Donnerstag, Mai 15

Nach einer langen Flugreise brausen die Triebwerksgeräusche oft noch eine Weile in den Ohren nach. Allzu viele Sorgen muss man sich deshalb jedoch nicht machen – Hörschäden drohen im Flugzeug eher von anderen Lärmquellen.

Ob in der Skymetro von Zürich, wo die hübschen Projektionen des «tunnel cinema» die Fahrt vom Terminal zum Hauptgebäude verkürzen, oder im Fernbahnhof des Flughafens Frankfurt beim Warten auf den gebuchten, aber verspäteten ICE: Seit vielen Jahren ist ein sanftes Ohrensausen nach der Landung ein häufiger Reisebegleiter – Nachwirkungen der Geräuschkulisse in der Kabine während der letzten neun Flugstunden von meinem Wohnsitz in Washington in die alte Heimat – oder zurück.

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«Hauptsache, gesund»

In dieser Kolumne werfen Autorinnen und Autoren einen persönlichen Blick auf Themen aus Medizin und Gesundheit.

Die Ohren gehören zu den Körperteilen, um die sich viele Flugpassagiere die meisten Sorgen machen, wohl noch vor den thrombosegefährdeten Beinen und den Sinneszellen der Nase (vor allem bei jenen, deren Sitzreihe in Nachbarschaft zu den Toiletten liegt).

Das liegt zum einen am manchmal schmerzhaften Druckausgleich bei Start und Landung, vor allem aber an der Lärmexposition unterwegs. Diese stammt vom konstanten Dröhnen der Triebwerke und von der Klimaanlage, versüsst vielfach durch die Dezibelspitzen von nahebei platzierten Babys, deren Energieleistung beim Schreien oft Respekt abnötigt.

Lärm schädigt die rund 150 000 Haarzellen in unserem Innenohr, jene winzigen Sinneszellen also, die den mechanischen Reiz des eintreffenden Schalls in elektrische Aktivität von Nervenzellen umwandeln und an das Gehirn weiterleiten. Elektronenmikroskopische Aufnahmen zeigen sie in lärmgeschädigten Ohren regelrecht umgeknickt, wie Bäume nach einem Orkan.

Die amerikanische Bundesbehörde für Arbeitssicherheit sieht 85 dB als Obergrenze für einen acht Stunden währenden Flug – das entspricht etwa einem Benzinrasenmäher in Aktion. Für längere Flüge sollte der Wert allerdings das Äquivalent eines elektrischen Handmähers, also 80 dB, nicht überschreiten.

Über den Wolken sollte der Lärm nicht grenzenlos sein

Eine Studie zu Geräuschpegeln in den Kabinen von modernen Grossraumjets ermittelte 2018 bei 200 Flügen einen Durchschnittswert von 83,5 dB – gerade noch unter dem Grenzwert. Aber offenbar nicht so tief darunter, dass mir das glücklicherweise einige Stunden nach Ankunft verschwindende Ohrgeräusch erspart bliebe.

Immerhin hat technischer Fortschritt diesen Aspekt des Fliegens etwas gesünder gemacht: lärmunterdrückende Kopfhörer sind für mich eine der segensreichsten Erfindungen für den Alltag (zusammen mit der Rückfahrkamera im Auto).

Allerdings übertreiben es manche Reisende damit und neutralisieren zwar den Kabinenlärm, bombardieren aber ihr Innenohr beim Unterhaltungsprogramm mit zu vielen Dezibel – auch Metallica oder «Gladiator II» können die Haarzellen schädigen, wenn man den Regler bis zum Anschlag aufdreht und sich Lautstärkespitzen von 100 und mehr Dezibel aussetzt.

Das Dröhnen der Flugzeugmotoren empfinden viele Menschen offenbar sogar als angenehm. Wer White Noise, also monotone Hintergrundgeräusche, zum Lesen, Lernen und laut Beschreibung sogar zum Schlafen liebt, findet auf Youtube zahlreiche Angebote mit Millionen von Abonnenten, die sich auf Flugzeuggeräusche spezialisiert haben: «Cabin White Noise» über neun Stunden – einmal Washington–Zürich. Und warum nicht? Aber bitte mit weniger als 20 dB – und damit weit weniger als in der realen Welt.

Bereits erschienene Texte unserer Kolumne «Hauptsache, gesund» finden Sie hier.

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