Mittwoch, Januar 22

Donald Trump geht bei der Zuwanderung hart vor. Einige seiner unilateralen Massnahmen haben indes zwei Probleme: Sie sind teuer oder drohen vor Gericht zu scheitern. Dabei könnte er die Demokraten vermutlich für Verschärfungen mit Augenmass gewinnen.

Eine härtere Migrationspolitik war Donald Trumps wichtigstes Wahlversprechen. Immer wieder kündigte er die «umfangreichsten Massenausschaffungen in der amerikanischen Geschichte» an. Nach seinem Amtseid am Montag möchte er seinen Worten nun so schnell wie möglich Taten folgen lassen. Bis spät in die Nacht unterzeichnete er an seinem ersten Amtstag fast 100 Dekrete, eine ganze Reihe davon zur Einwanderungspolitik.

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Trump erklärte einen nationalen Notstand an der Südgrenze zu Mexiko. Dies gibt ihm die Möglichkeit, das Militär an die Grenze zu schicken und Gelder aus dem Verteidigungshaushalt etwa auch für den Ausbau von Grenzmauern einzusetzen. Einzelne ausländische Drogenkartelle, die an der Südgrenze auch mit dem Menschenschmuggel ein lukratives Geschäft betreiben, möchte Trump auf die Terrorliste setzen. Was die Folgen davon sein werden, muss sich zeigen. Aber Mexiko fürchtet unter anderem, dass die USA auf mexikanischem Territorium militärisch gegen die Kartelle vorgehen könnten. Laut seinem damaligen Verteidigungsminister brachte Trump 2020 selbst die Idee auf, die Drogenlabors in Mexiko mit Raketen anzugreifen.

Mehr als eine Rückkehr zur ersten Amtszeit

Allerdings: In vielen Punkten bringt Trump die Migrationspolitik seiner ersten Amtszeit zurück. So ordnete er etwa eine Rückkehr zur «Remain in Mexico»-Politik an. Sie zwingt Schutzsuchende dazu, auf der mexikanischen Seite der Grenze auf ihre Anhörung vor einem Migrationsgericht zu warten. Menschenrechtsorganisationen haben diese Praxis in der Vergangenheit kritisiert, weil die Migranten im Norden von Mexiko oft der willkürlichen Gewalt der Drogenkartelle ausgesetzt gewesen seien. Washington setzte zudem auch den Betrieb einer App aus, über die Migranten in Mexiko einen Interviewtermin mit den amerikanischen Einwanderungsbehörden vereinbaren konnten.

Mit einigen Anordnungen und Proklamationen geht der neue Präsident aber auch weiter als in seinen ersten vier Jahren. So stoppte er etwa das Programm zur Aufnahme von Flüchtlingen nicht nur für drei Monate, sondern auf unbestimmte Zeit, bis dies wieder im Interesse der USA sei.

Um kriminelle Gangs wie etwa die venezolanische Tren de Aragua in den USA zu bekämpfen, möchte Trump ein Gesetz aus dem Jahr 1798 nutzen: die Alien Enemies Act. Es erlaubt dem Präsidenten, ausländische Bürger aus feindlichen Staaten zu verhaften und auszuschaffen. Gewöhnlich wurde das Gesetz in Kriegszeiten angewendet. Doch indem Trump die Zuwanderung an der Südgrenze als «Invasion» bezeichnet, könnte er versuchen, es zur Anwendung zu bringen. Es würde ihm erlauben, die langwierigen Rechtswege zu umgehen, um Personen schnell auszuschaffen. Experten gehen indes davon aus, dass die amerikanischen Gerichte eine solche Interpretation dieses alten Gesetzes nicht zulassen werden.

Mit dem Argument, eine «Invasion» zu bekämpfen, versucht Trump auch, das Asylrecht auszusetzen. Aufgrund der Verfassung habe die Bundesregierung die Pflicht, die Gliedstaaten gegen jegliche «Invasion» zu verteidigen, heisst es in einer von Trump am Montag unterzeichneten Verordnung. «Ich suspendiere die physische Einreise von Ausländern in die Vereinigten Staaten über die Südgrenze, bis ich feststelle, dass die Invasion zu Ende ist», heisst es darin. Eigentlich haben Flüchtlinge in den USA das Recht, wenn sie etwa den Rio Grande überquert haben und sich auf amerikanischem Boden befinden, einen Antrag auf Asyl zu stellen. Doch dieses Recht scheint Trump nun suspendieren zu wollen. Auch diese Interpretation der Verfassung könnte indes gerichtlich angefochten werden.

Klagen wegen «birthright citizenship»

Amerikanische Bürgerrechtsorganisationen und demokratische Generalstaatsanwälte in mehreren Gliedstaaten haben bereits Klagen angekündigt. Sie richten sich gegen Trumps Verordnung zur Abschaffung der automatischen Staatsbürgerschaft für in den USA geborene Kinder – der «birthright citizenship». Gemäss der Verordnung soll ein Kind den amerikanischen Pass nicht mehr erhalten, wenn seine Mutter sich illegal oder nur temporär legal in den USA aufhielt und der Vater kein Amerikaner oder eine Person mit einer permanenten Aufenthaltserlaubnis war. Für Anthony Romero, den Direktor der American Civil Liberties Union, ist dies jedoch inakzeptabel. Einem in den USA geborenen Kind die Staatsbürgerschaft zu verweigern, sei nicht nur verfassungswidrig, sondern auch gegen die Werte, die Amerika zu einer starken und dynamischen Nation gemacht hätten, sagte er in einer Erklärung.

Während Trump einerseits die Zuwanderung über die Südgrenze eindämmen will, plant er anderseits auch eine massenhafte Ausschaffung von illegal eingereisten Migranten. Es gehe darum, «Millionen von kriminellen Ausländern» abzuschieben, erklärte er in seiner Inaugurationsrede am Montag. In früheren Interviews sagte er jedoch auch, er wolle alle papierlosen Ausländer ausschaffen. Auch für diese Rückführungen erwog er den Einsatz des Militärs. Ein über hundert Jahre altes Gebot – die Posse Comitatus Act – verbietet jedoch das Aufbieten der nationalen Streitkräfte zur Durchsetzung von Gesetzen. Derweil verfügt die für die Ausschaffungen zuständige Bundesbehörde ICE nicht über die notwendigen personellen und finanziellen Ressourcen für Massendeportationen. Die Polizeikräfte in den demokratisch regierten Grossstädten weigern sich zudem meist, mit ICE zu kooperieren, um Migranten festzunehmen.

Im vergangenen Jahr schob ICE insgesamt 271 000 Personen ab – mehr als in jedem Jahr von Trumps erster Amtszeit. Bereits vor der rekordhohen Zuwanderung unter Biden wurde die Zahl der illegal eingereisten Ausländer in den USA auf über 10 Millionen geschätzt. Die Zahl der Migranten, die in den vergangenen vier Jahren ins Land kamen und ein Aufenthaltsrecht besitzen oder auf einen Asylentscheid warten, beläuft sich schätzungsweise auf knapp 6 Millionen. Diese Menschen auszuschaffen, würde vermutlich Hunderte Milliarden Dollar kosten und in vielen Branchen einen schmerzhaften Mangel an Arbeitskräften bedeuten.

Ein Teil der Demokraten denkt um

Trump hat Tom Homan zum «Grenz-Zaren» ernannt. Dieser gilt als Hardliner und wird auch für die Ausschaffungen verantwortlich sein. Er hat bereits für diese Woche erste Operationen angekündigt, um Migranten festzunehmen. Man wolle allerdings zunächst vor allem Personen ausschaffen, die ein Sicherheitsrisiko darstellten, sagte er am Sonntag in einem Interview. Ihre Zahl geht aber wohl nicht in die Millionen. ICE hat in ihren Datenbanken rund 650 000 Ausländer mit einer kriminellen Vergangenheit registriert.

Wie die Wahl zeigte, sind Trumps Massnahmen populär. Wie stark ihre abschreckende Wirkung ist, muss sich aber weisen. Kurz vor Trumps Inauguration machten sich rund 2000 Migranten im Süden Mexikos auf den Weg zur amerikanischen Grenze im Norden. Es fragt sich derzeit auch, ob Trump mit einer parteiübergreifenden Reform der Einwanderungsgesetze sein Ziel nicht ebenso erreichen könnte. Nachdem er das Problem lange ignoriert hatte, verschärfte Biden die Migrationspolitik zu Beginn dieses Jahres selbst. Die Zahl der illegalen Grenzübertritte ist seither auf ein ähnliches Niveau wie in Trumps erster Amtszeit zurückgekehrt.

Nach ihrer Wahlniederlage scheint zumindest ein Teil der demokratischen Kongressabgeordneten bereit für eine Verschärfung der Einwanderungsgesetze mit Augenmass zu sein. Am Montag stimmten 12 demokratische Senatoren für die Laken Riley Act. Das Gesetz ist nach einer jungen Studentin benannt, die vor einem Jahr von einem papierlosen Migranten beim Joggen ermordet wurde. Die Vorlage verlangt die Festnahme von illegal eingereisten Ausländern auch beim Verdacht auf geringere Straftaten.

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