Sonntag, November 24

Donald Trump und seine Anhänger haben grosses Misstrauen gegenüber der amerikanischen Demokratie gesät. Das hilft autoritären Staaten in ihrem Kampf gegen den Westen.

Der Angriff auf die Demokratie zog sich über Wochen hin. Trump hat im Wahlkampf sorgfältig die Legende aufgebaut, dass nur er das Rennen um die Präsidentschaft gewinnen könne. Die Umfragen seien eindeutig zu seinen Gunsten, wiederholte er. Falls er nicht gewinne, müsse Wahlbetrug im Spiel sein. Er hat Misstrauen gegenüber dem demokratischen Wahlprozess geschürt, um seine Anhänger zu mobilisieren. Mit Erfolg.

Trump und seine Gefolgsleute waren nicht die Einzigen, welche Zweifel am Wahlprozess geschürt haben. Vor allem Russland hat in den letzten Wochen mit mehreren gefälschten Videos bei den amerikanischen Wählern den Eindruck zu erwecken versucht, dass es zu Wahlbetrug komme.

Ende Oktober tauchte in sozialen Netzwerken ein Video auf, das mutmasslich von russischen Akteuren stammt. Darin sind zwei Hände zu sehen, die Briefwahlcouverts öffnen, die Wahlzettel herausnehmen und dann jene zerreissen, auf denen Donald Trump zur Wahl angestrichen ist. In einem anderen Video behauptete ein Mann, vor sechs Monaten als Einwanderer aus Haiti in die USA gekommen zu sein und jetzt in mehreren Bezirken Harris zu wählen.

Weitere Videos geben vor, vom FBI zu stammen, und berichten von Fehlfunktionen bei Wahlmaschinen und von Verhaftungen wegen Wahlbetrugs. Diese sind ebenfalls gefälscht, wie das FBI berichtet.

Russland, Iran und China haben sich monatelang mit verschiedenen verdeckten Aktionen in den US-Wahlkampf eingemischt. Ziel war es einerseits, einen bestimmten Kandidaten zu unterstützen. Andererseits ging es darum, die Spaltung der amerikanischen Gesellschaft zu verstärken oder den demokratischen Prozess und damit die Legitimität der Wahl anzugreifen.

Ohne Vertrauen funktioniert die Demokratie nicht

Die Demokratie ist ein mächtiges Konzept. Die Menschen vertrauen den politischen Prozessen und dem fairen Verlauf von Abstimmungen und Wahlen. Dieses Vertrauen bringt sie dazu, auch Niederlagen zu akzeptieren. Denn diese sind das Resultat eines demokratischen Verfahrens, auf das sich die Bürgerinnen und Bürger geeinigt haben.

Doch das Vertrauen ist auch ein Schwachpunkt der Demokratie. Es lässt sich angreifen. Zweifelt die Bevölkerung am fairen Verlauf einer Wahl, stellt dies das ganze System infrage. Es kommt zu Misstrauen und Hass gegenüber politischen Kontrahenten oder politischen Vertretern. Im äussersten Fall kommt es zu Gewalt.

Autoritäre Staaten versuchen sich diesen Schwachpunkt zunutze zu machen. Sie greifen seit Jahren die demokratischen Prinzipien der westlichen Staaten an. Nicht nur in den USA. Russland, Iran und China versuchen mit Informationsoperationen in mehreren Ländern, die Gesellschaft zu spalten, Misstrauen gegenüber Behörden zu schüren oder ein Bild vom Versagen demokratischer Systeme zu zeichnen. Das war während der Covid-Pandemie der Fall. Das passiert seit Beginn des Ukraine-Kriegs in verschiedenen Facetten.

Trump hat einen Putschversuch herbeigeführt

In den USA ist das Misstrauen gegenüber den demokratischen Institutionen weit verbreitet. Das zeigt auch der klare Wahlsieg Trumps. Verantwortlich dafür sind aber nicht die ausländischen Staaten, welche sich in den Wahlkampf eingemischt haben, sondern Donald Trump und seine Unterstützer.

Trump hat nach der Präsidentschaftswahl vor vier Jahren seine Niederlage nicht akzeptiert. Er hatte versucht, das Resultat mit juristischen Klagen und Druckversuchen noch zu ändern. Ohne Erfolg auf juristischer Ebene.

Doch Trump hatte Erfolg darin, das Narrativ der gefälschten Wahl in den Köpfen zahlreicher Amerikaner zu verankern. Diese Erzählung war so mächtig, dass sie am 6. Januar 2021 sogar zu brutaler Gewalt gegen staatliche Institutionen und Politiker geführt hatte. Der Sturm aufs Capitol in Washington war ein Putschversuch, bei dem fünf Personen ums Leben kamen und mehrere Dutzend verletzt wurden.

Der gewaltsame Umsturzversuch könnte aus dem Lehrbuch eines ausländischen Geheimdienstes stammen. Doch fremde Staaten waren nicht daran beteiligt, sind die amerikanischen Nachrichtendienste überzeugt. Der amerikanische Präsident Trump allein hat geschafft, was den Feinden der USA bis dahin nicht gelungen war.

Vier Jahre später hat die Erzählung vom drohenden Wahlbetrug erneut verfangen. Trump hat mit seiner Kampagne darauf gesetzt, aber auch Russland mit seinen Beeinflussungsversuchen. Dass es eine aktive Koordination der beiden Akteure gegeben hat, ist nicht anzunehmen. Doch die Aktionen gingen miteinander einher. Sie haben sich gegenseitig gestärkt.

Entscheidend ist der Blick auf die Motivation. Denn es geht um viel mehr als den Wahlsieg Trumps. Russland hatte zwar ein Interesse daran, dass der Ex-Präsident für eine zweite Amtszeit gewählt wird. Das Narrativ der Wahlfälschung geht jedoch darüber hinaus. Es ist ein grundlegender Angriff auf die demokratischen Institutionen. Der Kreml hat ein langfristiges Interesse daran, den freiheitlichen Westen zu schwächen und politisch zu spalten.

Indem Trump über Monate und Jahre Zweifel am fairen Verlauf der Wahlen in den USA geweckt hat, schwächt er die amerikanische Demokratie und mit ihr den Westen als Ganzes. Russland kommt das nur gelegen. Denn die «Achse der Autokraten» mit Russland, China, Iran und Nordkorea arbeitet daran, die regelbasierte Ordnung in der Welt zu sabotieren und die westlichen Staaten zu spalten. Trump hat sich zu deren Helfer gemacht.

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