. Vorläufig sollten Anleger aber weniger auf den absoluten Preis achten als auf Nachrichten zu fundamentalen Treibern wie Wetterkapriolen. Erst eine allfällige Entwarnung von dieser Seite dürfte auch in den Aktienkursen zu etwas Entspannung sorgen.

Vergangene Woche hat mein Kollege Manuel Boeck seinen ersten Artikel für The Market geschrieben, die Analyse zu Rieter empfehle ich Ihnen wärmstens. Sie zeigt, wieso die zyklischen Aktien in der Schwäche ein Kauf sind. CEO Thomas Oetterli erwartet, dass sich der Bestellungseingang im ersten Halbjahr 2025 verbessern und sich die Erholung im zweiten Halbjahr im Umsatz niederschlagen wird.

Daneben hat sich Manuel auch gleich zu Schindler umgehört. Oetterlis vorheriger Arbeitgeber gab am Donnerstag bekannt, dass Silvio Napoli als CEO und Verwaltungsratspräsident zurücktritt – und überraschte damit teilweise. Während klar war, dass Napoli die exekutive Leitung nur vorübergehend – zwei bis drei Jahre ab seinem Antritt im Januar 2022 – innehaben würde, hatten die meisten erwartet, dass er dem Unternehmen nach über dreissig Jahren bis zu seiner Pension in wenigen Jahren treu bleibt. So die Rückmeldung von Beobachtern.

Ein Warnsignal leuchtete in den Gesprächen indes nicht auf. Wir gehen nicht davon aus, dass sich durch den Wechsel zu Paolo Compagna per April 2025 an der zuletzt erfolgreichen Strategie von Schindler etwas ändert. Compagna wurde von Napoli in die Rolle des designierten Nachfolgers gebracht, als er das Management neu besetzte. Damit hat der künftige Konzernchef die endlich implementierte Modularisierungsstrategie und den Fokus, stärker auf die Profitabilität als Volumen zu achten, mitgetragen. Mit Erfolg: Die Marge legte in den vergangenen Jahren deutlich zu – auch ohne, dass sich das allgemein schwierigen Marktumfeld verbesserte. Diesen Weg dürfte Schindler fortsetzen – und sie schliesst nicht mehr aus, sogar das branchenführende Margenniveau von Otis zu erreichen.

Ähnlich schätzte das der Aktienmarkt bereits am Donnerstag ein, die Partizipationsscheine reagierten kaum. Seit Jahresbeginn haben sie 22% an Wert gewonnen.

Ganz leise dürfte die Ablösung aber nicht vonstattengegangen sein. Wieso würde sonst Napoli nach all den Jahren seinen Abgang ankündigen, bevor nicht wenigstens ein Nachfolger als VR-Präsident präsentiert werden kann? Ich tippe dabei aber eher auf etwas Persönliches als auf für das Geschäft relevante Verwerfungen – und ich bin gespannt, wer ab der Generalversammlung am 25. März 2025 das Präsidium übernimmt.

Apropos Managementwechsel: Einen solchen hat auch Swiss Re hinter sich. Seit Juli 2024 ist Andreas Berger CEO beim Rückversicherer, und als solcher wird er mit Lob geradezu überhäuft: «Der neue CEO hat somit in seinen ersten Monaten bereits vieles in die richtigen Bahnen gelenkt», schreibt etwa die Helvetische Bank. Die Einschätzungen zum Investorentag – Management Dialogue – vom vergangenen Freitag sind durchwegs positiv, die Gewinnschätzungen für 2025 werden durchs Band erhöht.

Klar, Swiss Re scheint endlich einen Teil ihrer alten Geister abzuschütteln. Die verlustbringende Plattform Iptiq wird verkauft, die Reserven für die Altlasten im US-Haftpflichtgeschäft in der Rückversicherungssparte Property & Casualty Re wurden – endlich – hoffentlich zur Genüge aufgestockt, Kosten sollen gespart werden, und die Ziele für 2025 sind, obwohl eher konservativ, deutlich ambitionierter als noch in jüngster Vergangenheit.

Das kommt an der Börse gut an, seit Jahresbeginn haben die Aktien deutlich an Wert gewonnen, inklusive Dividende beträgt die Rendite stolze 47%. Damit lässt die Nummer zwei am Markt auch Branchenprimus Munich Re hinter sich.

Berger, davor CEO der Direktversicherungssparte von Swiss Re, mag ein guter Manager sein. Tatsächlich hat Corporate Solutions unter seiner Führung die Trendwende geschafft, aus den roten Zahlen zu einer starken Performance und deutlich niedrigeren Kosten im Jahr 2023. Ein Teil dieses Erfolgs geht sicher auf ihn zurück.

Er bräuchte aber schon magische Fähigkeiten, um den Gesamtkonzern in der kurzen Zeit seit seinem Amtsantritt beziehungsweise seit der Ankündigung des Chefwechsels im April derart umzuformen. Anders formuliert: Christian Mumenthaler, bis im Sommer genau acht Jahre lang Konzernchef, ist am Schluss die tragische Figur, wenn auch eine gut bezahlte. Er hatte es in den Augen der Beobachter verpasst, den als behäbig geltenden Konzern auf Touren zu bringen, und die Kritik war wie so oft wohl nicht unberechtigt. Und doch musste er am Schluss just in dem Moment gehen, als der Stein ins Rollen kam.

Immerhin: Berger selbst scheint sich seiner Rolle bewusst. Im Interview mit der NZZ vom Wochenende gab er sich angenehm zurückhaltend und differenziert. Die Situation im Gesamtkonzern sei nicht vergleichbar mit jener bei Corporate Solutions. Der angestrebte «Kulturwandel hin zu stärkerer Ergebnisorientierung» brauche Zeit. Für die bisherige Kommunikation hat er tatsächlich Lob verdient.

2024 war an den Finanzmärkten längst nicht überall eitel Sonnenschein, auch wenn das die starke Performance etwa an der US-Börse vermuten liesse. Gerade am Schweizer Aktienmarkt lief es für viele Investoren sehr zäh. Das hat mit der aus meiner Sicht grössten Enttäuschung des Jahres zu tun: Nestlé hat nicht nur punkto Wachstum und Margenentwicklung enttäuscht, die Kommunikation der Managements, besonders noch unter dem im August geschassten Konzernchef Mark Schneider, liess über weite Strecken zu wünschen übrig.

Der Vertrauensverlust spiegelt sich in einem Minus von mehr als 25% an der Börse.

Zu den handfesten operativen Schwierigkeiten kam ein steter Strom negativer Presse. Bisher hielt ich die Artikel zu Verunreinigungen der Mineralwasserquellen von Perrier und Vittel sowie die Verwendung von Chemikalien zur Aufbereitung – wie sie auch in Henniez eingesetzt wurden – für laute Nebengeräusche, die sich kaum materiell auf das Ergebnis niederschlagen würden. Nun aber könnten die Folgen doch gravierender sein. Laut einem vertraulichen Bericht der französischen Zeitung «Le Monde» und von Radio France droht Nestlé Waters die Einstellung der Produktion von Perrier-Mineralwasser in Südfrankreich aufgrund von Gesundheitsrisiken.

Der Aktienkurs reagierte am Mittwoch prompt mit weiteren Abgaben.

Ausgerechnet Perrier, habe ich mir bei der Lektüre der französischen Nachrichten gedacht. Die Marke ist für den Konzern – neben dem Schokoladenriegel Kitkat – ein Paradebeispiel, wie die Trendwende bei Wachstum und Profitabilität dank Investitionen in die Weiterentwicklung und Vermarktung hauseigener Produkte gelingen kann. In den vergangenen Monaten ist Nestlé dank der Lancierung von Maison Perrier, Mineralwasser mit gesüssten und ungesüssten Aromen versetzt, ein Erfolg gelungen.

Fazit: 2025 kann nur besser werden, eigentlich. Ja, ich traue dem neuen CEO Laurent Freixe zu, dass er das Steuer herumreisst. Die Mitte November erläuterte Strategie zur Stärkung der Marken und Senkung der Kosten hat keine Jubelstürme ausgelöst und ist kein Selbstläufer, geht aber die wichtigsten Probleme an. Immerhin, bei einer von Analysten erwarteten Dividende von rund 3 Fr. je Aktie für 2024 liegt die Rendite mittlerweile bei über 4%. Angesichts der sehr niedrigen Zinsen in der Schweiz, macht das die Aktien zunehmend als Anleihenersatz attraktiv.

Nestlé war natürlich bei weitem nicht die einzige Enttäuschung am Schweizer Markt. Unter den grossen Unternehmen fällt mir vor allem noch Kühne + Nagel auf. Die Aktien des Logistikdienstleisters haben seit Jahresbeginn massiv enttäuscht, vor allem im Vergleich mit dem Konkurrenten DSV aus Dänemark – aber dazu lesen Sie morgen mehr.

Freundlich grüsst im Namen von Mrs Market

Gabriella Hunter

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