Die Regierungspartei Georgischer Traum lässt sich von verfassungsrechtlichen Einwänden nicht beeindrucken. Ihre Gegner wollen sich weiter gegen das Wahlresultat wehren – aber die Protestbewegung wirkt ermüdet.
Georgiens neu gewähltes Parlament hat am Montag seine Arbeit aufgenommen. Die als Siegerin aus den Wahlen vom 26. Oktober hervorgegangene Regierungspartei Georgischer Traum nimmt damit aber zugleich auch eine Verschärfung der politischen Krise in Kauf. Die gewählten Abgeordneten der vier Oppositionsplattformen, die den Einzug ins Parlament geschafft hatten, weigerten sich, ihre Sitze einzunehmen. Sie erkennen, wie eine Vielzahl westlicher Staaten, den Ausgang der Wahlen nicht an und fordern eine Wiederholung unter internationaler Aufsicht.
In den Augen der georgischen Präsidentin Salome Surabischwili, mancher Rechtsgelehrter und der Opposition verstiess die Konstituierung des Parlaments gegen die Verfassung. Noch sind Beschwerden bis hinauf zum Verfassungsgericht hängig, die nach ihrer Einschätzung erst hätten abgewartet werden müssen.
Der Protest kommt nicht in Fahrt
Das Onlineportal civil.ge sprach in einem Kommentar von einer Usurpation der Macht durch den Georgischen Traum. Dieser hatte nach offiziellen Angaben 54 Prozent der Stimmen und 89 von 150 Sitzen im Parlament geholt. Die Partei liess sich davon jedoch nicht beirren, bestätigte den scharfzüngigen Parlamentspräsidenten Schalwa Papuaschwili im Amt, wählte die Vorsitzenden der Parlamentskommissionen und stellte die Regierung unter dem bisherigen Ministerpräsidenten Irakli Kobachidse vor. Auch der Anführer der Partei, der öffentlichkeitsscheue Milliardär Bidsina Iwanischwili, nahm im Parlament Einsitz.
Die Hoffnung der Opposition, das Stadtzentrum lahmzulegen und den Politikern den Zugang zum Parlamentsgebäude zu verwehren, zerstob schnell. Nur eine relativ überschaubare Zahl fand sich zum Protest vor dem Parlamentssitz ein. Spezialkräfte der Polizei sicherten das Gebäude. Oppositionspolitiker äusserten sich in den sozialen Netzwerken ernüchtert und fast ein wenig verzweifelt.
Pünktlich zum Wochenbeginn war es kalt und regnerisch geworden. Das hatte die Pläne der Opposition durchkreuzt, eine grössere Zahl Protestwilliger zum Übernachten auf der Strasse zu bewegen. Dabei hatten die Regierungsgegner vergangene Woche den Protest gegen das Wahlresultat mit neuem Schwung anheizen wollen. Demonstranten blockierten zentrale Verkehrsadern im Zentrum von Tbilissi und stellten für eine Nacht eine Zeltstadt bei der Universität auf. Diese wurde allerdings am nächsten Tag von der Polizei geräumt. Diejenigen, die sich an den Protesten beteiligten, wirkten zwar hochmotiviert. Aber insgesamt blieb der Zustrom geringer als erwartet.
Isolation durch den Westen?
Die Opposition muss sich seit dem Wahlwochenende anhören, sie hätte ihre Anhänger sogleich nach der Bekanntgabe der Resultate auf die Strasse rufen sollen. Ihre Exponenten wehren sich gegen die Vorwürfe, unvorbereitet gewesen zu sein. Auch mussten sie zuerst verstehen, was eigentlich zum unerwartet starken Abschneiden des Georgischen Traums geführt hatte.
Tatsächlich ist seither klarer geworden, wie es ohne offensichtliche Fälschungen zu dem Resultat hatte kommen können. Der Politikberater Hans Gutbrod nannte in einer Studie Stimmenkauf, Einschüchterung der Wähler im Vorfeld und während des Wahltags, bewusst herbeigeführte Zweifel an der Einhaltung des Wahlgeheimnisses und die Rücknahme von Hürden für die Mehrfach-Stimmabgabe als Methoden der nachweisbaren Wahlmanipulation.
Präsidentin Surabischwili wiederholte zumindest indirekt ihre Vorwürfe aus den Tagen nach der Wahl, als sie Russlands direkte Einmischung beklagt hatte. Das brachte ihr Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ein. Am Montag sagte sie, jeder, der das Parlament betrete, betrete Russland. Sie hofft auf eine Isolation der Regierung durch den Westen. Surabischwilis Mandat läuft in Kürze ab; der Georgische Traum ist auf der Suche nach einer loyalen Nachfolgerin.
Dass die Regierung versuchen wird, die Tür nach Europa trotz der harschen Kritik vonseiten der EU offen zu halten, deutet die Ernennung von Maka Botschorischwili zur neuen Aussenministerin an. Sie ist eine Karrierediplomatin, die Georgien bei der EU vertreten hatte. Das allein wird jedoch nicht ausreichen, um das zerstörte Vertrauen im Innern und nach aussen wiederherzustellen.