Samstag, November 30

Der US-Präsidentschaftskandidat will mit dem sozialen Netzwerk Truth Social Geld für seine Wahlkampagne verdienen – diese Wette ist nun gefährdet.

Die Anhänger von Donald Trump wussten, dass es ein wilder Ritt wird. Doch ihre Wette gilt. Die Muttergesellschaft von Truth Social, Trumps sozialem Netzwerk, ist seit Ende März an der US-Technologiebörse Nasdaq unter dem Kürzel DJT kotiert. Das Geschäftsmodell der Kurznachrichten-Plattform ist identisch mit dem Ticker-Symbol der Aktie. Alles dreht sich um den 77-Jährigen Donald John Trump.

Die Zukunft von Truth Social hängt somit komplett an Trumps Erfolg und somit auch am Ausgang der US-Präsidentschaftswahlen im November, für die er kandidiert. Viele sehen den Kursverlauf der DJT-Aktie als Barometer für den Verlauf seiner Kampagne: Doch nach einem fulminanten Börsenstart stürzte die Aktie ab. Auch weil Trump in New York wieder einmal vor Gericht stand. Ende Woche konnten sich die Titel etwas fangen.

Vermögen von Trump schrumpft

Die kotierte Firma hinter Truth Social, die Trump Media & Technology Group (TMTG), macht den Ex-Präsidenten reich – zumindest auf dem Papier. Sie erreichte nach Börsendebüt eine Kapitalisierung von 9 Milliarden Dollar. Nach dem Kursrutsch weist die Firma allerdings nur noch einen Wert von 3,6 Milliarden Dollar auf.

Das wirkt sich direkt auf Trumps Vermögensverhältnisse aus, er hält 57 Prozent an TMTG. Anfang Monat war sein Anteil über 5 Milliarden Dollar wert, nun sind es noch 2 Milliarden. Damit vermindert sich auch die theoretische Auszahlung massiv, auf die Trump hoffen kann, wenn er seine Anteile verkaufen würde.

Pulsmesser der Kampagne: Die Trump-Aktie verliert massiv an Wert

Aktienkurs in Dollar

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Spac-Transaktion bzw. Fusion mit Digital World Acquisition Company

Angesichts der Firmengrösse ist das immer noch viel: TMTG beschäftigt 36 Personen und schrieb 2023 einen Betriebsverlust von 16 Millionen Dollar, bei gut 4 Millionen Umsatz. Finanziell ist die Bewertung von Truth Social nicht zu begründen, auch nicht mit der geplanten Lancierung eines neuen Streaming-Dienstes.

Gemäss dem TMTG-Chef Devin Nunes soll der Dienst eine «Heimat für Nachrichten und Unterhaltung sein, die von anderen Content-Diensten diskriminiert werden». Trump selbst sieht sich von den «Mainstream-Medien» diskriminiert. Sein Twitter-Konto wurde nach dem Sturm auf das Capitol durch Trump-Anhänger im Januar 2021 gesperrt.

Gut ein Jahr später folgte die Lancierung der Social-Media-Plattform Truth Social als Alternative zu Twitter, heute X. Der Erfolg von Truth Social hält sich bislang aber in Grenzen: Auf X hatte Trump mehr als 87 Millionen Follower, auf Truth Social sind es weniger als 7 Millionen.

Kurseinbruch mit Ansage

Den Kurseinbruch ausgelöst hatte der Antrag von TMTG bei der US-Wertpapieraufsicht SEC, dass Millionen Aktien verkauft werden sollen. Darunter befinden sich auch viele, die Donald Trump beim Börsendebüt von TMTG erhalten hatte. Ein Teil der Verkäufe soll für die Ausübung von Warrants eingesetzt werden. Diese Anlagevehikel erlauben es Investoren, eine Aktie zu einem festgelegten Preis zu erwerben.

Die für den Weiterverkauf bestimmten Aktien entsprechen fast dem Dreifachen des öffentlich zugänglichen Kapitals der Gesellschaft, was den Wert der TMTG-Aktien stark mindert. Wobei die Kursentwicklung hauptsächlich die herrschende Stimmung unter Trump-Anhängern zum Ausdruck bringt und von Leerverkäufern bestimmt wird, die auf einen fallenden Aktienkurs spekulieren.

TMTG kam durch den Zusammenschluss mit einer bereits kotierten Mantelgesellschaft an die Börse, über eine sogenannte Spac-Transaktion. Dass daraufhin Aktien verkauft werden, ist ein normaler Vorgang. Ungewöhnlich ist jedoch, dass es zu einem Spac-Deal gekommen ist. Diese Deals gelten als Finanzkonstrukte aus der Ära niedriger Zinsen. Gemäss Daten von Dealogic gab es im Jahr 2021 in den USA mehr als 600 solcher Transaktionen, im laufenden Jahr waren es bloss sechs.

Reibach im September?

Trump hat bisher keine Aktien verkauft, doch schon die Absicht genügte, um den Kursrutsch auszulösen. Seine Aktien unterliegen einer Sperrfrist, die bis Ende September läuft. Um Anteile vorher zu verkaufen, müsste er eine Spezialbewilligung beim Verwaltungsrat von TMTG einholen. Dieser ist ihm zwar treu ergeben, doch Trump hat ein Interesse, den Aktienkurs nicht noch mehr unter Druck zu setzen.

Denn er könnte 36 Millionen weitere Aktien über die kommenden drei Jahre bekommen. Dafür muss aber der durchschnittliche Aktienkurs innerhalb eines 30-Tage-Zeitraums mehrheitlich bei mindestens 12.50 Dollar gehandelt werden – noch liegt der Kurs deutlich über dieser Schwelle.

Doch die Kursentwicklung von TMTG ist sehr volatil. Verkaufsabsichten werden weitere Kursausschläge auslösen. Das Problem ist, dass sowohl Trump wie auch TMTG dringend Geld brauchen. Das Unternehmen teilte unlängst mit, dass es «nicht über die notwendigen finanziellen Mittel verfügt, um den Betrieb über einen angemessenen Zeitraum aufrechtzuerhalten».

Truth Social steht finanziell also am Abgrund. Nur ein siegreicher Trump im September wäre ein Befreiungsschlag für das Unternehmen; etwa wenn er als neuer Präsident Truth Social als bevorzugten Kommunikationskanal nutzen sollte, so wie Twitter während seiner ersten Amtszeit.

Trump und Truth Social brauchen Geld

Auch Trump braucht dringend Geld. Er steckt zurzeit in vier Strafverfahren und einem zivilrechtlichen Betrugsverfahren, die hohe Kosten verursachen. Am Dienstag stand er in New York erneut vor Gericht, um sich wegen Zahlungen an den Pornostar Stormy Daniels zu verantworten. Er soll sie verschleiert haben, um ihr Schweigen wegen einer angeblichen Affäre im Vorfeld der Wahlen 2016 zu erkaufen.

Für Truth Social ist Trump grösstes Kapital und Risiko zugleich. So räumt TMTG in einem Dokument an die SEC ein: «Ein negativer Ausgang eines oder mehrerer Verfahren kann sich negativ auf TMTG auswirken.» Auch eine Pleite wegen des «Trump-Risikos» wird als realistisches Szenario beschrieben. So mussten in der Vergangenheit mehrere mit Trump verbundene Unternehmen wie das Casino Taj Mahal oder das Plaza Hotel Insolvenz anmelden.

Doch im Wahlkampf tickt die Uhr. Bis zur ersten Runde der US-Präsidentschaftswahlen sind es nur noch sieben Monate, und Trumps Wahlkampfkassen sind zu wenig gefüllt. Gemäss einer Auswertung der «FT» hat das Trump-Lager im ersten Quartal lediglich 90 Millionen Dollar eingesammelt und liegt abgeschlagen hinter Joe Bidens Kampagne, die 165 Millionen anziehen konnte. Zum Vergleich: Gemäss Daten von Open Secrets hat Biden bei der letzten Präsidentschaftswahl 1 Milliarde Dollar an Zuwendungen erhalten, Trump 775 Millionen – er verlor.

Wegen der Rechtsverfahren dürfte Trump in den kommenden Wochen nur eingeschränkt Einfluss auf den Wahlkampf nehmen können. In der Zwischenzeit können nur Trump-Anhänger und Kleinanleger das Schicksal der «Trump-Aktie» bestimmen. Gemäss dem TMTG-Chef Nunes hat das Unternehmen in den letzten Wochen mehr als 200 000 neue Anleger gewonnen. Wenn sie bereit sind, weiter Geld in Trump zu investieren und zu verlieren, wird auch Truth Social eine Zukunft haben.

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