Samstag, Oktober 19

Weder der Autorenstreik in Hollywood noch das Vorgehen gegen das Teilen des Passworts hat den Streaminganbieter vom Kurs abgebracht. Nun rüttelt Netflix an der letzten Bastion des linearen Fernsehens.

Netflix hat am Donnerstagabend mit starken Zahlen überrascht – einmal mehr. Der Streaminganbieter hat im abgelaufenen Quartal 9,8 Milliarden Dollar umgesetzt und netto 5,1 Millionen Abonnenten dazugewonnen. Während sich das Wachstum im amerikanischen Heimmarkt abflachte, konnte man in Europa und in Asien stark zulegen und jeweils mehr als 2 Millionen zusätzliche Kunden gewinnen. Weltweit zählt Netflix inzwischen 283 Millionen Abonnements.

Auch die Gewinnkraft nimmt zu

Die Schwächephase von 2022 scheint definitiv überwunden. Damals stagnierten die Nutzerzahlen von Netflix längere Zeit, während sich der Konzern mit Konkurrenten wie Disney und Warner Brothers einen intensiven und kostspieligen Kampf um Zuschauer und Zuschauerinnen lieferte. Mittlerweile ist klar: Netflix ist der Sieger der «Streaming Wars». Mit einem Nettogewinn von erneut fast 2,4 Milliarden Dollar haben die Kalifornier bewiesen, dass man eine Streamingplattform nachhaltig profitabel betreiben kann – wenn man die Nummer eins im Geschäft ist.

Die Investoren freut es. Die Netflix-Aktie, die in den vergangenen Tagen noch geschwächelt hatte, legte am Freitag nach Börseneröffnung um 10 Prozent zu. Analysten fragten sich jedoch, ob sich das aussergewöhnliche Wachstum der Abonnentenzahlen bereits wieder dem Ende zuneigt. Begonnen hatte der Zustrom gegen Ende 2022, weil Netflix schrittweise schärfer gegen Nutzer vorging, die ihren Account mit anderen Haushalten teilten.

Tatsächlich haben seither Millionen von heimlichen Zuschauern ein eigenes Abo abgeschlossen. Geholfen hat ihnen beim Entscheid, dass Netflix mittlerweile auch günstigere Abos anbietet, die den Nutzern dafür Werbung anzeigen. Dieses günstige Angebot ist offenbar beliebt. Auch die Werbeeinnahmen nehmen zu, allerdings noch auf sehr tiefem Niveau.

Jetzt auch noch Live-Sport

Netflix selbst versprüht Optimismus. Bald dürfte die inhaltliche Dürreperiode überstanden sein, die 2023 durch den langen Streik der Drehbuchautoren und Schauspieler in Hollywood ausgelöst wurde. Im dritten Quartal konnte die Streamingplattform immerhin die vierte Staffel von «Emily in Paris» herausbringen oder eine Neuauflage des 1980er Klassikers «Beverly Hills Cop», mit Eddie Murphy in der Hauptrolle.

Die Zuschauer sollen jedenfalls treu geblieben sein, gemäss Netflix haben sie mehr Stunden auf der Plattform verbracht als im Vorjahresvergleich. Bald sollten die Folgen des Streiks ganz überwunden sein; noch vor Jahresende wird etwa die zweite Staffel der brutalen koreanischen Hit-Serie «Squid Game» veröffentlicht.

Der Streaminganbieter setzt nun immer stärker auf Sportanlässe, die er live überträgt, und greift damit die letzte Bastion der linearen Fernsehsender an, die bereits seit Jahren mit sinkenden Zuschauerzahlen kämpfen. Gleichzeitig versucht sich Netflix mit Live-Sport von anderen Streamingplattformen abzuheben.

Das Sportangebot ist momentan noch auf amerikanische Kunden ausgerichtet. Netflix überträgt grosse Box- und Wrestling-Anlässe live, etwa einen Showkampf des früheren Boxweltmeisters Mike Tyson gegen den Youtube-Star und Profiboxer Jake Paul. An Weihnachten wird man auf Netflix zwei hochkarätige American-Football-Spiele live verfolgen können. Die letzten Spiele vor dem Jahreswechsel locken jeweils Millionen von Zuschauern vor den Fernseher, weil sich dann entscheidet, wer den Einzug in die Play-offs schafft. Netflix soll sich die Übertragungsrechte für 75 Millionen Dollar gesichert haben – pro Spiel.

Für eingefleischte Sportfans, die sich sämtliche Spiele einer Saison anschauen wollen, dürfte das noch kein Grund sein, das Fernseh-Abonnement für Netflix aufzugeben. Aber das Unternehmen hat erst damit begonnen, die Live-Spiele in ein immer breiteres Angebot für Sportfans einzubetten. So hat Netflix bereits zwei Dokumentarserien über bekannte Footballspieler produziert und eine über die Cheerleader der Dallas Cowboys, die bekanntesten des Landes. Die nächste Staffel der «Streaming Wars» ist angerollt – und Netflix hat sich diesmal die Sportsender vorgeknöpft.

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