Die meisten Biotechwerte aus der Schweiz haben in den vergangenen Jahren enttäuscht. Der Antibiotika-Spezialist Bioversys ist dennoch zuversichtlich, beim hiesigen Anlegerpublikum Anklang zu finden.
So wertvoll wie direkt nach dem Zweiten Weltkrieg sind Antibiotika schon lange nicht mehr. «Sie wurden damals zu höheren Preisen als Gold gehandelt», sagt Marc Gitzinger, der Chef der Basler Biotechfirma Bioversys. Inzwischen gehören Antibiotika zu den günstigsten Medikamenten, weil die meisten von ihnen längst den Patentschutz verloren haben und als Generika erhältlich sind.
Publikumsöffnung noch im ersten Quartal
Dennoch ist man bei Bioversys überzeugt, mit Antibiotika nach wie vor ein ausreichendes Auskommen erzielen zu können. Die Firma, die 2008 als Spin-off der ETH Zürich gegründet wurde, braucht nun aber frische Mittel, um weitere Investitionen finanzieren zu können. Sie will sich noch im laufenden Quartal an der Schweizer Börse dem Publikum öffnen, wie am Dienstag bekanntwurde.
Gitzinger hat arbeitsreiche Tage hinter sich. Beim Treffen in einem Basler Restaurant bestellt er einen doppelten Espresso, um seine Müdigkeit zu bekämpfen. Der gebürtige Luxemburger, der Bioverys seit der Gründung führt, weilte erst vergangene Woche noch in San Francisco. An der Healthcare-Konferenz der Bank J. P. Morgan versuchte er auszuloten, auf wie viel Interesse ein Börsengang des Antibiotika-Spezialisten Bioversys stossen könnte.
Die Resonanz unter Investoren und Finanzanalytikern fiel überwiegend positiv aus. Die Stimmung an der Konferenz sei generell gut gewesen. Man rechne nach zwei eher schwierigen Jahren mit einer besseren Entwicklung im Biotechnologiesektor, beschreibt Gitzinger seine Eindrücke.
Hartnäckige branchenweite Abkühlung
Der Nasdaq-Biotechnology-Index, der als wichtigstes Barometer der Branche gilt, hat über die letzten zwei Jahre lediglich seitwärts tendiert. Gegenüber dem Höchststand von fast 5500 Punkten, der im September 2021 erreicht wurde, notiert er 20 Prozent tiefer. Angesichts dieses widrigen Umfelds hielt sich – wenig erstaunlich – auch die Anzahl der branchenweiten Börsengänge in engen Grenzen. Zwar fiel sie im vergangenen Jahr höher als 2023 und 2022 aus, doch verblieb sie weit unter dem Niveau der beiden Spitzenjahre 2021 und 2020.
Besonders unter Druck standen in den vergangenen Jahren die meisten Schweizer Biotechwerte. Evolva sah sich Ende 2023 gezwungen, die Geschäftstätigkeit einzustellen. Auch Obseva überlebte den Abschwung in der Branche nicht. Idorsia musste sich in den letzten zwei Jahren mangels Einnahmen von Hunderten der einst 1300 Beschäftigten trennen und kämpft weiterhin gegen das Aus. Ein seltener Lichtblick war jüngst die Kursentwicklung beim Konkurrenten Basilea Pharmaceutica, zu dessen Schwerpunkten ebenfalls das Geschäft mit Antibiotika zählt.
Vorbild Basilea
Wie die Firma Basilea, die einst aus einer Abteilung des Pharmakonzerns Roche hervorging, hat sich Bioversys auf die Bekämpfung von Spitalinfektionen spezialisiert. Im Gegensatz zum Massengeschäft mit Antibiotika gilt die Zahlungsbereitschaft von Gesundheitssystemen in diesem Bereich als höher. Spitalinfektionen können für die Betroffenen rasch lebensbedrohlich werden. Wegen Resistenzen gegen ältere Präparate fehlt es Ärzten zunehmend an Behandlungsmöglichkeiten.
Anders als Basilea hat Bioversys aber noch keine Medikamente auf dem Markt. Mithilfe des Erlöses aus dem geplanten Börsengang soll das Hauptprodukt der Firma in der abschliessende Phase III der klinischen Entwicklung erforscht werden. Sofern die Daten die bisherigen positiven Erfahrungen bestätigen, will Bioversys Ende 2027 ein Zulassungsgesuch erst in den USA und kurz darauf auch in Europa und in China stellen.
Aus dem Börsengang sollen dem Unternehmen, an dem seit vergangenem Jahr der britische Pharmakonzern GlaxoSmithKline mit knapp 5 Prozent beteiligt ist, insgesamt 80 Millionen Franken zufliessen. Diese Summe mutet bescheiden an, doch will man bei Bioversys offenbar nicht Mittel auf Vorrat beschaffen, sondern lieber bescheiden bleiben.
Welche Fallstricke eine allzu grosszügige Kapitalausstattung birgt, zeigt das Beispiel Idorsia. Das Allschwiler Unternehmen, das noch vor wenigen Jahren im Geld schwamm, leistete sich übertriebene Strukturen, deren Unterhalt enorme Mittel verschlang.
Die meisten Biotechfirmen gehen an die Nasdaq
Bei Bioversys soll die Zahl der Mitarbeiter nach dem Börsengang nur leicht von zurzeit 26 auf maximal 35 erhöht werden. Laut Gitzinger reicht der angestrebte Emissionserlös aus, um die Finanzierung der weiteren Betriebstätigkeit bis zur Einreichung des Zulassungsgesuchs sicherzustellen.
Anders als die meisten Biotechnologieunternehmen in den letzten Jahren hat sich Bioversys nicht für einen Börsengang an der US-Technologiebörse Nasdaq entschieden. Die USA sind dank zahlreichen spezialisierten Fonds der führende Finanzplatz für Firmen aus dem Gesundheitssektor. Auch in Sachen Biotech-Forschung ist das Land unübertroffen.
Bei Bioversys fühlt man sich indes in Basel sowie in Lille, wo eine kleinere Forschungseinheit der Firma arbeitet, weiterhin gut aufgehoben. So gesehen sei es für das Unternehmen nur natürlich, sich in der Schweiz kotieren zu lassen, sagt sein Chef Gitzinger.