Die Luft zum Schneiden dick, der Verkehr eine Katastrophe und die Strassen in erbärmlichem Zustand – doch kaum eine Hauptstadt hat so eine saubere Flotte wie Ulaanbaatar. Denn ausgerechnet der Toyota Prius ist hier der Primus.
Auf sechs Spuren Stop-and-go bis zum Horizont und jedes zweite Auto ein Prius: Das ist nicht die Rushhour von Tokio oder Kyoto, sondern das ist Normalität in Ulaanbaatar. Denn auch wenn die Mongolei das am dünnsten besiedelte Land der Erde ist, erstickt die Hauptstadt im Dauerstau.
Und den verursachen keine Ladas und Wolgas, wie man es nach Jahrzehnten der sowjetischen Einflussnahme vermuten konnte, oder chinesische Billigimporte, wie es das niedrige Durchschnittseinkommen nahelegen würde. Sondern ausgerechnet Toyota hat in der Mongolei ein Quasimonopol, und kein Modell ist auf der Strasse so präsent wie der Prius.
Der Hybrid-Weltmeister begegnet einem hier ständig und überall, und das in sämtlichen Generationen und Modellvarianten – vom kompakten Steilheck bis zum voluminöseren Prius Plus. Selbst daheim in Japan fällt er einem viel seltener ins Auge. Und im Hollywood der 1990er Jahre wurde von Toyota zwar jeder Star, soweit möglich, mit einem Prius-Modell ausgerüstet. Anders als in Ulaanbaatar ist der Wagen dort heute aber wieder ein Exot.
Die meisten fahren alte Gebrauchte
Anders als auf der Ginza in Tokio oder dem Sunset Boulevard in Los Angeles sind die Hybride in der Mongolei allerdings in einem jämmerlichen Zustand. Denn kaum einer kauft seinen Teilzeitstromer hier bei einem der drei offiziellen Händler, die für den Neuwagen rund 35 000 Euro verlangen.
Wer sich in der Mongolei überhaupt ein Auto leisten kann, der ist froh über eine sehr betagte Occasion aus Japan, die hier für Preise zwischen 2000 und 6000 Euro zu ihrem vierten, fünften Besitzer kommt – selbst wenn sich das Lenkrad dann eben auf der falschen Seite befindet, weil man in Ulaanbaatar rechts fährt und in Tokio links. Kein Wunder, dass selbst der Prius I, dessen Produktion vor über zwanzig Jahren eingestellt wurde, hier noch immer fest zum Strassenbild gehört.
Wobei das mit dem «Strassenbild» so eine Sache ist. Denn erstens endet der Asphalt mit Ausnahme von grossen Hauptstrassen zum Teil noch innerhalb der Grenzen der Hauptstadt. Und zweitens ist der Prius in der Mongolei nicht nur ein Stadtauto, sondern auch Geländewagen und landwirtschaftliches Nutzfahrzeug.
Egal ob im Süden auf den Schotterpisten der Wüste Gobi oder im Norden auf den Eiswegen am Chöwsgöl-Meer – immer und überall fahren die Hybrid-Toyotas durchs Sichtfeld und sind dabei oft wild modifiziert. Nicht nur dass viele Mongolen ihren Prius tunen wie weiland die Europäer ihren VW Golf oder Opel Manta, ihm Spoiler aufs Heck kleben und riesige Auspuffendrohre an den schwachbrüstigen Antrieb flanschen. Sie bocken ihn auch auf und stellen ihn auf Geländereifen, damit er die von Spurrillen übersäten Strassen überlebt.
Bei der Reparatur wird oft improvisiert
Die mongolischen Prius-Fahrer muten ihren Fahrzeugen Strassen und Lasten zu, die man in Europa selbst erstklassigen Geländewagen nicht zutrauen würde. Und tatsächlich sieht man unterwegs selbst auf den übelsten Pisten nur wenige Pannen. «Wir haben über die Jahre ein gewisses Improvisationstalent entwickelt und bekommen alles wieder flott», sagt Eric, der als Marketing-Manager bei einem grossen Toyota-Importeur arbeitet, mit einem Augenzwinkern. «Ob wir Originalteile bekommen oder nicht, macht dabei für uns fast keinen Unterschied.»
Der Hype um den Hybrid liegt allerdings nur indirekt am Umweltbewusstsein der Mongolen, das sonst eher unterentwickelt zu sein scheint. Schliesslich sind die wenigen asphaltierten Strassen im Land gesäumt von meterbreiten Spuren mit Abfall. Die örtlichen Kraftwerke blasen dicken, schwarzen Russ in den Himmel, in der Hauptstadt ist die Luft schlecht, und ernsthafte Schadstoffnormen für die knapp 800 000 Pkw der etwa 3,3 Millionen Mongolen gibt es nicht.
Doch immerhin hat die Regierung Hybride genau wie Autos mit Flüssiggas-Umrüstung und reine Elektrofahrzeuge teilweise von der Steuer befreit. Ein Prius ist deshalb rund 3500 Euro günstiger als ein zehn Jahre alter Gebrauchtwagen mit einem konventionellen Verbrennungsmotor gleichen Hubraums. Und bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von weniger als 5000 Euro ist das ein Kaufargument.
Zwar mag die Hybrid-Quote in der Hauptstadt grösser sein als anderswo in der Welt, aber die Luft ist trotzdem noch zum Schneiden dick. Deshalb hat die Regierung jetzt auch die Elektromobilität für sich entdeckt und ein entsprechendes Förderprogramm aufgelegt: Bis Ende 2026 sollen hier 20 000 Elektroautos fahren und an immerhin tausend öffentlichen Säulen laden können. Auf den ersten Blick mag das bescheiden sein, doch angesichts von derzeit noch nicht einmal tausend zugelassenen Stromern ist das eine Herkulesaufgabe.