Der Preis der zweitgrössten Blockchain ist letzte Woche viel stärker gestiegen als jener von Bitcoin. Ist das der Anfang einer längeren Entwicklung?
Der Risikoappetit an den Finanzmärkten kehrt zurück, und kein anderer Vermögenswert profitiert stärker von diesem Umstand als die Kryptowährungen: Weil es starke Anzeichen auf eine Entspannung im Handelskrieg gibt, konnte Bitcoin letzte Woche wieder die 100 000-Dollar-Schwelle überschreiten.
Viel erstaunlicher jedoch ist das Comeback von Ether, wie die Kryptowährung der Ethereum-Plattform heisst. Sie stieg letzte Woche von 1800 auf rund 2400 Dollar, und das erwischte viele Investoren auf dem falschen Fuss: Wegen der starken Kursbewegung verloren jene, die gegen Ether gewettet hatten, 400 Millionen Dollar. Die lange Durststrecke für Ether-Investoren könnte nun zu Ende sein.
Einer der Gründe dafür ist, dass es der Ethereum-Entwicklergemeinschaft letzte Woche gelungen ist, einen der grössten Software-Updates in der Geschichte dieser Blockchain durchzuführen. Das ist kein einfaches Unterfangen, denn dieses dezentralisierte Protokoll hat keinen Firmenchef, der eine solche Generalstabsübung befehlen und lenken könnte.
Das vielleicht schwierigste Software-Update der Welt
Eine Vielzahl von Software-Entwicklern, die überall auf der Welt sitzen, müssen sich zuerst darauf einigen, welche Reformen sie überhaupt anpacken wollen, bevor sie das konkrete Vorgehen miteinander abstimmen können.
Mit dem jüngsten Update – das unter anderem ein besseres Nutzererlebnis und mehr Leistung bringt – hat Ethereum unter Beweis gestellt, dass sie zukunftsfähig ist. Daran gab es jüngst immer mehr Zweifel, weil andere Blockchains wie Solana oder Sui schneller und leistungsfähiger sind.
Das Ausmass des Pessimismus gegenüber Ethereum war dabei erstaunlich. Es passte schlecht zur Tatsache, dass Banken und Vermögensverwalter, die derzeit in einem nie da gewesenen Tempo Währungen, Aktien und Anleihen digitalisieren, dafür am liebsten die Ethereum-Plattform wählen. Oder zumindest eine mit Ethereum verbundene Blockchain.
Banken setzen auf Ethereum
Vertreter des herkömmlichen Finanzsystems, die sich erst seit kurzem mit Blockchains auseinandersetzen, sind verständlicherweise besonders vorsichtig. Sie setzen in aller Regel nicht auf die neuste, schnellste oder kostengünstigste Plattform, sondern auf die sicherste: Und diese heisst zweifellos Ethereum, die zudem von einem starken Netzwerkeffekt profitiert. Das ist der Umstand, dass eine Plattform umso wertvoller ist, desto mehr Nutzer sie hat. So wie alle Whatsapp verwenden, weil fast die ganze Welt über diesen Messenger-Dienst erreichbar ist.
Die grosse Frage ist nun: Kann Ether die Leitwährung Bitcoin auch in den kommenden Wochen hinter sich lassen? Dafür spricht ein Muster, das sich in allen vergangenen Marktzyklen gezeigt hat: Anfangs steigt vor allem der Preis von Bitcoin. Und zwar so stark, bis seine Preisdominanz fast erdrückend wird. Dann jedoch wird Bitcoin plötzlich von Ether überholt und danach auch von allen anderen Coins.
Dieser Zyklus bedingt allerdings einen genügend grossen Risikoappetit der Investoren. Dieser wird vor allem durch die globale Liquidität genährt, also wenn die Zentralbanken Geld in die Märkte pumpen: Das hat zum Beispiel die chinesische Notenbank gerade getan. Auch anderswo sinken die Leitzinsen deutlich – ausser in den USA. Dort schwächt sich das Wirtschaftswachstum zwar ebenfalls ab. Die hektische Zollpolitik von Donald Trump könnte aber gleichzeitig die Teuerung anheizen. Die US-Notenbank Fed will deshalb mit Zinssenkungen zuwarten, bis sie den Effekt der Zölle auf die Inflation besser abschätzen kann.
Gibt es den klassischen Preiszyklus noch?
Neben diesem wichtigen Unsicherheitsfaktor, der die Preisentwicklung der Kryptowährungen ausbremst, gibt es auch die Theorie, dass es den typischen Zyklus, der mit Bitcoin beginnt und mit Ethereum und allen anderen Coins endet, so gar nicht mehr gibt.
Dies, weil Bitcoin in den letzten zwei Jahren viele neue Investoren gewinnen konnte. Diese vertrauen zwar dessen Nimbus als digitales Gold. Aber sie interessieren sich vielleicht nicht für alle anderen Blockchains. So würden sie ihr Geld kaum von Bitcoin in Coins wie Ether umschichten, so wie in früheren Zyklen. So lautet zumindest eine Theorie, die jüngst viele Anhänger gewonnen hat.