Die Nähe von Donald Trump und Elon Musk zeigt, wie wichtig Technologie für die amerikanische Machtpolitik ist. Drei Szenarien der Bedrohung.
Es ist ein Symbol für die Macht Trumps. Anfang Januar trat Mark Zuckerberg vor die Kamera und erklärte gut fünf Minuten lang die Kehrtwende seiner Firma Meta. Auf den Plattformen Facebook und Instagram würden die Moderation der Inhalte angepasst und Faktenchecker abgeschafft.
Die Ankündigung löste Diskussionen über den Sinn von Faktenprüfungen, über «free speech» und Desinformation aus. Die Bedeutung des Auftritts geht jedoch weit über die organisatorischen Änderungen bei Meta hinaus. Zuckerberg unterwirft sich im Video der Politik des neuen Präsidenten Donald Trump – noch bevor dieser sein Amt angetreten hatte.
Der Meta-Chef ist nicht der Einzige. Die amerikanischen Tech-Konzerne suchen seit Wochen offensiv die Nähe zum neuen Machthaber im Weissen Haus. Diese Entwicklung birgt Risiken – für die USA und die gesamte westliche Welt.
Dass Technologien unpolitisch sind, war schon immer eine Mär. Doch die Verbindungen der grossen Konzerne zur amerikanischen Regierung haben eine neue Qualität erreicht.
«NZZ Pro» – geopolitische Einordnung im Überblick
Kurzgefasst: Die amerikanischen Tech-Konzerne suchen die Nähe zu Trump. Gepaart mit der Machtpolitik des US-Präsidenten ist das ein Risiko für die Sicherheit im Cyberraum.
Geopolitische Einschätzung: Europa ist stark von amerikanischer Software und Technologie abhängig. Das ermöglicht Trump, Technologie als Druckmittel einzusetzen.
Blick voraus: Ziehen sich die USA aus internationalen Kooperationen zur Cybersicherheit zurück und gehen auf sozialen Plattformen nicht gegen ausländische Einflussnahme vor, könnten davon autoritäre Staaten wie Russland oder China profitieren.
Bereits im letzten Jahr hatte sich der Milliardär Elon Musk mit Spenden von mindestens 250 Millionen Dollar in Trumps Wahlkampf eingekauft. Heute ist der Chef von Tesla, SpaceX und der Plattform X ein enger Berater des Präsidenten mit weitreichenden Befugnissen und prominenten Auftritten an Trumps Seite. Der Amazon-Chef Jeff Bezos verhinderte im Herbst in der «Washington Post», die ihm gehört, eine Wahlempfehlung der Redaktion.
Die neue Innigkeit zwischen den Tech-Firmen und der Trump-Politik zeigte sich an der Inaugurationsfeier am 20. Januar. Auf prominenten Plätzen, direkt hinter den Familienangehörigen Trumps, sassen die Chefs von Amazon, Google, Meta und Apple – und natürlich Musk.
Die engen Bande wecken Befürchtungen, in den USA könnte eine neue Epoche des «crony capitalism» beginnen, also eine Zeit, in der Wirtschaftsführer ihre Verbindungen zur Politik dazu nutzen, um sich wirtschaftliche Vorteile zu verschaffen. Diese Gefahr besteht insbesondere bei Elon Musk, dessen Firma Space X auch Aufträge der amerikanischen Regierung erhält.
Besonders heikel wird die Nähe der Tech-Giganten zu Trump jedoch gepaart mit dessen Politik.
Der amerikanische Präsident verfolgt eine konsequente Geopolitik der Stärke. Die Interessen der USA gehen über alles. Selbst Kooperationen mit traditionellen Verbündeten wie Grossbritannien oder Deutschland drohen zu zerbrechen.
Trump könnte mit seiner Politik die bisherige westliche Wertegemeinschaft zerstören und die regelbasierte Weltordnung weiter schwächen. Eine solche Entwicklung ist besonders im technologischen Bereich gefährlich. Dort sind die Vernetzung und die weltweiten Abhängigkeiten gross.
Die folgenden drei Szenarien zeigen, wie Trumps Politik die Technologie beeinflussen oder gar instrumentalisieren könnte und welche Gefahren dies für Europa und den Rest der Welt mit sich bringen würde.
Szenario 1: Technologie als aussenpolitisches Druckmittel
Im Handelskrieg mit China spielt Technologie seit Jahren eine wichtige Rolle. Die USA haben Exportbeschränkungen für Chips erlassen, und chinesische Technologie zum Beispiel von Huawei aus ihren Telekomnetzen verbannt. Künftig sind Möglichkeiten der Eskalation denkbar: Die USA könnten Beschränkungen auch für westliche Staaten erlassen und diese auf Online-Dienste ausdehnen.
Europa ist heute von zahlreichen Diensten der amerikanischen Tech-Unternehmen abhängig: E-Mail-Lösungen, Cloud-Dienstleistungen oder KI-Anwendungen. Der Trend geht seit Jahren dahin, Applikationen «as a service» zu beziehen, also aus der Cloud. Als Folge davon nutzen Unternehmen und Behörden zunehmend Dienstleistungen, die in den Rechenzentren von Anbietern wie Google, Microsoft oder Amazon laufen und nicht mehr auf eigenen Servern. Das gibt den Tech-Firmen grössere Macht.
Trump könnte diese Dienste sperren – je nach politischer Absicht für bestimmte Länder oder einzelne Firmen. Bisher hat er vor allem mit der Einführung von Zöllen gedroht, um seine Ziele zu erreichen. Doch bei Dienstleistungen funktioniert das nicht. Andere Druckmittel sind nötig. Der Zugang zu amerikanischen Online-Diensten wäre ein solches Instrument, zu dem ein erzürnter Trump greifen könnte.
Das Risiko der technologischen Abhängigkeit Europas wird unter Trump nochmals deutlich grösser.
Szenario 2: Alleingang der USA erleichtert Cyberangriffe
Stärke alleine zählt im Cyberraum wenig. Um Cyberangriffe effektiv abwehren zu können, braucht es Wissen, Kreativität und Kooperationen. Die USA haben in den letzten Jahren erkannt, dass es für IT-Sicherheit Partner braucht – und sie haben ihre Strategien entsprechend angepasst.
Doch das könnte sich ändern. Ein mögliches Szenario ist, dass Trump auch im Bereich Cybersicherheit auf den Ansatz «America First» setzt und internationale Kooperationen zurückfährt. Unter der Präsidentschaft Biden hat das militärische Cyberkommando immer wieder Partnerstaaten im Kampf gegen Cyberangriffe unterstützt. Amerikanische Cybersicherheitsfirmen sind seit Jahren in der Ukraine aktiv und leisten dort wichtige Hilfe.
Dieses Engagement könnte Trump zurückfahren oder gar einstellen. Die amerikanischen Behörden könnten aufhören, Informationen über das Vorgehen der Angreifer mit ihren Partnern zu teilen. Denkbar ist auch, dass die Verwaltung sogar IT-Sicherheits-Firmen anweist, ihre Erkenntnisse über Schwachstellen zurückzuhalten, damit Geheimdienste diese für eigene Angriffe verwenden können.
Die USA engagieren sich derzeit stark bei der Bekämpfung krimineller Ransomware-Angriffe. Wie die Aktivitäten hier künftig aussehen werden, ist unklar. In einem schlechten Szenario wird Trump sich mit Putin darauf einigen, dass kriminelle Banden die USA von ihren Cyberangriffen verschonen sollen. Für den Rest der Welt brächte das eine Verschlechterung. Denn heute tragen amerikanische Ermittler in international koordinierten Aktionen wesentlich dazu bei, dass cyberkriminelle Strukturen zerschlagen werden können.
Ziehen sich die USA von internationalen Aktivitäten zurück, schadet das der Cybersicherheit weltweit. In einem solchen Szenario würde der internationale Informationsaustausch zurückgehen. Die autokratischen Staaten Russland, China, Iran und Nordkorea könnten ihre Cyberoperationen ungehinderter durchführen können.
Szenario 3: Die USA ermöglichen ausländische Desinformation
Auf den sozialen Plattformen ist bereits ein Trend absehbar: keine Faktenprüfungen und weniger Moderation der Inhalte. Damit folgen die Tech-Konzerne Donald Trump, der die Fakten selbst nicht besonders hoch gewichtet. Das neue Vorgehen verkaufen sie als «Free Speech».
Wenn die amerikanischen Plattformen ihre Moderation zurückfahren, leidet darunter der Kampf gegen ausländische Beeinflussungsoperationen. Bereits heute sind insbesondere russische Akteure aktiv daran, polarisierende Narrative und Falschinformationen zu verbreiten.
Wohin eine reduzierte Moderation der Inhalte führen kann, zeigt sich auf der Plattform X, die Musk gehört. Laut einer russischen Desinformations-Firma ist X «die einzige Plattform, die derzeit nützlich ist».
Die Plattformen spielen eine wichtige Rolle dabei, ausländische Kampagnen zur Einflussnahme zu entdecken und zu stören. Ohne deren Hilfe wird der Kampf gegen Desinformation schwierig.
Zusätzlich werden wohl auch die amerikanischen Nachrichtendienste ihre Aktionen zur Enttarnung ausländischer Einflussnahme – wie sie es im letzten Herbst noch erfolgreich gemacht hatten – zurückfahren. Die neue Geheimdienstkoordinatorin verbreitet selbst falsche russische Narrative. Die westlichen Staaten würden den amerikanischen Behörden und ihren Einschätzungen künftig nicht mehr vertrauen.
In einem solchen Szenario nehmen Desinformation und ausländische Einflussnahme auf den sozialen Plattformen zu. Polarisierende Strömungen in Europa würden zusätzlichen Auftrieb erhalten. Das Vertrauen der Bevölkerung in die demokratischen Institutionen und in die Politik könnte weiter schwinden.
Die Demokratien würden insgesamt geschwächt. Autoritäre Staaten wie Russland und China könnten ihren weltweiten Einfluss ausbauen.
Fazit: Europa kommt technologisch unter Druck
Die Ära Trump 2.0 beschleunigt den Zerfall der liberalen Weltordnung. Die Konfrontation zwischen den demokratischen Staaten und den Autokratien verschärft sich. Es ist zu befürchten, dass die USA nicht mehr die Rolle des zentralen Pfeilers im demokratischen Lager einnehmen wollen.
Diese Entwicklung ist für Europa eine Herausforderung: politisch, militärisch, aber auch technologisch. Das zeigen die drei Szenarien. Technologie wird im Konflikt zwischen Demokratien und Autokratien eine zentrale Rolle spielen. Und Europa kann sich künftig nicht mehr auf die USA verlassen.