In ihrem Debütroman «Ein schönes Ausländerkind» schreibt «Toxische Pommes» über Nichtintegration. Die Geschichte ist nah bei ihrer eigenen.

Sie ist weiss, spricht einwandfrei Deutsch und isst kein Schweinefleisch. Sie hat einen Doktortitel, ist nie krank und hat Schlafprobleme, seit sie 15 Jahre alt ist. «Ich hatte den Ausländer in mir erfolgreich wegintegriert», sagt sie. Sie habe alles erreicht, wofür ihre Eltern und sie stetig gearbeitet hätten. Trotzdem fühle sie sich innerlich tot. Woher dieses Gefühl kommt, zeigt «Toxische Pommes» in ihrem Debütroman «Ein schönes Ausländerkind».

«Toxische Pommes», so der Künstlerinnenname, ist von Haus aus Juristin und wurde in Österreich während der Corona-Pandemie mit satirischen Kurzvideos in den sozialen Netzwerken bekannt.

Ihre Videos haben Titel wie «Du redest mit deinem Balkanvater über Gefühle», «Wiener Kulturszene» und «Wenn Krankenhäuser Asylpolitik machen würden» und beschäftigen sich mit «den hässlichen Seiten des Lebens».

Mit ihrem Kabarettprogramm «Ketchup, Mayo & Ajvar – Die sieben Todsünden des Ausländers» tritt sie in Österreich und Deutschland auf. Lakonisch parodiert sie Österreich, spielt mit Stereotypen und macht so auf Sexismus, Rassismus und Klassismus aufmerksam. Im Roman transportiert «Toxische Pommes» die Gesellschaftskritik nicht durch Humor, sondern durch autobiografische Elemente.

Darum geht es in «Ein schönes Ausländerkind»

Kurz vor dem Jugoslawienkrieg beschliessen die Eltern der zweijährigen Protagonistin, aus Rijeka, Kroatien, nach Österreich zu flüchten. Die nächsten Jahre leben sie in der grauen Vorstadtidylle Wiener Neustadt, einem Industrieviertel in Niederösterreich.

Ihre Mutter arbeitet als Haushälterin und Kindermädchen für Renate Hell und ihre Familie. Im Gegenzug sollen die namenlose Protagonistin und ihre Eltern im Nachbarhaus, das nur durch eine Verbindungstür vom Haupthaus getrennt ist, wohnen und dankbar sein.

Je älter die Protagonistin wird, desto wütender wird sie. Wütend auf Renate Hell, die ihre Familie ausnutzt. Wütend auf die Mutter, die viel arbeitet. Wütend auf den Vater, der keine Arbeit findet und für den sie immer öfter sprechen muss. Trotzdem setzt das Mädchen alles daran, eine perfekte Migrantin zu werden. Sie schreibt die besten Noten, studiert und spricht ihre Erstsprache nur noch, wenn sie mit der Familie allein ist.

Umso spezieller sind für sie die Sommerferien auf dem Balkan: Die Reise ist lang, sie hören jeweils die gleichen Ex-Yu-Pop-Songs, und bei den Grenzkontrollen wird ein Teil der mitgebrachten Waren vorneweg als Weggeld einkalkuliert.

«Unten» ist dort, wo der Vater wieder eine Persönlichkeit hat. Vor seinen Cousins und Brüdern wird jedoch geheim gehalten, dass er keine Arbeit findet. Schliesslich soll der erste Akademiker in der Familie nicht als Versager gelten.

Als würde einem jemand aus seinem Leben erzählen

Die Dialoge innerhalb der Familie sind auf Bosnisch, Kroatisch, Montenegrinisch oder Serbisch geschrieben und in Klammern übersetzt. Das wirkt sehr intim und echt. Zugleich kann man ein paar Vokabeln lernen. In den Fusszeilen wird auch die wörtliche Übersetzung angegeben, damit Witze und Eigenheiten verstanden werden können.

«Ein schönes Ausländerkind» zeigt durch eine trockene, alltägliche Sprache, wie es vielen Migranten aus Ex-Jugoslawien in Österreich ergeht. Es fühlt sich so an, als würde jemand einem unmittelbar aus seinem Leben erzählen.

Ungerechtigkeit wird in Situationen konkret, etwa wenn eine Lehrperson einen Schüler für seine Erstsprache Spanisch lobt, das Mädchen mit Balkanhintergrund aber einfach ignoriert. Die Geschichte zeigt den Konflikt von Kindern, die in einem anderen Land als ihre Eltern aufwachsen, und von Eltern, die alles für das Wohl ihrer Kinder aufgeben, dabei aber einen Teil ihrer Persönlichkeit verlieren.

Toxische Pommes : Ein schönes Ausländerkind. Zsolnay 2024. 208 S., um Fr. 30.–, E-Book 26.–

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