Donnerstag, November 7

Nach den US-Präsidentschaftswahlen übt sich die deutsche Politik in vorsichtiger Diplomatie. Die Wirtschaft dagegen warnt vor massiven Folgen: Ein drohender Handelskrieg könnte Deutschland bis zu 180 Milliarden Euro kosten.

Donald Trump kehrt ins Weisse Haus zurück. Nach einem überraschend deutlichen Wahlsieg über die demokratische Kandidatin Kamala Harris reagiert die deutsche Politik mit zurückhaltender Höflichkeit.

Bundeskanzler Olaf Scholz gratulierte Trump mit nüchternen Worten. Deutschland und die USA arbeiteten «seit langem erfolgreich zusammen, um Wohlstand und Freiheit auf beiden Seiten des Atlantiks zu fördern», teilte der Kanzler am Mittwochvormittag mit. Dies werde man zum Wohle der Bürger fortsetzen.

Lindner warnt vor Überheblichkeit

Aussenministerin Annalena Baerbock gratulierte ebenfalls, unterstrich aber, dass die transatlantische Freundschaft «von jeher nicht auf eine Partei gebucht» sei. Zugleich machte sie deutlich: «Dort, wo es ohne Frage politische Differenzen gibt, ist ein ehrlicher und vor allem intensiver Austausch wichtiger denn je.»

Die Grünen-Politikerin nutzte die Gelegenheit auch für einen Appell an die europäische Eigenständigkeit: Die Europäer müssten jetzt noch mehr sicherheitspolitische Verantwortung übernehmen.

Finanzminister Christian Lindner plädierte seinerseits für einen pragmatischen Ansatz mit Trump: «Jetzt ist nicht der Moment für überhebliche Kommentare über den Atlantik, sondern für Diplomatie», schrieb er auf der Plattform X. Europa müsse Trump «die Hand ausstrecken» und gleichzeitig seine eigenen «wirtschafts- und sicherheitspolitischen Hausaufgaben» erledigen.

Der Oppositionsführer und CDU-Chef Friedrich Merz hatte seinerseits bereits am Vorabend zu Zurückhaltung gemahnt und empfohlen, mit jedem US-Präsidenten «engste und gute Beziehungen zu suchen».

Noch deutlich wohlwollender reagierten die AfD-Vorsitzenden Tino Chrupalla und Alice Weidel auf das Wahlergebnis. Sie boten dem künftigen Präsidenten Unterstützung bei der Lösung von Problemen wie Staatsverschuldung und illegaler Migration an.

Der frühere Aussenminister Sigmar Gabriel rief die deutsche Regierung dazu auf, das Wahlergebnis zum Anlass zu nehmen, um sich wieder auf das europäische Projekt zu besinnen. «Deutschland muss seine ganze Kraft in den Dienst Europas stellen», sagte er in Berlin auf einer Veranstaltung der «Atlantik-Brücke», deren Vorsitzender er ist. Dazu müsse es auch verlorenes Vertrauen zurückgewinnen, etwa in der Zusammenarbeit mit Frankreich. Europa drohe andernfalls zu provinzialisieren.

Wirtschaft befürchtet Handelskrieg

Deutlich alarmierter reagierten deutsche Wirtschaftsexperten. Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln, sprach von einem «Worst-Case-Szenario». Nach IW-Berechnungen könnte ein Handelskrieg die deutsche Wirtschaft in den kommenden vier Jahren rund 180 Milliarden Euro kosten.

«Mit der Wahl Donald Trumps steht die deutsche Wirtschaft vor der nächsten Krise in einer an Rückschlägen reichen Zeit», sagte Hüther warnend. Er forderte die deutsche Regierungskoalition zum raschen Handeln auf: «Für das anhaltende Kreisen der ‹Ampel› um sich selbst ist in jedem Fall keine Zeit mehr.»

Besonders besorgniserregend sind laut IW-Analyse die Folgen für den deutschen Arbeitsmarkt: Bis 2028 könnten rund 150 000 Arbeitsplätze verlorengehen. Die Industrieproduktion würde in den Jahren 2026 und 2027 um knapp 3 Prozent unter das Niveau ohne Handelskrieg fallen. Anders als die USA mit ihrer grossen Binnenwirtschaft sei die exportorientierte deutsche Wirtschaft besonders anfällig für globale Handelskonflikte.

Deutlicher Sieg überrascht Beobachter

Trumps Sieg war deutlicher als erwartet. Er gewann nicht nur in den wahlentscheidenden Gliedstaaten Georgia und Pennsylvania, sondern überzeugte auch überraschend viele lateinamerikanische und junge Wähler von sich.

Die Republikaner gewinnen mit dem Präsidentschaftssieg auch die Kontrolle über den Senat zurück. Trump kann damit künftig leichter seine politischen Vorhaben durchsetzen.

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