Sonntag, Oktober 6

Die Regierung hält wenig von einem Vorschlag der Oppositionspartei Freie Liste. Doch sie ist bereit, ihr Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften neu zu ordnen.

Die Gründung des Erzbistums Liechtenstein 1997 nahmen nicht alle Katholiken im Land mit Freude auf. Die Entscheidung des Heiligen Stuhls, den umstrittenen Churer Bischof Wolfgang Haas als neuen Erzbischof im Fürstentum Liechtenstein einzusetzen, stiess auf unerwartet vehemente Kritik. Haas-kritische Landsleute riefen prompt nach Trennung von Staat und Kirche.

Ein Vierteljahrhundert später ist das Thema in Liechtenstein immer noch aktuell. Die kirchlichen und staatlichen Strukturen, insbesondere auf der Ebene der Gemeinden, haben sich über Jahrhunderte so eng verflochten, dass bisher noch keine Lösung gefunden werden konnte. Auch Vorschläge wie eine sanfte Entflechtung führten bisher nicht zu einer Neuregelung der Beziehungen von Staat und Kirche.

Die Opposition macht mobil

Doch nun ist wieder Bewegung in die Diskussion gekommen. Die Liechtensteiner Regierung legte nämlich kürzlich ein Modell vor, das sowohl für die katholische Kirche als auch für andere Religionsgemeinschaften ein gangbarer Weg sein könnte. Nicht mehr die Entflechtung von Kirche und Staat ist nun das Ziel, sondern eine Neuordnung der Beziehungen zu allen anerkannten Religionsgemeinschaften. Besonders einschneidend wären die Reformen allerdings nicht. Die bisherige verfassungsrechtliche Stellung der katholischen Kirche, die in der Verfassung ausdrücklich als «Landeskirche» erwähnt wird, soll unverändert bleiben. Die Weiterführung der herausgehobenen Stellung der katholischen Kirche wird mit ihrer historischen und gesellschaftlichen Bedeutung begründet. Nach dem Regierungsvorschlag soll deshalb auch künftig in der Verfassung stehen: «Die römisch-katholische Kirche ist die Landeskirche und geniesst als solche den vollen Schutz des Staates.»

Diese Formulierung stört die Oppositionspartei Freie Liste. In einer parlamentarischen Initiative fordert sie nun die komplette Trennung von Kirche und Staat. Ohne diesen Schritt sei keine effektive Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften zu erreichen. Mit einer privilegierten Landeskirche werde keine Religionsfreiheit geschaffen und ebenso wenig die beabsichtigte Gleichstellung aller Religionsgemeinschaften erreicht. Das Festhalten am Verfassungsrang der römisch-katholischen Kirche sei eines modernen Religionsrechts unwürdig, findet die Freie Liste und postuliert: «Unsere Verfassung und unsere Gesetze sollen Werte wie Menschenrechte, Toleranz und Gleichberechtigung widerspiegeln – das kann und soll unabhängig von Glauben geschehen.» Die Regierungsvorlage verunmögliche überdies die «negative Religionsfreiheit», also die Möglichkeit für jede Person, sich frei von einer Glaubensgemeinschaft zu fühlen.

Die Regierung, die mittlerweile eine Überprüfung der parlamentarischen Initiative vorgenommen hat, empfiehlt dem Parlament indessen, den Vorstoss abzulehnen. Aus der Perspektive der Regierung sei nicht ersichtlich, dass ein überwiegendes öffentliches Interesse daran bestehe, möglichst rasch eine konsequente Trennung von Kirche und Staat herbeizuführen. Tatsächlich sind die meisten Stimmen, die sich bei der Gründung des Erzbistums Liechtenstein für eine Trennung der kirchlichen und staatlichen Befugnisse ausgesprochen haben, in der Zwischenzeit verstummt. Auch deutet die Regierung an, mit der Streichung der besonderen Stellung der katholischen Kirche in der Verfassung könnte es Probleme geben mit einem anderen Verfassungsartikel, der die sogenannte «Kirchengutsgarantie» festlegt: den Schutz des Eigentums der Religionsgemeinschaften an ihren Vermögenseinheiten, die sich oft in Stiftungen befinden.

Als problematisch erachtet der Regierungsbericht zur Initiative auch Aspekte einer Mandatssteuer zur Finanzierung der anerkannten Religionsgemeinschaften. Die Freie Liste meint nämlich, Steuergelder sollten nur ausgerichtet werden, wenn die vermögensrechtlichen Fragen auch auf Ebene der Gemeinden geklärt seien. Ausgerechnet an dieser Vermögensentflechtung aber sind bisher die Bemühungen gescheitert, eine Einigung zwischen Staat und Erzbistum zu erreichen. Die Einführung dieser Forderung, so die Regierung, könnte für die katholische Kirche zu einer problematischen Finanzsituation führen, weil die parlamentarische Initiative für die Einigung einen knappen Zeitraum bis zum 1. Januar 2025 vorsieht.

Diskussionen in einer Zeit des Vakuums

Die parlamentarische Initiative der Freien Liste steht nach der Sommerpause auf der Tagesordnung des Parlaments. Nachdem die Regierung aufgrund der inhaltlichen Prüfung des Vorstosses eine Ablehnung empfohlen hat, wird mit Spannung erwartet, wie die einzelnen Abgeordneten darauf reagieren. Die Freie Liste hatte schon 2014 einen ähnlichen Vorstoss eingereicht, der die Gleichbehandlung aller anerkannten Religionsgemeinschaften forderte. Mit ihrer Forderung, die Neutralität des Staates gegenüber allen Religionsgemeinschaften in der Verfassung zu verankern, drang die grüne Oppositionspartei damals aber nicht durch. Lediglich 3 der 25 Abgeordneten waren zur geplanten Verfassungsänderung bereit.

Die von der Regierung lancierte «Neuordnung der Beziehungen» und die von der Freien Liste eingebrachte parlamentarische Initiative zur Trennung von Kirche und Staat treffen das Erzbistum Liechtenstein in einem Zeitpunkt des Vakuums. Nach dem altersbedingten Rücktritt von Erzbischof Wolfgang Haas im vergangenen Jahr ernannte der Heilige Stuhl noch keinen Nachfolger, sondern setzte den Vorarlberger Bischof Benno Elbs als Apostolischen Administrator ein. In der Öffentlichkeit wird deshalb diskutiert, ob es nicht besser wäre, mit den politischen Weichenstellungen abzuwarten, bis der Vatikan einen neuen Erzbischof eingesetzt hat.

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