Mittwoch, Dezember 4

Noch vor einem Monat galt RB Leipzig als Bayern-Herausforderer. Doch nun ist der Klub innert weniger Wochen vom Titelkandidaten zum Problemfall geworden.

Ein Lob ist im Fussball mit Vorsicht zu geniessen. Oft hat es eine geringe Halbwertszeit. Es kann schnell überholt sein. Das geschieht meistens dann, wenn der Erfolg ausbleibt.

Diese Erfahrung muss Marco Rose, der Trainer von RB Leipzig, gegenwärtig machen, denn für ihn geht es um seine Zukunft in Leipzig: Es ist nicht ausgeschlossen, dass Rose seinen Job verlieren könnte, sollte sein Team gegen Eintracht Frankfurt im DFB-Cup verlieren. Eine Serie siegloser Spiele gipfelte zuletzt in einer 1:5-Heimniederlage gegen Wolfsburg.

Wer die vergangenen Wochen den Blick nur selten nach Leipzig gerichtet hatte, dürfte sich zuletzt die Augen gerieben haben: Ist das derselbe Marco Rose, der noch im Oktober gefeiert wurde – als die ideale Lösung für diesen Klub, als jemand, dessen Fussball durch und durch der Doktrin des RB-Konzerns entspricht? Schliesslich machte Rose einst als Trainer von RB Salzburg auf sich aufmerksam, in der Europa League und in der Champions League lehrte er europäische Spitzenklubs das Fürchten.

Rose folgt dem Vorbild Rangnick

Rose, so glaubten manche Manager, sei der Trainer der Zukunft, einer, der den Fussball als Spieler in Mainz bei Jürgen Klopp erlebt hat, aber zugleich ein Vertreter der sogenannten Rangnick-Schule ist: Ralf Rangnick, österreichischer Nationaltrainer und trainingsmethodisch Architekt des Leipziger Fussball-Biotops, hatte seinen aufwendigen Konterfussball einst für sämtliche Mannschaften im Red-Bull-Konzern empfohlen.

Rose scheint in Leipzig indes in einen veritablen Machtkampf geraten zu sein. Der Sportdirektor Rouven Schröder wurde nach Salzburg versetzt. Schröder wird ein gutes Verhältnis zu Rose nachgesagt. Der verliert so einen Unterstützer. An Einfluss hatte Schröder allerdings schon zuvor eingebüsst, denn für die strategischen Geschicke zeichnet seit dieser Saison Marcel Schäfer verantwortlich, der zuvor beim VfL Wolfsburg wirkte. Schäfer, ein ehemaliger Profi, dürfte erfahren genug sein, um die Qualität der Arbeit seines Trainers einzuschätzen.

Gleichwohl fragen sich aufmerksame Beobachter der Leipziger Fussballszene, welche Rolle Oliver Mintzlaff spielt, der ehemalige Leipziger Geschäftsführer, der mittlerweile in die Konzernleitung aufgestiegen ist. Mintzlaff hat sich gegenüber dem «Kicker» äusserst kritisch positioniert: «Wir waren leider noch nie da, wenn die Lücke aufging.» Immer wieder habe es Chancen gegeben, «mehr zu erreichen, und das haben wir halt nicht geschafft».

Mintzlaffs Aussage datiert von Ende September. Zu diesem Zeitpunkt war Leipzig Zweiter, punktgleich mit dem fulminant gestarteten FC Bayern. Damals erregten diese Sätze nicht allzu grosses Aufsehen, man konnte sie mit etwas Wohlwollen sogar als Ermunterung begreifen. Inzwischen allerdings ist eine andere Lesart durchaus zulässig, zumal die «FAZ» davon berichtete, dass Mintzlaff an den «Kicker» herangetreten sei und nicht umgekehrt: «Nach allem, was zu hören ist, war er es, der sich bei der Redaktion meldete und um ein Gespräch bat.»

Es liest sich wie eine Intrige, als ginge es darum, den Trainer zu zermürben. Bloss muss auch gefragt werden, welches Interesse ein Mann wie Mintzlaff daran haben sollte, einen Trainer auf recht durchsichtige Weise zu demontieren, der seinerzeit im Begriff war, den Bayern gehörig Konkurrenz zu machen. Seine Aussage könnte auch bloss Enttäuschung spiegeln. Fast wirken diese Sätze wie ein Menetekel: Der Befund, dass der Klub in dem Augenblick, in dem es darauf ankommt, keinen Punch habe, erweist sich als sich selbst erfüllende Prophezeiung.

Und so kam es ja auch. Aus der Champions League ist Leipzig so gut wie ausgeschieden, der FC Bayern ist mittlerweile um neun Punkte enteilt. Roses Klagen, dass die Belastung hoch sei, finden wenig Anklang, was auch daran liegen dürfte, dass die Konkurrenten die gleichen Bedingungen haben. Das Bild, das die Leipziger abgeben, ist auf ganzer Linie fatal: Innerhalb weniger Wochen haben sie es geschafft, von einem Titelkandidaten zum Problemfall zu werden.

Seit dem Mintzlaff-Interview geht bei Rose nichts mehr

Und dann gibt es noch eine andere Personalie: die Verpflichtung von Jürgen Klopp, jener Kultfigur, die der Red-Bull-Konzern unter dem sperrigen Titel «Head of Global Soccer» engagiert hat. Die Personalie wurde ebenfalls im Oktober bekanntgegeben, sie fällt in die gleiche Zeit wie das Interview, das Mintzlaff im «Kicker» gab, und es ist auffällig, dass seitdem bei Rose so gut wie gar nichts mehr geht.

Bloss empfiehlt es sich, angesichts solch geradezu metaphysischer Grundannahmen auch noch einmal einen Blick auf die Karriere von Marco Rose zu werfen: Nachdem sein Wechsel von Mönchengladbach zu Dortmund bekanntgeworden war, lief in Gladbach nichts mehr. Dann, in Dortmund, scheiterte Rose nach einem Jahr. Ist es daher nicht genauso gut möglich, dass der Trainer Rose allmählich an seine Grenzen stösst?

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