Zwischen den USA und der Schweiz werden mehr Dienstleistungen gehandelt als Güter. Netflix-Abos oder Microsoft-Software sind nicht der Grund.

Donald Trump hat eine sehr einseitige Sicht auf den Welthandel. Der US-Präsident schaut immer nur auf die Güter. Beim Warenhandel haben die USA tatsächlich ein grosses Handelsbilanzdefizit gegenüber dem Rest der Welt – auch gegenüber der Schweiz. Dieses Defizit will Trump mit seiner Zollpolitik beseitigen.

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Dienstleistungen sind wichtiger als Güter

Dabei übersieht Trump, dass der grösste Teil der modernen Wirtschaft nicht mehr aus der Herstellung von Waren besteht. Viel wichtiger sind die Dienstleistungen. Dies gilt besonders auch für den Handel zwischen den USA und der Schweiz.

Die Amerikaner und die Schweizer verkaufen sich gegenseitig mehr Dienstleistungen als Güter. Dies ist bereits seit vielen Jahren so. Im Jahr 2024 betrug der Dienstleistungshandel zwischen den beiden Ländern rund 78 Milliarden Franken. Im Gegensatz dazu wurden nur 67 Milliarden Franken an Waren getauscht.

Diese Feststellung ist pikant: Während die Amerikaner beim Warenhandel ein Defizit gegenüber der Schweiz haben, erwirtschaften sie bei den Dienstleistungen einen Überschuss. Der bilaterale Handel ist also weniger unausgeglichen, als Trump dies darstellt.

Tech-Giganten handeln aus Europa heraus

Das liegt daran, dass die USA beim Export von Dienstleistungen eine Weltmacht sind. Aber was verkaufen die Amerikaner den Schweizern eigentlich?

Erstaunlicherweise sind bekannte Produkte wie Netflix-Abos, Microsoft-Software oder Google-Anzeigen keine wichtige Kategorie. Dazu muss man wissen, wie der Dienstleistungshandel gemessen wird.

Als Export einer Dienstleistung aus den USA in die Schweiz gilt, wenn ein Unternehmen mit Sitz in der Schweiz (oder eine Privatperson) eine Dienstleistung von einem Unternehmen mit Sitz in den USA einkauft. Die Schweizerische Nationalbank führt zum Dienstleistungshandel regelmässige Erhebungen bei den rund 2000 grössten Schweizer Unternehmen durch; die Resultate fliessen in die Leistungsbilanz-Statistik ein.

Bei Netflix ist es so: Wenn ein Schweizer Haushalt ein Abo beim Streamingdienst löst, geht er nicht einen Vertrag mit dem amerikanischen Konzern Netflix Inc. ein, sondern mit der Tochtergesellschaft Netflix International B. V. in Amsterdam. Der Dienstleistungsexport findet also von den Niederlanden in die Schweiz statt. Denn entscheidend für die Statistik ist, wo der Sitz der Firma ist, an die die Zahlung fliesst.

Ähnlich ist es bei Microsoft. Wenn ein Schweizer Unternehmen eine Lizenz für das Softwarepaket Office 365 löst oder die Cloud-Dienste von Microsoft nutzt, geht die Zahlung an die Gesellschaft Microsoft Ireland Operations Limited. Der Dienstleistungshandel findet also zwischen Irland und der Schweiz statt.

So hält es auch Google. Schweizer Firmen, die auf der Google-Suchmaschine Anzeigen buchen, überweisen das Geld an die Tochtergesellschaft Google Ireland Limited. In all diesen Fällen findet also kein Dienstleistungshandel zwischen den USA und der Schweiz statt.

Geistiges Eigentum und Forschung im Vordergrund

Dennoch sind die USA der mit Abstand wichtigste Lieferant von Dienstleistungen für die Schweiz. Im Jahr 2024 verkauften amerikanische Firmen für rund 49 Milliarden Franken Dienstleistungen an Schweizer Unternehmen und Haushalte – das entspricht rund einem Viertel aller Dienstleistungsimporte.

Laut den Statistiken, die das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) in einem «Services Trade Cockpit» aufbereitet hat, sind Lizenzen (18,2 Milliarden) sowie Forschung und Entwicklung (12,6 Milliarden) die beiden wichtigsten Kategorien.

Bei den Lizenzen geht es einerseits um Gebühren für die Nutzung von geistigem Eigentum. Ein Beispiel ist, wenn der Pharmakonzern Roche seinem amerikanischen Tochterunternehmen Genentech eine Zahlung überweist für die Nutzung eines Genentech-Patentes, um ein Medikament in der Schweiz herzustellen. Es spielt dabei keine Rolle, dass beide Unternehmen zur gleichen Firmengruppe gehören. Entscheidend ist, dass die Zahlung von einem Unternehmen mit Sitz in Basel an eine Firma mit Sitz in San Francisco geht.

Anderseits geht es bei den Lizenzen um Gebühren für die Vervielfältigung von geistigem Eigentum. Beispiele sind, wenn ein Schweizer Fernsehsender Übertragungsrechte kauft für Sportanlässe wie den Super Bowl, für eine amerikanische Serie oder für einen Hollywoodfilm (die verkaufende Firma muss den Sitz indessen in den USA haben).

Die zweitwichtigste Kategorie ist Forschung und Entwicklung. Laut Experten besteht hier der grösste Teil aus dem Einkauf von Forschungsdienstleistungen. Ein Beispiel ist, wenn der Basler Pharmakonzern Novartis seine amerikanische Tochter, eine amerikanische Universität oder ein amerikanisches Startup dafür bezahlt, Forschung in seinem Auftrag zu betreiben. Eher nachrangig sind Fälle, in denen Schweizer Firmen direkt Forschungsresultate kaufen, etwa in Form von Patenten oder Urheberrechten.

Pharmabranche optimiert ihr Geschäftsmodell

Die Beispiele zeigen: Hinter dem grossen Dienstleistungshandel zwischen den USA und der Schweiz dürfte zu einem beträchtlichen Teil die Pharmaindustrie stehen.

Die Vereinigten Staaten sind weltweit der wichtigste Standort für die Pharmaforschung. Laut einer Studie sind amerikanische Organisationen für mehr als die Hälfte der weltweiten medizinischen Durchbrüche (in Form von sogenannten Ankerpatenten) verantwortlich. Zwar ist auch die Schweiz stark in der Pharmaforschung und in anderen F&E-Sektoren. Das zeigt sich daran, dass die Schweiz umgekehrt auch viele Dienstleistungen in die USA exportiert (im Jahr 2024 für 29 Milliarden Franken). Doch das Gewicht der USA ist grösser.

In der Pharmabranche scheint sich eine internationale Arbeitsteilung herausgebildet zu haben. Die Forschung findet tendenziell in den USA statt. Für die Produktion setzen die Pharmafirmen hingegen eher auf andere Länder wie die Schweiz oder Irland. Die Medikamente werden dann von dort als Wirkstoffe oder Fertigprodukte in die USA exportiert.

Diese Spezialisierung dürfte gleichzeitig für zwei Trends verantwortlich sein. Einerseits haben sich in den letzten zehn Jahren die Schweizer Pharmaexporte in die USA verdoppelt. Anderseits haben die Schweizer Importe von Forschungsdienstleistungen aus den USA ebenfalls stark zugenommen. Es sind zwei Seiten derselben Medaille.

Für dieses Geschäftsmodell gibt es auch steuerliche Gründe. Besonders seit der US-Unternehmenssteuerreform von 2017 ist es für Pharmafirmen steuerlich attraktiv, Forschung in den USA zu betreiben, aber die Produktion ausserhalb der USA anzusiedeln. Die Reform hat Donald Trump in seiner ersten Amtszeit umgesetzt.

USA als Champion der Wissensökonomie

Neben Lizenzen sowie F&E spielen andere Formen von Dienstleistungen nur eine nachrangige Rolle im Handel zwischen den USA und der Schweiz.

Die drittwichtigste Kategorie sind Geschäftsdienste – dazu gehören etwa Rechtsdienste, Werbung, Marketing, Marktforschung, Architektur- oder Ingenieursdienste. Danach folgen Internet- und Computerdienste (IKT), Transportdienste und Beratung. Von relativ kleinem Umfang sind Finanzdienstleistungen, die amerikanische Banken direkt in der Schweiz erbringen. Ebenfalls wenig Gewicht hat der Tourismus – also wenn Schweizer in die USA reisen und dort Tourismusdienstleistungen beziehen.

Die USA sind vor allem aus einem Grund der Dienstleistungs-Champion der Welt: Sie sind stark in der Forschung, in der Generierung von Wissen, in der künstlerischen Kreativität und in der Entwicklung neuer Technologien. Solche Dienste kaufen andere Länder gerne von den Amerikanern ein. Vielleicht wird auch Donald Trump diese Stärke irgendwann erkennen.

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