Der künftige US-Präsident will Russland, China und Iran mit Abkommen bezwingen. Doch das dient den Autokraten mehr, als es schadet.
Wenn es so etwas wie eine Signatur von Trumps weltpolitischem Ansatz gibt, dann ist es der Deal. In seiner ersten Amtszeit schwebte der Deal über allem: Mit Putin schien er in der Luft zu liegen, kam aber nicht zustande, wohl auch, weil es erhebliche Widerstände in der US-Regierung gab; mit China kam er zustande, entfaltete aber nicht die erhoffte Wirkung, China kaufte nicht wie versprochen zusätzliche amerikanische Güter im Wert von 200 Milliarden Dollar.
Am spektakulärsten verfolgte Trump den Deal-Ansatz im Verhältnis mit dem nordkoreanischen Diktator Kim Jong Un. Mit ihm traf sich Trump im Juni 2019 sogar persönlich an der innerkoreanischen Grenzlinie, anschliessend sandte man sich freundliche Briefe, in denen man sich Zuneigung bekundete. Doch auch hier kam der erhoffte Durchbruch nicht zustande.
Trump dürfte in seiner zweiten Amtszeit wieder auf den Deal setzen. Der Autor des Buches «Die Kunst des Deals», publiziert 1987, sieht Weltpolitik als das Ringen zwischen grossen, mächtigen Machos, die einander drohen, die sich aber letztlich zusammensetzen und ihre Spannungen mit einem Abkommen überwinden. Sich selbst hält Trump für den grossen Meister der Kunst, die verschiedenen Interessen unter einen Hut zu bringen und mit einer Win-win-Lösung den Konflikt aufzuheben – der Kunst des Deals.
In seiner zweiten Amtszeit will Trump «durchregieren», sich nicht mehr aufhalten lassen durch Bedenken von Mitarbeitern, die mit dem Kurs des Chefs nicht übereinstimmen und ihn behindern, wo sie nur können. Deshalb sammelt er ein Team von Loyalisten um sich, in der Hoffnung, sein Programm und seine Vision umsetzen zu können – und erfolgreiche Deals abzuschliessen. Für ihn ist es das Kriterium des Erfolges.
Krieg in der Ukraine beenden
Im Vordergrund steht zunächst der Deal mit Russland. Trump ist wie Obama und Biden ein Antikriegspräsident. Der Wahlerfolg von allen dreien ist auch eine Antwort auf die mittlerweile allgemein als Irrweg angesehenen Kriege der Ära George W. Bush.
Trump will zwar ein starkes Militär, und er schätzt Mitarbeiter mit militärischer Erfahrung in seinem Umfeld – sein eigener Sicherheitsberater wird Michael Waltz sein, der 21 Jahre lang Soldat war. Zugleich aber ist der Einsatz des Militärs für Trump nur auf den Verteidigungsfall begrenzt. Aus kriegerischen Händeln will er sich sonst heraushalten.
Für Trump ist der Krieg in der Ukraine ein vermeidbarer Krieg. Er macht öffentlich Biden dafür verantwortlich, der durch den Eindruck von Schwäche Russland dazu provoziert habe. Als starker Anführer, als der Trump sich sieht, will er den Krieg schnell beenden, und zwar mit einem Deal, den er persönlich mit Putin, einem anderen starken Anführer, aushandeln will.
Deals allüberall
Auch in Bezug auf die anderen Konfliktfelder wird Trump auf Deals setzen. Trumps Drohung, Importe aus China mit einem Zoll von 60 Prozent und mehr zu belegen, wird von vielen Beobachtern als Eröffnungszug in einem Nervenkrieg mit Peking gewertet, dessen Ziel es aber ist, einen grossen Deal abzuschliessen. Wie beim Auftritt von Boxern vor einem Match geht es erst einmal darum, die andere Seite zu beeindrucken und einzuschüchtern, um sie zu schwächen und gefügig zu machen.
Auch im Konflikt mit Iran steht der Deal im Vordergrund: «Wir müssen einen Deal abschliessen, weil die Konsequenzen unmöglich sind. Wir müssen einen Deal machen», sagte Trump im September. Die Taktik des maximalen Drucks zielt darauf, am Ende am Tisch zu sitzen und eine Vereinbarung hinzubekommen, die beiden Seiten Vorteile bringt.
Die Logik von Trumps Weltpolitik ist durch seine Erfahrung als Geschäftsmann geprägt.
Interessen kollidieren zunächst, aber im Gespräch lässt sich ein Weg finden, bei dem beide Seiten zurückstecken, weil die Kosten der Auseinandersetzung zu hoch wären. Im Dialog wird eine Formel entwickelt, mit der beide Seiten einen Teil ihrer Ansprüche und Wünsche realisieren können, so dass sie den Verhandlungstisch als Gewinner verlassen können. Wie diese Formel aussieht, hängt von der Machtbalance zwischen den Parteien ab, aber auch vom Geschick des Verhandlungsführers – der Kunst des Deals.
Russland und China bringen sich bereits in Position für Verhandlungen. Auf der einen Seite signalisieren sie Offenheit für Gespräche, auf der anderen Seite ziehen sie rote Linien.
Nicht verhandelbare Ziele
Putin hat kürzlich seine Gesprächsbereitschaft gegenüber Trump erklärt. Zugleich macht Moskau immer wieder deutlich, dass die Maximalziele für die Ukraine unverändert gelten: Russland will erhebliche Teile der Ukraine besetzen und die verbliebene Rumpfukraine so schwächen, dass sie weder prosperieren noch sich gegen einen erneuten russischen Angriff wehren kann.
Der chinesische Präsident hat jetzt «vier rote Linien», wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua vermeldet, gezogen: Taiwan, Demokratie und Menschenrechte, das System sowie Chinas Rechte zur Entwicklung. Im ersten Punkt geht es um den Anspruch auf Taiwan als chinesisches Staatsgebiet, in den drei anderen um die Sicherheit des Regimes gegenüber der befürchteten Einmischung von aussen – der Ansteckung durch das Virus der Demokratie.
Xi hat erklärt, Amerika sollte Taiwans Wiedervereinigung unterstützen und darüber hinaus Provokationen im Südchinesischen Meer vermeiden. Er sei «bereit, mit Trump zu arbeiten, um die bilaterale Beziehung zu verbessern», warnte aber vor einer wirtschaftlichen Abkopplung.
Doch weder Putin noch Xi haben wohl einen Deal im Sinne von Trump als Ziel im Auge. Für sie ist der Aufstieg zu führenden Mächten nicht verhandelbar – und dieser ist ihrer Überzeugung nach nur ohne Amerika zu haben. Die Zonen des Einflusses und der Kontrolle, die hegemoniale Stellung in ihrer Nachbarschaft sind ein Kernstück ihrer neoimperialen Strategie, des Anspruches, ein in ihren Augen dekadentes, absteigendes Amerika als globale Vormächte zu beerben.
Im Kampf gegen den Westen
Den mächtigen Autokraten geht es nicht um Ausgleich und Kompromiss, nicht um die Logik aus der Wirtschaftswelt. Ihre Strategie ist militärisch geprägt, sie sehen sich im Kampf gegen den Westen, den sie auf allen Ebenen betreiben.
Ein Deal passt ihnen durchaus ins Konzept, aber eben nur als Teil dieses Kampfes um Vormacht, bei dem es nur Sieger und Verlierer geben kann.
Die Verhandlungsbereitschaft des Westens gilt ihnen tendenziell als Schwäche, als Vorstufe zur Kapitulation: Wer sich nicht anders behaupten kann, muss versuchen, der anderen Seite im Gespräch Zugeständnisse abzugewinnen.
Wenn es denn zu Deals zwischen den USA einerseits, Russland, China und Iran andererseits kommt, so werden diese nicht, wie von Trump geplant, die Spannungen und Probleme überwinden und diese Länder zu Partnern machen. Die Grundkonstellation wird bestehen bleiben: der Vormarsch neoimperialer Mächte, die Amerika schwächen wollen.
Für Moskau, Peking und Teheran wären solche Deals lediglich taktische Manöver, die darauf abzielten, Amerika davon abzuhalten, ihren Vormachtsambitionen im Weg zu stehen. Je mehr sie mit Trump im Gegenzug für bestimmte Zugeständnisse aushandeln können, desto besser.
Anachronistischer Ansatz
In einem solchen Szenario würde bald deutlich werden, dass sich Trump von seinen Verhandlungspartnern über den Tisch ziehen liesse. Keiner der drei würde sich an die Vereinbarungen halten.
Das würde Trump vor die Wahl stellen, entweder offen zuzugeben, dass er die Kunst des Deals nicht wirklich beherrscht – und dass Amerika seine Interessen und Ziele jetzt auf andere Weise durchsetzen muss. Oder die unangenehme Realität zu ignorieren, um nicht das Gesicht zu verlieren und nicht handeln zu müssen – wobei er zunehmend von Moskau, Peking und Teheran global als Papiertiger entlarvt werden würde.
Der Deal als Instrument setzt eine Übereinstimmung der Akteure in grundlegenden Fragen voraus – es muss Spielregeln geben, und es muss klar sein, dass ein Verstoss gegen die getroffenen Vereinbarungen auch mit Sanktionen belegt wird.
Im grossen globalen Machtkampf, den Russland und China gegen die USA eröffnet haben, gibt es keine Spielregeln und keine übergeordnete Instanz, die die Einhaltung von Abkommen überwacht. In einer tendenziell anarchischen, darwinistischen Welt ist der Deal-Ansatz von Trump anachronistisch geworden.

