Die Mitte-Kandidatin Franziska Biner erreicht als Einzige bereits im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit. Die Wahlbeteiligung ist historisch tief.
Seit Menschengedenken regieren Männer das Wallis: In der mehr als 200-jährigen Geschichte des Kantons schaffte es bisher nur eine Frau in den Staatsrat, Esther Waeber-Kalbermatten von der SP im Jahr 2009. Seit Sonntag hat die Pionierin eine Nachfolgerin: Franziska Biner, die Präsidentin der Mitte Oberwallis. Die 38-Jährige hat eine so überraschende wie steile Politkarriere hingelegt.
Biners Wahl war praktisch gesichert, unter anderem weil nur sechs Personen für fünf Posten kandidierten und der grüne Kandidat als chancenlos galt. Aber Biners Ergebnis kann sich sehenlassen: Sie ist als Einzige bereits im ersten Wahlgang gewählt. Biner erhält 51 149 Stimmen und liegt damit gut 700 Stimmen über der absoluten Mehrheit.
Biner musste auf Neo-Partei hoffen
Am Sitz der Mitte Unterwallis zeigte man sich erleichtert und erfreut. «Wir wurden nicht abgestraft», sagte der Generalsekretär Vincent Baud. Das Risiko bestand durchaus: Biner war erst im November nominiert worden als Ersatz für Roberto Schmidt, der überraschend nicht mehr antrat. Schmidt ist von der christlichsozialen Oberwalliser Neo-Partei, die der nationalen Mitte-Partei genauso angehört wie die von Biner präsidierte, konservativere Mitte-Sektion Oberwallis. Die beiden Formationen verbindet eine Hassliebe.
Der Generalsekretär Baud erklärte das gute Ergebnis für Biner auch mit dem Zuspruch von SVP-Wählern und von solchen, die eine Frau in die Männerregierung heben wollten. Der Verein Solidarité Femmes hatte explizit zur Wahl Biners aufgerufen, das Feministische Streikkollektiv hatte allgemeiner die Wahl von Frauen in die Regierung und in das Parlament (Grossrat) gefordert.
Biner kann bis jetzt als einzige Exekutiverfahrung zwei Monate als Vizepräsidentin des Gemeinderates von Zermatt vorweisen. Die Wahl dazu hatte sie erst im Oktober gegen einen Kandidaten der Schwesterpartei Neo gewonnen. Seit 2021 sitzt Biner zudem im Grossrat und fiel dabei kaum auf.
Darbellay ergattert sich knapp Platz zwei
Ebenfalls aufatmen kann der zweite Kandidat auf dem Mitte-Ticket, der starke Mann der abtretenden Regierung, Christophe Darbellay. Er hatte im Januar öffentlich mit einer Kandidatur für den Bundesrat geliebäugelt. Darbellay erzielte am Sonntag das zweitbeste Ergebnis der sechs Kandidaten für den Regierungsrat, wenn auch nur knapp: Er liegt acht Stimmen vor dem drittplatzierten SP-Regierungsrat Mathias Reynard.
Vierter wurde der ebenfalls Bisherige von der SVP, Franz Ruppen. Er hatte in der abgelaufenen Legislaturperiode über das Wallis hinaus Aufmerksamkeit erregt, weil er das grösste Hochwasserschutzprojekt der Schweiz, die sogenannte dritte Rhonekorrektion, infrage stellte. Kurz darauf erlebte das Wallis im Juni 2024 ein erneutes «Jahrhunderthochwasser» mit einem Toten und Schäden in Höhe von mindestens 125 Millionen Franken.
Nur Fünfter wurde der FDP-Kandidat Stéphane Ganzer. Der Gitarrist trat einst mit seiner Reggae-Band am Paléo-Festival auf, mittlerweile ist er Lehrer und Gemeindepräsident von Noble-Contrée bei Siders. Er ist Vertreter des radikalen Parteiflügels und erhielt etwa vom freisinnigen Nationalrat Philippe Nantermod erst spät öffentliche Unterstützung. Ganzer will nach dem zweiten Wahlgang am 23. März auf den bisherigen FDP-Regierungsrat Frédéric Favre folgen, der nicht erneut kandidierte und stattdessen im Mai CEO des Vereins Olympische und Paralympische Winterspiele Switzerland 2038 wird.
Wahlbeteiligung lag einst bei fast 70 Prozent
Historisch war am Sonntag neben der Wahl der zweiten Frau in der Geschichte des Wallis auch die niedrige Wahlbeteiligung. Sie betrug nur knapp 45,6 Prozent. Solche Werte sind andernorts in der Romandie üblich, aber nicht im hoch politisierten Wallis. 2013 zum Beispiel hatte sie noch bei gut 68 Prozent gelegen.
Erstaunlich ist die geringe Wahlbeteiligung jedoch nicht: Die Wahl hatten de facto bereits die Parteien unter sich ausgemacht, indem sie sich mit ihrer bisherigen Sitzanzahl begnügten, keine Listenverbindungen eingingen wie 2021 noch die SP und die Grünen – oder erst gar keine Kandidaten für die Regierung aufstellten wie etwa die Grünliberalen.
Die Resultate für die Wahl zum Grossrat lagen am Sonntagnachmittag noch nicht vor.