Dienstag, Oktober 1

In der Sache erhält die Regierung recht, doch ein Ausstandsbegehren hat sie nicht korrekt behandelt.

Am 16. Januar 2023 führte die Kantonspolizei irgendwo im Zürcher Unterland auf Anordnung des Statthalteramts Bülach bei A. eine Hausdurchsuchung durch. An dessen Wohnort entdeckten die Beamten verschiedene ältere Schusswaffen, nämlich ein Sturmgewehr 57 und zwei Pistolen mit passenden Magazinen, aber ohne Munition. Dazu eine «Büchse Simonov», das ist ein im Zweiten Weltkrieg entwickelter sowjetischer Selbstladekarabiner, und einen Revolver, den die Schweizer Armee 1882 als Ordonnanzwaffe eingeführt hatte.

Knapp zwei Monate später beschlagnahmte das Statthalteramt Bülach die kleine Sammlung. Es räumte A. jedoch die Möglichkeit ein, mit einem Waffentauglichkeitsgutachten die Rückgabe der Schiessgeräte zu beantragen.

Besteht das Risiko, dass jemand andere oder sich selbst gefährdet, können Statthalter Waffen einziehen. Das gehört zur Aufgabe dieser Vertreter der Justiz auf unterster Ebene. Ihre Rolle eines Untersuchungs- und Strafrichters für Übertretungen ähnelt jener eines Sheriffs. Die meisten Statthalterämter hüten im Keller ein paar sichergestellte Waffen.

Ausstandsregel nicht befolgt

Speziell am vorliegenden Fall ist jedoch, wie es zu der Beschlagnahmung gekommen ist. A. war der festen Überzeugung, er habe einen grossen Betrugsfall am Flughafen Zürich aufgedeckt. Dies teilte er, anständig zwar, aber auch sehr bestimmt, in mehreren E-Mails und telefonisch einer Mitarbeiterin im Generalsekretariat der kantonalen Justizdirektion mit.

Der Adressatin war die Sache unheimlich, und sie fühlte sich verbal bedroht. Im November 2022 meldete sie sich bei der Kantonspolizei, wollte wissen, ob A. aktenkundig sei und wie sie sich verhalten solle. Die Polizei bestellte bei der Fachstelle Forensik der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich eine risikoorientierte Einschätzung. Aufgrund der E-Mails schlossen die Fachleute auf Hinweise, dass bei A. eine schwere psychische Erkrankung mit einer paranoid-wahnhaften Beeinträchtigung vorliege.

Nach erfolgter Beschlagnahmung stelle A. jedoch keinen Antrag auf Rückgabe der Waffen, sondern verlangte in einem Rekurs an den Regierungsrat, dass die Verfügung des Bülacher Statthalters aufzuheben sei. Gleichzeitig forderte er, dass Justizdirektorin Jacqueline Fehr (SP) in den Ausstand trete. Der Regierungsrat wies den Rekurs ab und stellte fest, die Justizdirektion habe gar keinen Entscheid gefällt, der zu beurteilen sei. Tatsächlich haben die Kantonspolizei und der Statthalter die Beschlagnahmung vorgenommen.

A. gelangte an das kantonale Verwaltungsgericht, das im kürzlich publizierten Urteil die Ausstandsregelung genau unter die Lupe nimmt. Zwar gehen die Richter davon aus, dass sich die Angestellte im Generalsekretariat von sich aus, ohne Mitwirkung von Jacqueline Fehr, an die Kantonspolizei wandte.

Anderseits habe sie als enge Mitarbeiterin direkten Kontakt zur Direktionsvorsteherin. Im Urteil wird dazu als Beleg sogar die Signatur der Angestellten in der E-Mail an A. aufgeführt. Dieses berufliche Nahverhältnis könnte geeignet sein, den Anschein der Befangenheit zu erwecken, heisst es in der Begründung. Das Ausstandsbegehren gegen die Justizdirektorin sei nicht offensichtlich unzulässig gewesen.

Indem der Regierungsrat dieses abwies, habe die Justizdirektorin an der Beurteilung des gegen sie gerichteten Antrags von A. mitgewirkt. Damit habe die Regierung in unzulässiger Besetzung über jenes Begehren entschieden, heisst es in der Begründung.

In der Sache ein klarer Fall

Hingegen schützt das Verwaltungsgericht den Entscheid in der Sache und weist den Rekurs gegen die Beschlagnahmung der Waffen ab. Weil dafür kein Ausstandsgrund gegeben war, sei die Mitwirkung von Jacqueline Fehr am materiellen Entscheid nicht zu beanstanden. Unter diesen Umständen könne der Mangel bei der Behandlung des Ausstandsbegehrens «geheilt» werden, heisst es in schönstem Juristendeutsch.

Das Gericht betont, ein Gefährdungspotenzial habe bei A. vorgelegen. Es sei die Absicht des Gesetzgebers, in einem solchen Fall präventiv einzugreifen. Die Einschätzung der Forensiker sei eindeutig über einen vagen Verdacht hinausgegangen.

A. kann das Urteil an das Bundesgericht weiterziehen oder immer noch mit einem Gutachten die Rückgabe der Schusswaffen verlangen. Der Formfehler der Regierung beim Ausstandsbegehren hat zur Folge, dass er nur zwei Drittel der Gerichtskosten von 3300 Franken übernehmen muss. Der Rest wird der Regierung auferlegt und geht zulasten der Staatskasse.

Urteil VB.2023.00445 vom 13. 6. 2024, nicht rechtskräftig.

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