Sonntag, März 30

Die sozialen Netzwerke sind zur eigenen Glorifizierung da. Das lässt sich die amerikanische Regierung nicht zweimal sagen.

Sollte einem entgangen sein, was Donald Trump in einer Woche vollbringt, folgt man dem Weissen Haus am besten in den sozialen Netzwerken. Die offiziellen Accounts auf X, Instagram, Facebook oder Tiktok sind eine Art Visitenkarte der Regierung.

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In einem rasant geschnittenen Clip fasst die Pressesprecherin Karoline Leawitt die «unglaublich geschäftige» vergangene Woche zusammen. Mehr Ausschaffungen illegaler Einwanderer, sinkende Eierpreise, Abschaffung des Bildungsdepartements, Heimkehr der Nasa-Astronauten, «die Biden im Stich gelassen hat». Die 27-Jährige lächelt nonstop und sagt, dies alles tue Trump «für euch», die Amerikaner.

«MAGA Minute», nennt sich dieser immer samstags gepostete Werbespot. Das «Signal-Gate» dürfte im nächsten Wochenrückblick fehlen, obwohl es in Washington das Ereignis der Woche ist: An einem Geheimchat von höchsten Sicherheitsberatern über Angriffspläne in Jemen nahm versehentlich auch der Chefredaktor des «Atlantic» teil. Die Sicherheitspanne wird von Trump als nebensächlich behandelt.

In seinen Beiträgen auf den diversen Plattformen schaut das Weisse Haus aber auch voraus. So kündigte Second Lady Usha Vance am Sonntag ihre Reise nach Grönland an, die sie diesen Freitag antreten wird. In einer Videobotschaft auf Instagram spricht Vance die Grönländer direkt an: Sie freue sich auf sie. Weisser Blazer, beiges Shirt, das Haar von grauen Strähnen durchzogen, als stimmte sie sich schon einmal auf den Trip in den Norden ein.

Sie werde sich mit ihrem Sohn ein Schlittenhunderennen anschauen, das von den USA gesponsert werde, teilt Vance mit. Sie werde dabei auch die jahrelange Zusammenarbeit und den gegenseitigen Respekt feiern. «Ich hoffe, dass unsere Beziehung noch stärker wird in den kommenden Jahren.»

«Bleiben Sie uns fern»

Wer fürchtet, dass kritische Stimmen in Trumps Amerika bald nicht mehr toleriert werden, den dürften die Kommentare aus dem In- und Ausland auf Usha Vances Video beruhigen. «Schamlos», heisst es da. «Bleiben Sie uns fern, Sie sind nicht willkommen.» «Warum gehen Sie nicht nach Alaska?» «Gegenseitiger Respekt? Ist das Ihr Ernst?»

Auch weitere Beiträge des Weissen Hauses lösen heftige Reaktionen aus. Vor ein paar Tagen postete die offizielle Regierungsstelle auf Facebook und Instagram ein Bild, das Donald Trump betend an seinem Pult im Oval Office zeigt, umringt von Glaubensführern aus dem ganzen Land, wie es in der Legende heisst. Alle haben die Augen geschlossen, die Köpfe gesenkt, mehrere Anwesende berühren Trumps Schulter.

Das Bild hat etwas dermassen Inszeniertes, dass der Spott nicht ausbleiben konnte. «Heuchler», kommentiert jemand. «Wahrscheinlich braucht es mehr als ein Gebet, vielleicht einen Exorzisten», schreibt ein anderer. «Ist das nicht der Mann, der die Hand bei seiner Vereidigung nicht auf die Bibel legte?» «Der Dude kann beten, wie er will, Satan wird sich diese Seele am Ende nehmen.» «Trennung von Kirche und Staat?»

Anfang Februar gründete Trump das «Büro für Glaubensfragen», das solche gemeinsamen Andachten organisiert. Diesem steht die evangelikale Predigerin Paula White vor, eine langjährige Beraterin von Trump. Trump sagte damals: «‹Gesegnet sind die Friedensstifter›, wie es in der Bibel heisst. Ich hoffe, dass mein grösstes Vermächtnis darin bestehen wird, als Friedensstifter und Einiger bekannt zu sein.»

Eine Portion Narzissmus ist normal

Der Internetauftritt von offiziellen Regierungsstellen ist in der Regel nüchtern gehalten, auch wenn er vor allem dem Zweck dient, die Regierenden und deren Arbeit zu preisen. Überall auf der Welt. Plattformen wie Facebook oder Instagram wurden erfunden, um sich im besten Licht darzustellen, ob als Privatperson oder als Repräsentant des Staates.

Während Trumps erster Amtszeit ging das Weisse Haus noch zurückhaltender vor, wie ein Blick in den archivierten Account des Weissen Hauses auf X zeigt. Auch damals wurde zwar alles geteilt, was dem Präsidenten schmeichelte. Der Ton war jedoch weniger aggressiv und trotz vielen Grossbuchstaben nie so selbstherrlich. Oder, je nach Perspektive, so hart an der Grenze zur Geschmacklosigkeit.

Kürzlich gab ein Bild von Trump zu reden, das ihn mit einer goldenen Krone auf einem gefälschten Titelblatt des «Time»-Magazins zeigte. Das Weisse Haus postete es auf X mit den Worten: «DIE CITY-MAUT IST TOT. Manhattan und ganz New York sind GERETTET. LANG LEBE DER KÖNIG!» Das Weisse Haus spielte damit auf die Absicht der Trump-Regierung an, die Staugebühr in New York abzuschaffen. Selbst in konservativen Kreisen kam die Selbstinthronisierung nicht gut an.

Abschreckung und Propaganda

Ein neues Genre hat das Weisse Haus in Ausschaffungsvideos von illegalen Einwanderern, Kriminellen und «Terroristen» entdeckt, die es regelmässig veröffentlicht. Während bereits die Triebwerke laufen, legen bewaffnete Beamte Metallketten auf dem Boden aus. Schnitt. Sie fesseln damit die Gefangenen an Händen und Füssen. Schnitt. Eine geduckte Gestalt schleppt sich die Flugzeugtreppe hoch.

Die Ausschaffungen werden als «ASMR»-Erfahrung bezeichnet. ASMR ist die Abkürzung für ein entspanntes, beruhigendes Gefühl, das sich als Kribbeln im ganzen Körper ausbreitet (auf Englisch: Autonomous Sensory Meridian Response). Bewirkt wird es durch Flüstern, Knistern, leise Musik. Hier sollen den wohligen Schauder die klirrenden Ketten der Abgeschobenen auslösen, so die zynische Botschaft.

Die eigentliche Aussage der Videos ist klar: Abschreckung. Sie dienen aber auch PR-Zwecken. Der Staat greift mit nötiger Härte durch. Die Ausschaffungen werden als ästhetisiertes Spektakel präsentiert – und die Gefangenen vorgeführt, wie es an Inszenierungen in autoritären Staaten erinnert.

Ein anderes durchchoreografiertes Video wird mit dem Song «Closing Time» der Band Semisonic unterlegt. Es zeigt die Rückführung mutmasslich venezolanischer Gang-Mitglieder in ein Hochsicherheitsgefängnis in El Salvador. Trump postete es auch auf seinem persönlichen Account mit dem Kommentar «Monster».

Die Sprecherin Karoline Leavitt sprach von «lustigen Videos», denen illegale Einwanderer entgehen könnten, indem sie sich selber ausschaffen würden. Sie bewarb so eine neue App zur «Selbst-Deportation».

Politik als Reality-Show

Man kann in den Auftritten des Weissen Hauses in den sozialen Netzwerken die Fortsetzung der Polit-Show sehen, die Trump in den bisherigen neun Wochen geboten hat. Sie sind nur fragmentierter und verdichtet, aus der Realität wird «gutes Fernsehen» gemacht. Was davon Provokation ist, um die Gegner zu reizen, ist schwer zu sagen.

Es bleiben einem die Tiervideos, die das Weisse Haus hin und wieder teilt. Wie jenes von dem Bären, der nach dem Winterschlaf hungrig aus seiner Höhle kommt und seine Zähne zeigt. Sieht drollig aus, aber schon ist man versucht, auch darin eine Drohung zu sehen.

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