Georges Kern macht Breitling zur Mehrmarken-Gruppe. Mit Gallet als dritter Uhrenmarke setzt er auf eine günstigere Alternative – ähnlich wie Rolex mit Tudor.
Acht Jahre ist es her, dass Finanzinvestoren die Marke Breitling übernommen haben und Georges Kern CEO und Mitbesitzer des Uhrenherstellers wurde. Seitdem hat Kern die Marke von einer Nischenplayerin im Bereich Fliegeruhren zurück zu dem geführt, was sie einst war: eine breit aufgestellte, sportliche Traditionsmarke mit mehreren bekannten Modellen und Kollektionen.
Die Neupositionierung zahlte sich finanziell aus: Der Durchschnittspreis der Uhren stieg von knapp 5000 auf 7200 Franken und liegt nun über dem von Omega. Der Umsatz wuchs von 380 Millionen Franken im Jahr 2017 auf rund 850 Millionen im Jahr 2024. Damit zählt Breitling nach Schätzungen von Morgan Stanley zu den zehn umsatzstärksten Schweizer Uhrenmarken.
Parallelen zu Rolex und Tudor
Kerns Pläne gingen jedoch schon früh über Breitling hinaus. Er wollte unter diesem Dach mehrere Marken aufbauen, um ein möglichst breites Preisspektrum im Luxussegment abzudecken. Ihm war klar, dass Breitling allein das nicht leisten kann. «Man kann eine Marke preislich nicht unendlich breit aufstellen», sagt Kern.
Also suchte das Unternehmen zwei weitere Marken: eine für das Luxussegment mit Preisen ab 15 000 Franken und eine für erschwinglichere Modelle im Bereich von 2500 bis 5000 Franken. Die Hauptmarke Breitling sollte sich dazwischen positionieren, mit Preisen von 5000 bis 30 000 Franken.
Den oberen Markt wird Breitling mit Universal Genève bedienen. Die praktisch eingeschlafene Traditionsmarke wurde Ende 2023 erworben und wird seither zu einer eigenständigen Manufaktur ausgebaut.
Nun ist Breitling auch im unteren Preissegment fündig geworden. Wie am 18. März offiziell bekanntgegeben wird, übernimmt das Unternehmen die inaktive Marke Gallet und plant, sie als erschwingliche Schwestermarke zu Breitling zu positionieren – ähnlich wie Rolex es seit Jahrzehnten mit Tudor macht.
Sowohl bei Universal als auch bei Gallet sollen die ersten neuen Modelle 2026 auf den Markt kommen.
Gallet und der Vorteil «eingeschlafener» Marken
Gallet ist ausserhalb von Uhrenkreisen wenig bekannt. Nach der Quarzkrise der 1970er und 1980er Jahre geriet die Marke in Vergessenheit. Zuvor hatte sie sich stark auf den amerikanischen Markt konzentriert. Dennoch blickt Gallet auf eine lange Geschichte zurück: Breitling gibt 1826 als offizielles Gründungsjahr an. Damals registrierte Julien Gallet den Namen in La Chaux-de-Fonds. Der frühere Besitzer von Gallet, ein Unternehmer aus Zollikon ZH, hatte als Gründungdatum sogar das Jahr 1466 beansprucht und machte Gallet damit zur ältesten Schweizer Uhrenmarke.
Historisch brachte Gallet einige bedeutende Zeitmesser hervor, die thematisch gut zu Breitling passen. Es war eine Gallet, die 1903 den ersten 59-Sekunden-Motorflug der Wright-Brüder stoppte. 1938 lancierte die Marke mit der Multichron Clamshell einen der ersten wasserdichten Chronografen. Ein Jahr später folgte die legendäre Flight Officer, die unter anderem der US-Präsident Harry S. Truman regelmässig trug.
Gallet agierte damals vor allem als Etablisseur: Das Unternehmen fertigte keine eigenen Werke, sondern entwarf Uhren und koordinierte ihre Produktion. Breitling plant eine ähnliche Strategie: Nach aussen tritt Gallet als eigenständige Marke auf, intern wird sie jedoch in die Breitling-Struktur integriert. Die Werke stammen von Sellita, einer externen Werkherstellerin. Produktion, Logistik und Management laufen über Breitling; Gallet-Uhren werden künftig auch in Breitling-Boutiquen verkauft werden. Wie Kern betont, besteht mit Gallet die Möglichkeit, Skaleneffekte zu nutzen.
Georges Kern will mit Gallet neue Käufer ansprechen; nicht zuletzt jene, denen Breitling zu teuer geworden ist. Die Marke habe eine lange Tradition und werde auf dem Vintage-Markt geschätzt. Ein weiteres Argument: Seit der Quarzkrise der 1970er Jahre hat Gallet praktisch keine Uhren mehr produziert. «Eine aktive Marke zu übernehmen, hätte nur Ballast mit sich gebracht», sagt Kern. «Dann kauft man ein Erbe, das man vielleicht gar nicht will, Lagerbestände, die man nicht will, und womöglich eine Manufaktur, die man nicht will.»
Eine langfristige Strategie trotz Marktschwäche
Doch ist dies der richtige Zeitpunkt, um eine neue Uhrenmarke zu lancieren? Die Nachfrage nach Schweizer Uhren schwächelt, die Exporte sinken. Selbst Kern räumt ein, er habe seit 30 Jahren keine so lang anhaltend gedrückte Stimmung im Markt erlebt. Laut den Zahlen von Morgan Stanley konnte Breitling den Umsatz in den vergangenen zwei Jahren nicht mehr steigern; die Stückzahlen waren rückläufig.
Dennoch hält Kern an seiner Strategie fest. «Wenn man eine Vision hat, kann man nicht ständig Hü und Hott machen. Man muss seine Pläne durchziehen.» Die Mehrheitsbesitzerin von Breitling, die Partners Group, steht hinter ihm. «Die Übernahme von Gallet ist der zweite wichtige Schritt unserer langfristigen Strategie», sagt Alfred Gantner. Gantner ist Mitgründer der Private-Equity Firma Partners Group und Verwaltungsratspräsident von Breitling. Die Strategie ist darauf ausgelegt, Breitling dereinst an die Börse zu bringen.
Wichtig für Kern derzeit vor allem, Marktanteile zu gewinnen. Er ist überzeugt, dass sich die Uhrenindustrie in einem starken Konsolidierungsprozess befindet. «Die Branche wird sich am Ende auf zehn bis fünfzehn bedeutende Marken konzentrieren.»
Durch die Globalisierung des Geschmacks und die wachsende Marktmacht grosser Marken werde dieser Prozess unaufhaltsam. «Wir schauen alle die gleichen Serien auf Netflix oder Amazon. Wir hören die gleiche Musik auf Spotify. Am Ende kaufen wir alle die gleichen Uhrenmarken.» Für Nischenplayer werde es zwar immer Platz geben, doch für grosse Volumina brauche es starke Namen.
Viel Vertrauen in Trump und den US-Markt
Hinzu kommt, dass Kern trotz der gegenwärtigen Marktschwäche optimistisch bleibt: «Nach jeder Baisse kommt eine Hausse.» Als besonders vielversprechend sieht er den amerikanischen Markt. «Die USA erleben eine Entbürokratisierung und wirtschaftliche Deregulierung, die riesige Chancen bietet.» Er spricht von einer «Entfesselung der Wirtschaft» in der grössten Volkswirtschaft der Welt. «Ich habe riesiges Vertrauen in diesen Markt – und in den positiven Nachahmereffekt für Europa.»
Beobachter blicken gespannt auf Kerns Pläne. Bei Breitling hat er gezeigt, dass er eine Marke rasch und erfolgreich neu ausrichten kann. Breitling war allerdings eine aktive und funktionierende Marke. Bei Universal Genève und Gallet ist es schwieriger, da muss alles von Grund auf neu aufgebaut werden. Gallet hat zudem nicht den Nimbus von Universal Genève. Ein Sammler, der selber mehrere Gallet-Chronographen besitzt, formuliert es so: Wenn die Breitling-Leute diese Marke zum Erfolg führen, haben sie bewiesen, dass sie wirklich gut sind.