Donnerstag, April 17

Donald Trumps abrupte Zollerhöhungen sorgen für Unmut bei Verbündeten in Wirtschaft und Politik. Doch sowohl im Kongress als auch an der Wall Street bleibt der grosse Aufstand noch aus. Zu gross scheint die Angst vor einer Konfrontation mit dem Präsidenten zu sein.

Einzelne Republikaner sorgen in den USA derzeit für Schlagzeilen mit ihrer Kritik an der Zollpolitik ihres Präsidenten. Einer der prominentesten ist der texanische Senator Ted Cruz. Der ehemalige Präsidentschaftskandidat hat sich in den vergangenen Jahren zu einem loyalen Trump-Anhänger gewandelt. Nun sagte er jedoch dem konservativen Fernsehsender Fox News: «Zölle sind eine Steuer für die Konsumenten. Ich bin kein Fan davon, die Steuern für amerikanische Konsumenten in die Höhe zu treiben.»

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In seinem Podcast legte Cruz nach. Sollte Donald Trump an den hohen Zöllen festhalten und sie nicht bloss als kurzfristiges Verhandlungsinstrument gebrauchen, würden die Republikaner im Falle einer Rezession bei den Zwischenwahlen 2026 «ein Blutbad» erleben. Zölle seien wie Whiskey, meinte seinerseits der republikanische Senator John Kennedy: «Ein bisschen Whiskey unter den richtigen Umständen kann erfrischend sein. Aber zu viel Whiskey unter den falschen Umständen kann dich betrunken machen wie eine Geiss.»

Die Kongressführer halten zu Trump

Weder Cruz noch Kennedy unterstützen bis anhin jedoch offiziell eine Vorlage im Senat, die das Ziel verfolgt, die Vollmachten des Präsidenten in der Zollpolitik einzuschränken. Gemäss der Verfassung ist der Kongress eigentlich für die Erhebung von Importabgaben zuständig. Doch im Laufe der Jahre hat das Parlament den Präsidenten mit Gesetzen dazu ermächtigt, Zölle unter bestimmten Bedingungen zu verhängen. Trump nützt nun ein Notstandsgesetz, das ihm die Verhängung von umfassenden Zöllen erlaubt.

Im Senat haben sich bisher sieben Republikaner hinter die parteiübergreifende Vorlage gestellt, damit der Kongress das Zepter in der Zollpolitik wieder übernehmen kann. Der republikanische Mehrheitsführer John Thune gab der Initiative jedoch keine Chance: «Wir müssen es zulassen und nicht nur schauen, was kurzfristig passiert, sondern auch langfristig.»

Im Repräsentantenhaus fällt der konservative Widerstand gegen Trumps Zollpolitik bis jetzt noch geringer aus. Der republikanische Abgeordnete Don Bacon hat am Montag in seiner Parlamentskammer eine ähnliche Vorlage wie jene im Senat eingebracht: «Es ist klug, die Vollmachten des Kongresses wiederherzustellen, wie es die Gründerväter beabsichtigten.» Allerdings ist er mit dieser Position im Abgeordnetenhaus praktisch allein. Der Speaker Mike Johnson will zudem nicht über die Vorlage abstimmen lassen: «Wir werden ihm (Trump) den notwendigen Spielraum geben und schauen, wie es sich entwickelt.»

Der Präsident hat zudem sein Veto gegen ein Gesetz angekündigt, das seine Möglichkeiten in der Zollpolitik einschränken würde. Um dieses Veto zu überstimmen, würde es eine Mehrheit von zwei Dritteln in beiden Kongresskammern brauchen.

Es gibt allerdings auch konservative Bemühungen, die darauf abzielen, Trump unter Mithilfe der Gerichte zu stoppen. Eine libertäre Gruppierung unter der Ägide des Milliardärs Charles Koch und des konservativen Aktivisten Leonard Leo hat eine Klage gegen die Importzölle für China eingereicht. In ihren Augen ist Trumps Anwendung eines Notstandsgesetzes illegal. Bis ein letztinstanzliches Urteil in dieser Frage gefällt ist, könnte der wirtschaftliche Schaden jedoch bereits beträchtlich sein.

Die Wall Street hintersinnt sich

Auch aus der Wirtschaftselite sind zunehmend kritische Stimmen zu vernehmen – sogar von Vertretern, die Trump und seine Handelsstrategie vor kurzem noch unterstützten oder zumindest Verständnis dafür erkennen liessen. Der Milliardär und Hedge-Fund-Manager Bill Ackman etwa forderte den Präsidenten kürzlich dazu auf, den Zollstreit für 90 Tage auf Eis zu legen. Er hatte im Wahlkampf 2024 zu den wichtigsten Unterstützern von Trump an der Wall Street gehört.

Auch Jamie Dimon, der langjährige Chef der grössten amerikanischen Bank, JP Morgan Chase, warnte in seinem am Montag publizierten Aktionärsbrief davor, dass die Zölle für mehr Inflation und weniger Wirtschaftswachstum sorgen würden. Je schneller der Handelsstreit gelöst werden könne, desto besser, denn die negativen Begleiterscheinungen würden sich über die Zeit kumulieren.

An einem Auftritt am Weltwirtschaftsforum in Davos im Januar hatte Dimon, eine der wichtigsten Stimmen an der Wall Street, noch andere Töne angeschlagen: «Wenn sie (die Zölle) ein wenig inflationär wirken, aber gut sind für die nationale Sicherheit, dann ist es halt so. Ich meine: Kommt darüber hinweg», sagte er in einem Interview mit dem Fernsehsender CNBC.

Selbst Elon Musk, einer der wichtigsten Berater und Financiers des amerikanischen Präsidenten, hat deutliche Kritik an der Regierungslinie geübt. Am Samstag hatte er sich anlässlich eines Videoauftritts vor Vertretern der italienischen Rechtspartei Lega bereits für eine Freihandelszone zwischen den USA und Europa ausgesprochen – so ziemlich das Gegenteil dessen, was Trump mit seiner Handelsstrategie derzeit hervorbringt.

Am Dienstag kritisierte Musk frontal Trumps Handelsberater Peter Navarro, der als einer der Architekten der unnachgiebigen Zollstrategie gilt. Dieser sei ein Idiot und «dümmer als ein Sack Backsteine». Navarro hatte zuvor in einem Fernsehinterview angemerkt, dass Musk als Elektroautobauer viele wichtige Fahrzeugteile aus dem Ausland importiere und die Autos in Amerika bloss zusammenfüge. Das sei schlecht für das Land.

Angst vor Trumps Reaktion

Es fällt gleichwohl auf, dass die meiste Kritik der Wirtschaftsführer an Trumps Vorgehen noch sehr gemässigt ausfällt; sie versuchen tunlichst, den Präsidenten nicht persönlich anzugreifen, oder präsentieren ihre Kritik als gutgemeinten Vorschlag, wie Trump seine Ziele noch besser erreichen könne.

Sie wollen um jeden Preis vermeiden, dass sie Trumps Zorn auf sich ziehen, weil sich das für ihr Geschäft negativ auswirken könnte. Das gilt in besonderem Mass für die Chefs der Tech-Riesen Meta, Amazon oder Alphabet, die allesamt in Gerichtsverfahren mit der Wettbewerbsbehörde FTC verwickelt sind. Sie hoffen, dass Trumps Aufseher Milde walten lassen, wenn sie sich mit Kritik am Präsidenten zurückhalten. Bisher allerdings vergeblich: Trump hat die einschneidenden Verfahren gegen Meta und den Google-Mutterkonzern Alphabet vorerst weiterlaufen lassen.

Viele Unternehmenschefs schweigen, selbst wenn ihre Firmen unter den Folgen des Handelskriegs zu leiden haben. Das beste Beispiel ist der Apple-CEO Tim Cook. Er galt als eigentlicher «Trump-Flüsterer», seit er im ersten amerikanisch-chinesischen Handelsstreit 2019 erwirkte, dass Apples Smartwatches aus China nicht mit Strafzöllen belegt wurden. Aber trotz seiner guten Beziehung zu Trump muss Cook nun zusehen, wie der Präsident den Konflikt mit Peking immer weiter eskalieren lässt. Einfuhrzölle von über 100 Prozent, wie sie derzeit drohen, würden das Geschäftsmodell des iPhone-Herstellers stark beeinträchtigen. Apple gehörte deshalb zu denjenigen Grossunternehmen, deren Aktienkurs in den vergangenen Tagen am stärksten gefallen ist.

Selbst Gewerkschafter helfen Trump

Es ist nicht so, dass die amerikanische Wirtschaft unisono gegen die harte Zollpolitik wäre. Trump kann auf den Support einiger nationaler Verbände zählen – etwa jenen der Stahl- und der Rinderproduzenten. Ihre Motivation unterscheidet sich diametral: Die Stahlbranche erhofft sich Schutz vor günstigeren ausländischen Produkten, die Rinderzüchter sehen die Zölle dagegen als Hebel, um Australien, Vietnam oder die EU zur Öffnung von deren eigenen Agrarmärkten zu zwingen.

Sogar Gewerkschaften, die den Republikanern traditionell sehr kritisch gegenüberstanden, sprechen sich für den Kurs aus. Shawn Fein, der Chef der einflussreichen UAW, der Gewerkschaft der Autobranche, hatte im Wahlkampf 2024 noch Trumps Widersacherin Kamala Harris unterstützt. Jetzt lobt er die Zölle auf importierte Autos ausdrücklich. In einem Interview mit dem öffentlichen Radiosender NPR sagte Fein am Montag zwar, dass die universellen Zölle von vergangener Woche leichtsinnig seien.

Im nächsten Atemzug kritisierte er aber, dass das frühere nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta in den vergangenen dreissig Jahren die industrielle Basis des Landes zum Verschwinden gebracht habe. Er stritt auch ab, dass die Zölle zwangsläufig zu höheren Preisen führen und der Arbeiterklasse schaden würden. Das sei eine Entscheidung der Milliardärs- und der Wirtschaftsklasse, die stets ihre Profite erhalten würden und alles Schlechte auf die Konsumenten abwälzten.

Die Kritik an Trumps abenteuerlicher Zollstrategie nimmt in Amerikas Politik und Wirtschaft zu, hat aber noch keine kritische Masse erreicht – schlicht weil die Furcht zu gross ist, mit dem Präsidenten zu brechen. Ändern dürfte sich das erst, wenn die negativen Folgen nicht nur für Aktienbesitzer spürbar werden. So meinte der Abgeordnete Don Bacon über seine Vorlage: «Wenn die Inflation oder die Arbeitslosigkeit in eine schlechte Richtung gehen, wird mein Entwurf ein sehr realisierbares Gesetz.»

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