Montag, Februar 3

Stan Wayman / Life / Imago

Der Kanal hat seit seinem Bau immer wieder zu Konflikten zwischen Panama und den USA Anlass gegeben. Die Amerikaner gehen nicht erst seit Präsident Trump unzimperlich vor.

Seit seiner Wiederwahl hat Präsident Trump wiederholt erklärt, er werde den Panamakanal für die Amerikaner zurückholen. Die Wasserstrasse war von ihnen 1999 an den zentralamerikanischen Staat übergeben worden. Trump begründet seine Forderung mit überhöhten Gebühren für amerikanische Schiffe und dem Einfluss Chinas auf den Kanal. Die USA haben ihre Interessen dort schon früher unzimperlich durchgesetzt.

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Ein zweifelhafter Vertrag gibt den USA «ewige» Souveränität

1881 begann der Erbauer des Suezkanals, Ferdinand de Lesseps, mit Bauarbeiten für eine Wasserstrasse vom Atlantik zum Pazifik durch die Landenge von Panama. Es schwebte ihm ein Durchbruch auf Meereshöhe vor. Dies gestaltete sich aber schwierig. 1889 machte das französische Unternehmen deshalb Konkurs.

Panama war seit der Unabhängigkeit von Spanien zu Beginn des 19. Jahrhunderts ein Teil von Kolumbien. Allerdings war es vom Rest des Landes durch den undurchdringlichen Darién-Urwald abgeschnitten und nur über den Seeweg zu erreichen. Die schlechte Anbindung befeuerte immer wieder sezessionistische Bestrebungen.

Strassenszene mit Güterbahnhof in der Stadt Colón am Ausgang des Kanals zum Atlantik (links). Handarbeit war immer noch wichtig beim Kanalbau: spanische Arbeiter im Jahr 1909 (rechts).

Nach dem Konkurs von de Lesseps begannen sich die USA für den Kanalbau zu interessieren. 1903 drängten sie Kolumbien zu einem Vertrag über die Kanalzone, doch das Parlament lehnte ab. In der Folge unterstützten die Amerikaner – unter anderem mit ihrer Flotte – eine Sezessionsbewegung in Panama, welche am 3. November 1903 die Unabhängigkeit von Kolumbien ausrief. Wenige Tage später erkannten sie als erstes Land den neuen Staat an.

In einer Nacht-und-Nebel-Aktion unterzeichneten die USA darauf in Washington am 18. November mit einem französischen Abgesandten der panamaischen Rebellen, Philippe-Jean Bunau-Varilla, einen neuen Vertrag. Dieser übertrug den Amerikanern «auf ewig» die Souveränität über einen zehn Meilen breiten Streifen in der Kanalzone für eine einmalige Zahlung von 10 Millionen Dollar und eine jährliche Miete von 250 000 Dollar.

Bunau-Varilla vertrat zugleich die Nachfolgegesellschaft von de Lesseps und verkaufte deren Vermögenswerte für 40 Millionen Dollar an die USA. Der Vertrag wurde nur wenige Stunden vor der Ankunft einer panamaischen Delegation in Washington überstürzt unterzeichnet. Panamas Regierung protestierte dagegen, akzeptierte den Vertrag aber schliesslich aus Angst, die USA könnten sich die Kanalzone sonst ohne Entschädigung nehmen.

Der Kanalbau ermöglicht den USA den Aufstieg zur Weltmacht

Die Wasserstrasse wurde von den Amerikanern in rund zehn Jahren Bauzeit fertiggestellt. Anders als in den Plänen von de Lesseps vorgesehen, überwand sie nun mit einem Schleusensystem eine Höhe von 26 Metern. 1914 konnte der erste Dampfer die Wasserstrasse passieren. Der Kanal war eine technische und logistische Meisterleistung und ein eindrücklicher Nachweis der wirtschaftlichen Potenz der USA.

Für das zivile und militärische Personal mussten Städte für über 80 000 Personen aus dem Boden gestampft werden. Der Bau im unwirtlichen Klima kostete zahlreiche Menschenleben. Fast 28 000 Personen wurden von Malaria oder Gelbfieber dahingerafft oder fielen Unfällen zum Opfer – der grösste Teil von ihnen allerdings noch unter der Ägide von de Lesseps.

Insgesamt gaben die Amerikaner damals 352 Millionen Dollar für den Bau der Wasserstrasse aus. Sie stiegen mit ihr endgültig zur Weltmacht auf. Der Kanal ermöglichte der amerikanischen Marine weltweite Einsätze. Sie konnte nun wesentlich einfacher Flotteneinheiten vom Pazifik in den Atlantik verschieben. Während des Zweiten Weltkriegs beispielsweise gab es rund 16 000 Durchfahrten von amerikanischen Kriegsschiffen.

Panama wendet sich gegen die amerikanische Oberhoheit

Von Anfang an sorgte die amerikanische Kontrolle über die Kanalzone aber für Konflikte zwischen Panama und den USA. Die Zone wurde zu einem rassisch und sozial vom restlichen Panama abgetrennten Gebiet. Die Spannungen erreichten im Januar 1964 ihren Höhepunkt, als Studenten dort neben der amerikanischen die panamaische Flagge hissen wollten. Als bei Auseinandersetzungen mit Polizisten der Kanalzone die Flagge zerrissen wurde, brachen Unruhen aus. Weil die Polizei überfordert war, wurden Einheiten der US-Army beigezogen, um die Unruhen zu unterdrücken. Bei dreitägigen Kämpfen wurden über zwanzig Panamaer und vier amerikanische Soldaten getötet.

Panama brach seine diplomatischen Beziehungen zu den USA ab und erklärte, dass es diese nur wieder aufnehmen werde, wenn Washington bereit sei, über einen neuen Vertrag zum Kanal zu verhandeln. Ein Jahr später wurden die Beziehungen wieder hergestellt und Verhandlungen aufgenommen. Diese führten jedoch zunächst nicht zum Ziel. In den 1970er Jahren machte Henry Kissinger, der Aussenminister des republikanischen Präsidenten Gerald Ford, einen neuen Anlauf. bei seinem Amtsantritt 1977 erklärte Präsident Carter darauf eine Einigung mit Panama zur Priorität.

Präsident Carter übergibt den Kanal an Panama

Am 7. September 1977 unterschrieben Jimmy Carter und der panamaische Machthaber Omar Torrijos zwei neue Verträge, die eine schrittweise Übergabe der Kanalzone bis Ende 1999 regelten. Gleichzeitig sicherten sich die USA das dauerhafte Recht, den Kanal wenn nötig militärisch vor jeder Bedrohung zu schützen, welche die Aufrechterhaltung der freien Durchfahrt für Schiffe aller Nationen beeinträchtigen könnte.

Die Verträge legen auch fest, dass alle Nationen bezüglich Durchfahrtsgebühren gleich zu behandeln sind. Die von Trump verlangte Gebührensenkung für die USA wäre damit eine Verletzung des Vertrages.

Die Verträge wurden in Panama durch eine Volksabstimmung und im amerikanischen Senat mit 68 zu 32 Stimmen bestätigt. Auch Gerald Ford und Henry Kissinger unterstützten sie. Konservative Kreise in den USA konnten sich aber nie damit abfinden. Trotzdem wurde am 31. Dezember 1999 die Souveränität vollständig an Panama übergeben. Die USA traten damit auch 1500 Quadratkilometer Land und rund 7000 Gebäude an das zentralamerikanische Land ab.

Präsident Carter und General Omar Torrijos nach der Unterzeichnung der Verträge am 7. September 1977 (links). Panamaische Soldaten hissen die Flagge ihres Landes nach der Übergabe des amerikanischen Fort Amador 1996 (rechts).

Amerikanische Invasion zum Sturz von General Noriega

Noch während der schrittweisen Rückgabe der Kanalzone griffen die USA 1989 militärisch in Panama ein. General Manuel Noriega, seit 1983 de facto Machthaber, war lange ein Verbündeter der USA und CIA-Informant. Doch als seine Verstrickung in Drogenschmuggel und Geldwäscherei bekanntwurde und er sich dem Sowjetblock annäherte, kippte das Verhältnis. 1988 klagten die USA ihn wegen Drogenhandels an. Der Konflikt eskalierte weiter, als er die Präsidentschaftswahlen im Mai 1989 manipulierte. Der Tod eines amerikanischen Soldaten an einer Strassensperre von Panamas Armee diente Washington schliesslich als Vorwand für die Invasion.

Am 20. Dezember 1989 drang eine Streitmacht von über 27 000 amerikanischen Soldaten in Panama ein. Dessen Armee wurde innert weniger Tage besiegt. Noriega flüchtete in die Botschaft des Vatikans und ergab sich schliesslich am 3. Januar. Er wurde in die USA geflogen und zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt. Laut dem Pentagon wurden bei der Invasion 314 panamaische Soldaten und 202 Zivilisten getötet, andere Quellen schätzen die Zahl der Opfer allerdings höher ein. Auf amerikanischer Seite kamen 23 Soldaten um.

Tausende von Panamaern feiern im Zentrum von Panama-Stadt am 3. Januar 1990 (links), nachdem sich General Manuel Antonio Noriega (in einem undatierten Foto rechts) ergeben hat.

Die Invasion war völkerrechtlich höchst umstritten. Nicht umsonst gaben ihr die USA aus propagandistischen Gründen den Namen «Gerechte Sache» (Just Cause). Die Organisation Amerikanischer Staaten, die Uno-Generalversammlung und das Europäische Parlament verurteilten sie als eine Verletzung des internationalen Rechts. In Umfragen unterstützte aber eine klare Mehrheit der Panamaer die Absetzung des unbeliebten Noriega. In der Folge wurde auch Panamas Armee abgeschafft.

Zunehmender chinesischer Einfluss

Präsident Trumps Argument, der Kanal gehöre den USA, weil sie diesen gebaut und finanziert hätten, hinkt nicht nur wegen der Übergabe an Panama durch die Verträge von 1977. Es blendet auch völlig aus, dass Panama die Wasserstrasse in Eigenregie zwischen 2007 und 2016 für Kosten von mehr als 5,2 Milliarden Dollar massiv ausgebaut hat. Die Schleusen der Wasserstrasse waren nämlich für die grössten Containerschiffe zu klein geworden.

Panama baute deshalb sowohl auf der pazifischen wie auf der atlantischen Seite eine neue Reihe von Schleusen mit wesentlich grösseren Kammern. Diese können nun Frachter mit über 12 000 Containern aufnehmen, was dreimal mehr ist als zuvor. Finanziert wurde der Ausbau mit Krediten internationaler Banken, wie etwa der European Investment Bank, der Inter-American Development Bank und der Japan Bank of International Cooperation.

Trumps Warnung vor Chinas Einfluss am Kanal hat einen realen Hintergrund. 2017 brach Panamas damaliger Präsident Juan Carlos Varela überraschend die Beziehungen zu Taiwan ab und erkannte Peking diplomatisch an. Seither wächst Chinas Einfluss kontinuierlich. Die wichtigsten Grossprojekte in Panama wurden von chinesischen Firmen umgesetzt. Zwei Häfen an beiden Enden der Wasserstrasse werden vom der Hongkonger Unternehmen CK Hutchison Holdings betrieben. Dieses muss gemäss dem chinesischen Sicherheitsgesetz für Hongkong von 2020 Befehle der chinesischen Regierung ausführen.

Angesichts der strategischen Bedeutung des Kanals hat das US Southern Command in den letzten Jahren wiederholt vor einer Bedrohung der nationalen Sicherheit durch China gewarnt. Dies auch, weil China sich als einzige Vetomacht im Uno-Sicherheitsrat weigert, das internationale Protokoll zu unterschreiben, welches die freie Schifffahrt im Kanal garantiert. Präsident José Raúl Mulino, der Panama seit Juli 2024 führt, ist allerdings durchaus amerikafreundlich. Er hat Washington etwa auch versprochen, dass er die Migrationsroute durch den Darién-Urwald schliessen werde. Doch Trump scheint dies nicht zu kümmern.

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