Freitag, März 21

Der US-Präsident ist mit hohen Erwartungen in die Verhandlungen um die Ukraine gestartet und hat doch wenig erreicht. Jetzt muss er seinen Ruf als Dealmaker verteidigen.

Nicht wenige Beobachter hatten ein «neues Jalta» erwartet: Trump und Putin würden beschliessen, Europa neu in Einflusszonen aufzuteilen. Damit würde der US-Präsident dem russischen Präsidenten entgegenkommen. Putin hat immer wieder klargemacht, dass es ihm mit dem Feldzug gegen die Ukraine genau darum geht – die eigene Zone des Einflusses und der Vorherrschaft auszuweiten, um Russland als europäischen Hegemonen zu etablieren, zunächst in Ost- und Ostmitteleuropa.

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Bereits im Dezember 2021 im Vorfeld der Ukraine-Grossinvasion hatte Putin zwei Vertragsentwürfe – eher Ultimaten – an Washington und die Nato geschickt, aus denen diese Ambition deutlich wurde. Amerika solle sich zurückziehen, die Erweiterung des amerikanischen Einflusses in Europa seit den 1990er Jahren solle de facto zurückgenommen werden.

Geopolitische Einordnung im Überblick

Kurz gefasst: Die Verhandlungen über den Frieden in der Ukraine sind vorerst gescheitert. Trump muss entweder den Kurs wechseln oder aufgeben.

Geopolitische Einschätzung: Für Trump hängt viel an diesen Verhandlungen. Es geht darum, ob er als mächtiger Präsident auf der Weltbühne agiert oder ob er als Maulheld wahrgenommen wird, der nichts zustande bringt.

Blick voraus: Es ist nicht zu erwarten, dass Trump aufgibt. Er hat zu viel in diesen Friedensprozess investiert und muss jetzt in irgendeiner Weise liefern.

Im Anschluss an das Telefonat zwischen Putin und Trump schrieb Dmitri Medwedew – einst russischer Präsident für eine Amtszeit von Putins Gnaden und mittlerweile so etwas wie sein Chefpropagandist – auf dem Kurznachrichtendienst X ganz in diesem Sinne: «Der Telefonanruf zwischen Putin und Trump belegte eine wohlbekannte Idee – dass nur Russland und Amerika sich im Esszimmer befinden. Auf der Speisekarte: leichte Appetithappen – Brüsseler Rosenkohl, britische Fish and Chips und Pariser Hahn. Der Hauptgang ist Kotelett nach Kiewer Art. Guten Appetit!»

Doch genau das fand nicht statt. Das Gespräch wurde zwar umfassend vorbereitet mit vielen Treffen und Telefonaten. Doch heraus kam in den zweieinhalb Stunden nur, was der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius als «Nullnummer» bezeichnete: Putin gab Trump nur das absolute Minimum, um ihn bei der Stange zu halten. Statt sich auf einen Waffenstillstand einzulassen, dem die Ukraine zugestimmt hatte, liess er sich nur auf eine Vereinbarung ein, die Energieinfrastruktur des anderen nicht anzugreifen.

Trump tat sein Bestes, um zu versichern, das Gespräch sei «der Anfang von etwas Gutem» gewesen. Doch in Wahrheit ist der US-Präsident gescheitert. Putin liess ihn abblitzen.

Wie kam es zu diesem Scheitern? Der US-Präsident war von drei Grundannahmen ausgegangen, die sich als Irrtum erwiesen haben.

Grundannahme 1: Russland will Frieden

Gebetsmühlenhaft wiederholt Trump den Satz, dass Russland Frieden will. Der Krieg sei völlig unnötig, und es sei nur dazu gekommen, weil Biden so schwach sei und nicht respektiert werde.

In seinem Telefongespräch mit Putin stiess Trump jedoch auf einen russischen Präsidenten, der überhaupt nicht willens war, in irgendeiner Weise Zugeständnisse zu machen, um den Krieg zu beenden. Russland bleibt stattdessen bei seinen Maximalforderungen. Es will, dass ihm die eroberten Gebiete zugestanden werden, die Ukraine soll sich keinen westlichen Militärbündnissen anschliessen dürfen und keine westlichen Sicherheitsgarantien erhalten. Vor allem sollen die Streitkräfte streng limitiert und die Belieferung mit westlichen Waffen unterbunden werden. Mit anderen Worten: Russland erwartet die Kapitulation.

Für Putin hat sich offenkundig nichts geändert. Seit den frühen 2000er Jahren ist er entschlossen, die Souveränität der Ukraine zu untergraben und das Land Moskau wieder zu unterwerfen, ähnlich wie es ihm mit Weissrussland immer deutlicher gelingt. Jahrelang hat er dieses Ziel mit Methoden der inneren Destabilisierung und der Einflussnahme verfolgt, 2014/15 dann verlegte er sich auf militärische Mittel. Die Minsk-II-Vereinbarung vom Februar 2015 eröffnete eine weitere Periode, in der Moskau versuchte, die Unterwerfung der Ukraine zu niedrigen Kosten mit eher friedlichen Mitteln zu erreichen. Als dies nicht gelang, verlegte sich Putin erneut auf militärische Eroberung: die grossangelegte Invasion vom Februar 2022.

Aus Moskauer Sicht bietet die erneute Wahl von Trump die Gelegenheit, es wieder mit friedlichen Mitteln zu versuchen: Washington soll die Kapitulation der Ukraine sozusagen auf dem Tablett liefern. Wenn der amerikanische Präsident zustimmt, die Ukraine in eine Lage zu versetzen, in der sie sich nicht verteidigen kann, entfällt für Putin die Notwendigkeit, den kostspieliger werdenden Krieg weiterzuführen. Man kann dann erneut auf Methoden der Einflussnahme und Destabilisierung zurückgreifen und hält sich die Option für einen weiteren Waffengang offen.

Grundannahme 2: Trump hält sich für einen brillanten Dealmaker

Immer wieder betont der US-Präsident, dass es zu diesem Krieg gar nicht gekommen wäre, wenn er Präsident gewesen wäre. Trump ist davon überzeugt, dass er – und nur er allein, wie er sein Umfeld immer wieder nachbeten lässt – die Konflikte der Welt lösen kann. Der im Wahlkampf unzählige Male wiederholte Satz, er werde innerhalb von 24 Stunden Frieden stiften, ist halb Trump-typische Prahlerei und halb der Glaube an seine Unfehlbarkeit.

Angesichts dessen sieht Trump wohl auch keine Notwendigkeit, sich auf Verhandlungen vorzubereiten: zu versuchen, die Ziele der anderen Seite zu verstehen, sie mit Zuckerbrot und Peitsche in die gewünschte Richtung zu lenken und mit dem eigenen Verhandlungsteam intensiv zu arbeiten.

Dieser Mangel an Vorbereitung hat sich gerächt. Putin dürfte Trump seine üblichen langen Beschwerde-Monologe vorgetragen haben: wie übel Amerika ihm und seinem Land mitgespielt habe. Ob die beiden überhaupt in die Details gegangen sind, ist fraglich. Trump erklärte, über die zentrale russische Forderung, die Unterstützung für die Ukraine einzustellen, sei gar nicht gesprochen worden.

Grundannahme 3: Die Ukraine ist nur Verhandlungsmasse

«Sie haben keine guten Karten in der Hand», hat Trump im Weissen Haus Selenski entgegengehalten, als dieser seine Position verteidigte. In Trumps von seiner Wirtschaftskarriere geprägter Weltsicht gibt es nur ein paar starke Akteure, denen sich die anderen unterwerfen müssen. Die Ukraine ist in seinen Augen Objekt und Verhandlungsmasse.

Doch die Tatsache, dass Selenski sich ihm nicht unterworfen hat, dass er im Weissen Haus widersprach und auf seiner Position beharrte, hat der Ukraine einen höheren Status als Akteur und Subjekt eingetragen. Trump ist mittlerweile klar, dass er nicht nur Russland braucht, sondern auch die Ukraine, um Erfolg zu haben.

Unterstützt wird die Ukraine dabei vom US-Aussenminister Marc Rubio und vom US-Sicherheitsberater Mike Waltz. Beide haben zwar «den Ring geküsst», wie es in Washington heisst, sich also ostentativ Trump unterworfen. Beide lassen keine Gelegenheit aus, Trump zu preisen, wie er es von seinem Gefolge erwartet. Zugleich sind beide aber gestandene Kongressabgeordnete mit einem klassisch republikanischen aussenpolitischen Profil.

Beide wollen die USA in Richtung einer «Politik der Stärke» lenken, auch wenn das mit Trump schwerfällt. Rubio hat erklärt, es gebe keine Chance für einen dauerhaften Frieden «ohne ein Element der Abschreckung» Russlands. Nötig sei etwas, das der Ukraine das Gefühl gebe, «eine künftige Invasion abschrecken und verhindern zu können».

Das zweite Duo an der Seite der Ukraine sind der französische Präsident und der britische Premierminister. Macrons und Starmers Bemühen richtet sich darauf, die Position der Ukraine in den Verhandlungen zu stärken, indem sie ihr demonstrativ den Rücken stärken und als «Trump-Flüsterer» versuchen, den US-Präsidenten von seiner einseitigen Fixierung auf Russland wegzubringen.

Nach dem Scheitern: wie weiter?

Nach dem langen Telefonat mit Putin muss Trump der Wahrheit ins Gesicht sehen, dass er mit seiner Verhandlungsstrategie nichts erreicht hat. Seine drei Grundannahmen sind falsifiziert worden: Die Ukraine hat sich nicht völlig ausgeliefert, die eigene Verhandlungsführung war nicht erfolgreich, Russland giert nicht nach Frieden, sondern will die Ukraine unterwerfen.

Ein Dilemma. Mit einem «Weiter so» dürfte es ihm nicht gelingen, den Knoten zu durchschlagen. Welche Optionen hat er?

Die erste Option wäre der Ausverkauf der Ukraine. Wenn er Russland dabei hilft, die Ukraine zu entmachten, ist der Krieg zu Ende. Trump könnte die Unterstützung der Ukraine einstellen und massiven Druck auf die Europäer ausüben, dies auch zu tun.

Es ist aber kaum vorstellbar, dass dies zum gewünschten Ergebnis führen würde: dass Trump als Friedensstifter gefeiert würde und dass er sogar den Friedensnobelpreis erhalten würde, der ihm, wie man immer wieder hört, sehr am Herzen liegt. Die USA könnten sich zwar in der Folge Russland weiter annähern, aber die Ukraine würde womöglich weiterkämpfen, die Europäer würden rebellieren, und auch zu Hause würde der Widerstand zunehmen. Die öffentliche Meinung in den USA ist weiterhin für eine deutliche Unterstützung der Ukraine. Angesichts all dieser Hindernisse ist dies keine wirkliche Option.

Die zweite Option wäre, den Prozess schleifen zu lassen – sich anderen Dingen zuzuwenden und den Ukraine-Krieg gleichsam «in die Ausschüsse» zu verweisen; weiterhin die Ukraine mässig zu unterstützen, gleichzeitig Gespräche mit Washington und Kiew mit vermindertem Engagement weiterzuführen, in der Hoffnung, dass das im Sande verläuft.

Damit wäre aber das mit grossem Aufwand inszenierte Projekt «Frieden in der Ukraine» faktisch gescheitert. Trump hätte seine «Marke» erheblich beschädigt und würde fortan global für ein Leichtgewicht gehalten. Das hätte Auswirkungen auf den Nahen Osten, insbesondere das Verhältnis zu Iran sowie zu Asien, insbesondere China. Es ist schwer vorstellbar, dass er diesen Weg geht.

Die dritte Option wäre, Druck auf Russland aufzubauen. Angesichts dieser zwei schlechten Optionen könnte sich Trump noch für die immer wieder erwogene dritte Option entscheiden: Russland nicht nur zu schmeicheln und Angebote zu machen, sondern auch Druck auszuüben – durch verschärfte Sanktionen und intensivierte Waffenlieferungen an die Ukraine.

Immer wieder spielte Trump auf Druckmittel an, erklärte aber dann, er wolle nicht darüber sprechen. Der republikanische Senator Lindsey Graham rät Trump zur «maximalen Druck»-Kampagne, um Russland zum Waffenstillstand zu zwingen. Er bereite eine Gesetzgebung vor, die «die russische Wirtschaft zerstören würde». Der amerikanische Finanzminister Scott Bessent sagte kürzlich, Trump habe ihn instruiert, maximale Energiesanktionen vorzubereiten, falls dies nötig werde.

Richtungswechsel in Sicht?

Es könnte also sein, dass die Logik der Verhandlungen Trump letztlich auf den Weg führt, der Friedensverhandlungen normalerweise kennzeichnet: dass eine dritte Partei Druck auf beide Seiten ausübt, anstatt einseitig eine Seite zu Zugeständnissen zu zwingen und der anderen Seite freie Hand zu lassen.

Womöglich sieht Trump schliesslich ein, dass der Friedensnobelpreis nur dann in Reichweite ist, wenn Russland gezwungen wird, den Krieg aufzugeben – und wenn die Ukraine die Mittel erhält, die sie braucht, um Russland in Zukunft abschrecken zu können.

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