Neulich sah ich eine Gruppe Jugendlicher vor einer Bar. Alle trugen das Gleiche. Hat modischer Konformismus zugenommen? – Nadine P., Zürich
Liebe Nadine, die Klage über das Aussehen Jugendlicher ist wohl so alt wie der aufrechte Gang. Allerdings ist es paradox, dass wir behaupten, ein immer individualistischeres Individuum zu werden, und uns gleichzeitig immer weniger trauen, optisch herauszustechen. Wie kann das sein? Sicher steht Konformität für Zusammengehörigkeit: Es ist leichter, in Gruppen dazuzugehören, wenn man sich ähnelt. Und diese Kleidung ist praktisch, bequem, unisex. Pragmatismus ist hoch im Kurs, das ist der Demokratie geschuldet. Jeder übt Tätigkeiten aus, für die man früher, sofern in der Position, Angestellte hatte: Köchin, Sekretär, Kindermädchen, Velomechaniker und, wenn alles gut lief, eine Zofe.
Heute machen alle alles, das geht am besten in gut waschbarer, wenig ornamentaler Kleidung, mit der man ins Büro wie zum Aldi kann. Es gibt löbliche Ausnahmen: Wer es schafft, sich mehrmals am Tag umzuziehen, bekommt von mir die goldene «Hat das Stil?»-Resistance-Ehrennadel. Den Rest lassen wir einfach einmal in Ruhe durch den Tag schwimmen, Hauptsache, sie setzen sich nicht mit der schmutzigen Jeans aufs Bett.
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