Ob Politik, Sport oder Kultur: Die sozialen Netzwerke kommentieren das Weltgeschehen. Ein Jahresrückblick in Memes.
Die sozialen Netzwerke verwerten alles. Aussagen von Politikerinnen und Politikern, Momente aus der Pop-Kultur, Bilder von Naturkatastrophen. Meist dauert es nur wenige Minuten, bis eine Nachricht online analysiert, interpretiert, ironisiert wird. Die sozialen Netzwerke als Live-Ticker des Weltgeschehens.
Es gibt Memes, die nach ein paar Stunden verschwunden sind. Und andere, die überdauern. Über Wochen oder Monate schwirren sie durch Social Media. Menschen posten, teilen, bearbeiten sie – bis sie losgelöst von der Nachricht funktionieren. Besonders erfolgreiche Memes finden den Weg zurück in die Offline-Welt, man findet sie auf Postern, T-Shirts, Tassen.
Im Jahr 2024 sind fünf Memes besonders aufgefallen:
Donald Trump und die Faust
Es ist wohl eines der bedeutendsten Bilder des Jahres: Donald Trump mit erhobener Faust, Blutspuren im Gesicht, offenem Mund. Das Bild entstand auf der Wahlveranstaltung Mitte Juli in Pennsylvania, unmittelbar nachdem ein Mann auf den ehemaligen Präsidenten geschossen hatte. Trump stand unmittelbar wieder auf, reckte die Faust in die Luft und rief: «Kämpft, kämpft, kämpft!»
Der preisgekrönte Journalist Evan Vucci von der Nachrichtenagentur Associated Press hat es gemacht. Er stand in der Medienzone, unmittelbar vor der Bühne, als der Attentäter schoss. In den Medien wurde das Bild ausgiebig diskutiert, die «New York Times» bezeichnete es als perfekt komponiertes Bild einer historischen Nachricht.
Auf Social Media wurde das Bild millionenfach geteilt und zum Meme verarbeitet. Trumps Wahlkampfteam erfasste sofort die Symbolkraft dieses Bildes. Sie druckten es auf Sticker, Tassen, T-Shirts. Der Höhepunkt dieser Episode: Am Parteitag der Republikaner trugen Dutzende Trump-Anhänger ein weisses Pflaster am rechten Ohr – genauso wie ihr Präsidentschaftskandidat nach dem Attentat.
Moo Deng, das Zwergflusspferd
Manchmal haben Memes wenig mit einer Nachricht und viel mit einem Gefühl zu tun. So ist es bei Moo Deng, dem Zwergflusspferd. Moo Deng kam Anfang Juli in einem Zoo ausserhalb von Bangkok zur Welt und wurde unverzüglich zum Social-Media-Star. Weil es so entzückend ist.
Moo Deng bedeutet auf Thailändisch «hüpfendes Schwein» oder auch «knackiges Fleischbällchen», Letzteres ist eine Art Kosename. Bilder, Videos, Collagen dieses kleinen Säugetiers überfluteten die sozialen Netzwerke. Plötzlich war Moo Deng auf Album-Covern, am Bein von Beyoncé, auf Wahlplakaten.
Und das Tier schaffte es vom Zoo ins Internet und wieder zurück ins echte Leben: Menschen haben sich Bilder des Zwergflusspferds tätowiert, es gibt T-Shirts, Kissen, Kinderbücher. Moo Deng wurde auf Social Media und darüber hinaus zur guten Nachricht des Jahres.
Kamala Harris und der «Brat»-Trend
Grün war schon immer die Farbe der Hoffnung. Als US-Präsident Joe Biden sich im Juli nach einem katastrophalen Auftritt in einer TV-Debatte mit Donald Trump aus dem Rennen um das Weisse Haus nahm, rückte die Vizepräsidentin Kamala Harris in den Fokus. In den Umfragen schloss sie rasch zu Trump auf – und in den sozialen Netzwerken versammelte sich eine frische, grüne Bewegung um sie.
Es begann mit einem Beitrag der britischen Sängerin Charli XCX auf der Plattform X. Sie schrieb dort: «kamala IS brat». Brat, auf Deutsch Göre, ist der Name ihres im Sommer erschienenen Albums. Der Begriff steht für einen selbstbestimmten, imperfekten Lebensstil. Oder wie Charli XCX es ausdrückt: Eine Brat sei chaotisch, ehrlich, unverblümt und ein wenig volatil.
Die Farbe des Brat-Albums ist ein knalliges Grün. Reihenweise legten Nutzerinnen und Nutzer grüne Filter über Auftritte von Kamala Harris, in denen sie tanzt, lacht, eine Rede hält. Brat wurde zu einem Symbol der Zuversicht für junge Frauen auf Social Media, die auf einen Wahlsieg von Kamala Harris hofften.
Raygun, die bekannteste Breakdancerin
Null Punkte im Wettbewerb, die volle Punktzahl im Internet. Dieses Kunststück schaffte Rachael «Raygun» Gunn dieses Jahr an den Olympischen Spielen in Paris. Zum ersten Mal war Breakdance eine olympische Disziplin. Raygun, 36 Jahre alt und eigentlich Kunstprofessorin, nahm für Australien teil.
In einer Känguru-Pose hopste sie über die olympische Bühne. Für den Auftritt wurde sie von Sportkommentatoren verhöhnt und verspottet. Einige dankten Raygun ironisch für den Beweis, dass es wirklich jeder an die Olympischen Spiele schaffe. Die Breakdance-Gemeinschaft nervte sich, dass ihr Sport so schlecht wegkam.
Doch im Internet ist Raygun zum Meme-Star des Jahres geworden. Raygun wurde als Dinosaurier in Szenen aus «Jurassic Park» eingesetzt oder als Zombie-Tänzerin an der Seite von Michael Jackson im Video zu «Thriller». Ein NFL-Spieler ahmte gar ihren Tanz nach, um in einem Spiel einen Touchdown zu feiern.
Elon Musk und der Sprung
Im Oktober kehrte Donald Trump für einen Wahlkampfauftritt an den Ort des versuchten Attentats in Butler im Gliedstaat Pennsylvania zurück. Und erneut entstand Material für virale Bilder, wenn auch auf völlig andere Weise. Diesmal war es der Trump-Unterstützer und Tech-Milliardär Elon Musk, der die Pose lieferte. Musk sprang auf der Bühne in die Höhe, riss die Arme in die Luft. Es schien, als meinte er sich an einem Konzert statt an einer politischen Veranstaltung.
Auf X, der Social-Media-Plattform von Musk, machten Bilder des Sprungs und Adaptionen davon sofort die Runde. Trump-Unterstützer sahen darin eine authentische Freude und Begeisterung für ihre «Make America Great Again»-Bewegung. Andere fanden, Musk erinnere an einen Charakter in einem Videospiel oder an ein Kind, das eigentlich schon lange ins Bett gehörte.
Auf Threads, einer Plattform des Meta-Konzerns, montierte ein Nutzer den springenden Musk in ikonische Filmszenen. In «Dirty Dancing» macht Musk die berühmte Hebefigur, in «Shining» springt er durch das verlassene Hotel, und in «Jurassic Park» rennt er einem Dinosaurier davon. Dafür sorgen, dass man im Gespräch bleibt: Das kann Elon Musk.