Dienstag, Februar 25

Nach dem ersten Schock über den Putschversuch hat die Stimmung in der südkoreanischen Bevölkerung gedreht: Der suspendierte Präsident ist nun so beliebt wie lange nicht mehr. Wie ist das möglich?

Südkoreas suspendierter Präsident Yoon Suk Yeol hat aus seinem gescheiterten Putschversuch einen Popularitätscoup gemacht. Das zeigt sich am letzten Verhandlungstag in seinem Amtsenthebungsverfahren vor dem Verfassungsgericht.

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Während vor dem Gericht seine Anhänger demonstrierten, wiederholten seine Anwälte im Schlussplädoyer, warum Yoons Ausrufung des Kriegsrechts Anfang Dezember 2024 aus seiner Sicht rechtens war, wegen der Blockadepolitik der Opposition. Der Vertreter des Parlaments argumentierte hingegen, dass Yoon für diese Tat abgesetzt werden müsse. In etwa zwei Wochen folgt nun das Urteil.

Muss er gehen, droht ihm sogar in einem zusätzlichen Strafverfahren lebenslange Haft. Aber politisch hat er durch die Ausrufung des Kriegsrechts eine Popularitätswende ausgelöst, die noch extremer ist als bei seinem Vorbild als politisches Stehaufmännchen, dem US-Präsidenten Donald Trump. Die Zustimmungsrate von Yoon und seiner rechten People Power Party (PPP) hat sich von einem Rekordtief schnell erholt.

Die PPP kann sich sogar Hoffnungen auf einen Sieg bei den nächsten Präsidentschaftswahlen machen, mit möglicherweise heftigen Gegenreaktionen der Linken, die die Mehrheit im Parlament kontrolliert. Die Professorin Yun Jeong In warnt vor einer beispiellosen Konfrontation und wachsenden Polarisierung im Land. «Das ist definitiv eine neue Herausforderung für die Demokratie in Südkorea», sagt die Leiterin des Instituts für Parteiendemokratie an der Korea-Universität.

Die Zahlen sprechen für sich. Zwar sind in einer Umfrage von Realmeter immer noch 52 Prozent der Meinung, Yoon solle seines Amtes enthoben werden, aber 45 Prozent sind dagegen. Auch seine Zustimmungswerte stiegen von 11 bis 16 Prozent nach der überraschenden Verhängung des Kriegsrechts auf Werte von über 30 oder gar 40 Prozent. So gut stand er nur kurz nach seinem knappen Wahlsieg 2022 da. Die Zustimmungswerte für seine konservative PPP lagen kürzlich sogar vor denjenigen für die Demokratische Partei.

Südkoreas Parteien setzen auf Konfrontation, nicht auf Kompromiss

Dieser Umschwung hat viele Experten überrascht. Zwar war das Land schon vorher in ein rechtes und ein linkes Lager gespalten. Yoon gewann das Präsidentenamt mit nur 0,7 Prozent Vorsprung vor seinem Gegenkandidaten Lee Jae Myung, der heute die Demokraten anführt. Aber viele Beobachter haben gehofft, dass die Parteien nach dem Schock des Kriegsrechts und der anschliessenden Suspendierung des Präsidenten durch das Parlament die Polarisierung der Politik abbauen würden. Das Gegenteil ist der Fall.

Die Demokratieforscherin Yun beobachtet sogar eine zunehmende Spaltung des Landes in Lager. Denn die Parteien setzen lieber auf Konfrontation als auf Kooperation in der Staatskrise. Frederic Spohr, Leiter des Korea-Büros der Friedrich-Naumann-Stiftung, sagt: «Die linken Demokraten haben den Bogen überspannt.»

Schon vor der Staatskrise hatte die Demokratische Partei viele Moderate verschreckt. Denn sie nutzte ihre grosse Mehrheit im Parlament, um die Regierung zu blockieren und mehr als zwei Dutzend Regierungsmitglieder ihrer Ämter zu entheben. Als sie nach der Suspendierung Yoons auch den Interimspräsidenten Han Duck Soo absetzte, begannen die Meinungsumfragen zu kippen.

Zudem ist der Spitzenkandidat Lee für viele nicht wählbar, denn er ist der Architekt der Blockadepolitik, gilt als links und steht bereits mit einem Bein im Gefängnis. Im ersten von einem Dutzend Verfahren wurde er bereits im Oktober 2024 wegen Falschaussage zu einer Haftstrafe auf Bewährung verurteilt. Verliert er das Berufungsverfahren vor den Präsidentschaftswahlen, dürfte er nicht mehr für ein öffentliches Amt kandidieren.

Der frühere PPP-Chef Han Dong Hoon, der sogar für die Amtsenthebung von Yoon stimmte, warnt in seinem kommenden Buch über die Staatskrise davor, dass Lee womöglich ebenfalls das Kriegsrecht ausrufen wolle.

Rechte rücken hinter Yoon zusammen

Derweil haben die Konservativen eine Lehre aus der Amtsenthebung von Präsidentin Park Geun Hye 2017 gezogen: Anders als damals wollen sie eine Spaltung der Konservativen vermeiden, um nicht wieder die Macht zu verlieren. Viele ihrer Unterstützer wollen zwar Yoon nicht mehr. Aber die Partei rückt dennoch wieder näher an Yoon heran, der sich als Held der Rechten positioniert und in der Wählergunst zugelegt hat.

Von Unrechtsbewusstsein keine Spur: Yoon entschuldigte sich zwar für das Chaos, rechtfertigte aber das Kriegsrecht als notwendige Massnahme, um die liberale Demokratie vor angeblichen Staatsfeinden, den Demokraten, zu schützen.

Yoon ist es mit dieser Strategie gelungen, seine erzkonservative Basis zu mobilisieren: Rechte Youtuber, evangelikale Kleriker und radikale junge Koreaner unterstützen ihn dabei mit Verschwörungstheorien und nachweislichen Falschmeldungen.

Für Yoon geht es tatsächlich um alles. Bis Mitte März will das Verfassungsgericht über seine Amtsenthebung entscheiden. Der politische Analyst Mitch Shin vom Institute for Peace and Diplomacy in Seoul erwartet seine Absetzung: «Angesichts der Zeugenaussagen von Generälen und hochrangigen Beamten, die von Yoon zu illegalen Handlungen angewiesen wurden, wird das Verfassungsgericht die Amtsenthebung höchstwahrscheinlich einstimmig bestätigen.» Nach weiteren 60 Tagen würde dann der neue Präsident gewählt. Shin vermutet, dass es trotz allen Problemen der Demokrat Lee sein wird.

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