Freitag, Februar 7

Ausländische Firmen sollen in den USA produzieren, fordert Trump. Manchmal ist das sinnvoll – aber nicht seinetwegen. Und es gibt eine Alternative, die gerade Schweizer Unternehmen gut kennen.

Wenn Francesco Siccardi den Fernseher einschaltet, sieht er Ungewöhnliches. Der Chef des Tessiner Orthopädieunternehmens Medacta ist auf Geschäftsreise in New York. Im amerikanischen TV dreht sich vieles um ein Thema, das dem Publikum sonst selten zugemutet wird: Zölle. Aber wenn Präsident Donald Trump nicht nur Zölle gegen China verhängt, sondern auch gegen Mexiko und Kanada, gibt es Gesprächsstoff.

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Dass Trump die Zölle gegen die beiden grössten amerikanischen Handelspartner bereits wieder für einen Monat ausgesetzt hat, zeigt nur die Unberechenbarkeit der Lage. Zielt er als Nächstes auf die EU – und vielleicht auch auf die Schweiz? Klar ist nur: Trump hält Importe für schlecht. Er will, dass Unternehmen mehr Waren in den USA produzieren.

Wie auf dem Schulhof: Die Grossen haben es leichter

Wahrscheinlich hätte Trump lobende Worte für Francesco Siccardi. Denn der CEO sagt: «Weil Medacta rasch expandiert, diskutieren wir schon länger den Aufbau einer Produktion in den USA. Potenzielle Zölle könnten Dinge beschleunigen, die wir auf jeden Fall tun würden.» Medacta stellt Implantate für Knie, Hüfte, Schulter und Wirbelsäule her, aber bis jetzt nur im Tessin.

Mit seiner Zollpolitik verhält sich Trump wie ein Bully auf dem Schulhof – auch gegenüber Unternehmen. Sollen sie den Prügeldrohungen nachgeben und eine Produktion in den USA aufbauen, um sich Ruhe vor dem Rüpel zu erkaufen? Oder sich nicht beeindrucken lassen und hoffen, die Schläge einfach wegzustecken?

Wie auf dem Schulhof haben es auch hier die Grossen leichter. Weil die USA so ein wichtiger Markt sind, sind viele Schweizer Konzerne dort ohnehin mit einer Fertigung präsent. So produziert der Industriekonzern ABB hauptsächlich in den USA für die USA. Nur rund 10 Prozent der Produkte werden aus Mexiko und Kanada bezogen.

Auch Holcim unterhält 13 Zementwerke in den Vereinigten Staaten und könnte von einem höheren Preisniveau durch Importzölle profitieren. Der Baustoffkonzern plant seit einem Jahr, sein Nordamerikageschäft abzuspalten, weil die Aussichten so gut seien – auch ohne Trump und Zölle.

Auf Trump sollte keine Firma bauen

Für kleine und mittlere Firmen ist es schwieriger, den richtigen Weg zu finden. Doch auf der Suche gibt es Wichtigeres als Trumps Zollkeule: «Der Druck auf die Unternehmen ist da. Aber sie sollten keine Schnellschüsse machen, nur weil Präsident Trump mit Zöllen hantiert. Eine Fabrik in den USA muss langfristig Sinn ergeben», sagt Jean-Philippe Bertschy, Leiter des Schweizer Aktien-Research bei der Bank Vontobel.

«Der Aufbau einer Fertigung in einem anderen Land dauert je nach Komplexität zwei bis vier Jahre. Da kann man nicht kurzfristig reagieren, auch wenn sich die Amerikaner das erhoffen», bestätigt Stephan Wagner, Professor für Supply-Chain-Management an der ETH Zürich. Bei Investitionsentscheiden könnten sich Firmen nicht auf die Unsicherheit wechselnder Zölle einlassen. Wichtiger sei das Gesamtbild: Wie attraktiv sind die USA für die Firma?

Das würde Francesco Siccardi unterschreiben. Rund die Hälfte des Weltmarktes für Orthopädie entfällt auf die USA. Für Medacta habe der amerikanische Markt das grösste Potenzial, sagt der CEO. 2024 erwirtschaftete das Unternehmen dort 30 Prozent des Umsatzes von insgesamt 591 Millionen Euro. 2023 hat Medacta ein Verteilzentrum in Memphis eröffnet. Eine lokale Produktion erscheint Siccardi folgerichtig.

Mexiko behält einen Trumpf

Viele Unternehmen gehen einen Umweg: Sie beliefern die Vereinigten Staaten über Mexiko. Der südliche Nachbar hat sich längst als Werkbank für die Endproduktion von Waren für die USA etabliert. Doch dies kann trotz einer Freihandelszone riskant sein, wie Trumps drohender Zoll von 25 Prozent auf alle Einfuhren aus Mexiko zeigt.

Auch Landis + Gyr setzt auf Mexiko. Der Schweizer Hersteller von Stromzählern erwirtschaftete im Geschäftsjahr bis Ende März 2024 fast die Hälfte des Umsatzes von insgesamt knapp 2 Milliarden Dollar in den USA. Die Endmontage findet in einem Werk im mexikanischen Reynosa mit rund 1000 Mitarbeitern statt. Landis + Gyr plant, sich auf den «hochattraktiven» amerikanischen Markt zu fokussieren, und stellt das Geschäft in Europa zur Disposition.

Dennoch plant Landis + Gyr nicht, sich ganz in die USA zu verlagern. Mexikos grosser Vorteil wiegt schwer: die billigeren und verfügbaren Arbeitskräfte. «Die Abwägung zwischen den höheren Arbeitskosten in den USA und möglichen Zöllen spricht Stand heute nach wie vor für Mexiko», teilt das Unternehmen auf Anfrage mit. Obgleich Landis + Gyr stark in die Automatisierung des Werkes investiert habe und deshalb theoretisch umziehen könne.

Schweizer Unternehmen haben andere Optionen

«Mexiko bleibt auch mit Zöllen ein attraktiver Standort», bestätigt Analyst Bertschy von Vontobel. Die niedrigen Personalkosten seien ein Riesenvorteil. Umgekehrt spricht der Mangel an Fachkräften gegen die USA: «Es gibt Gründe, warum Firmen nicht in den USA produzieren, sondern seit Jahrzehnten in China», gibt ETH-Ökonom Wagner zu bedenken.

Zudem müsste sich ein Unternehmen nach einem Umzug in die USA seine Zulieferer neu vor Ort erarbeiten, sofern es nicht von Importen abhängig werden und damit doch wieder Zölle riskieren will. «Die Supply-Chain muss mitwandern», sagt Wagner. Ein Grund mehr, warum eine Verlagerung gut überlegt sein will.

Stattdessen gibt es eine Möglichkeit, mit Zöllen umzugehen, ohne gleich den Produktionsstandort zu wechseln: indem ein Unternehmen die Kosten auf die Kunden überwälzt. Das plant zum Beispiel Landis + Gyr, sollte der Ernstfall amerikanischer Zölle gegen Waren aus Mexiko eintreten. Ob eine Firma die Zölle überwälzen kann, ohne die amerikanischen Kunden zu vergraulen, hängt von ihrer Preissetzungsmacht ab.

Trainiert im Wettkampf um Effizienz

Genau dabei haben kleine und mittlere Schweizer Firmen einen Vorteil: Oft liefern sie hohe Qualität und sind sehr spezialisiert. «Für ein Produkt in einer Nische oder einem oberen Preissegment sind die Kunden bereit, einen Aufschlag zu zahlen. Deshalb stehen Schweizer Unternehmen gut da», sagt Bertschy von Vontobel.

Ausserdem müssen Unternehmen den Zoll gar nicht voll überwälzen, sondern können selbst effizienter werden und Kosten sparen – und sich so einen Vorteil gegenüber Konkurrenten erarbeiten, denen diese Anstrengung nicht gelingt. Das kennen Schweizer Firmen: Sie stecken permanent in einem Wettlauf um mehr Effizienz, sei es wegen der hohen Kosten im Inland oder des starken Frankens.

Die Schweizer Wirtschaft habe beim Franken-Schock gezeigt, dass sie Kosten kompensieren kann, sagt Ökonom Wagner. Ein Zoll kann der Anlass sein, intensiv über die eigene Wertschöpfungskette nachzudenken. Zusammen mit dem Überwälzen der Zölle sei mehr Effizienz gerade für KMU die leichtere und sicherere Variante, so der ETH-Professor: «Man hat dann keine Unsicherheit über die Investitionen für eine Produktion und darüber, was beim nächsten politischen Entscheid in den USA passiert.»

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