Mittwoch, Oktober 30

Trump beweist zum Auftakt der amerikanischen Vorwahlen seine konkurrenzlose Anziehungskraft unter den republikanischen Anhängern. Jetzt müssen seine Kritiker auf den äusserst unbeliebten Präsidenten Biden hoffen.

Unter vielen besorgten Beobachtern gerade in Europa mag die Hoffnung auf ein Wunder gross sein, welches Donald Trump auf seinem Weg zur erneuten Nomination als republikanischer Präsidentschaftskandidat noch zum Straucheln bringen könnte. Für diesen Wunsch gibt es gute Gründe, denn Trump hat mit seinem Verhalten nach der verlorenen Wahl 2020 bewiesen, dass er die demokratischen Institutionen der USA in inakzeptabler Weise missachtet. Doch ein solches Wunder ist nicht in Sicht. Im Gegenteil, Trump ist in Iowa mit dem Sieg einer knappen absoluten Mehrheit der Stimmen grandios in die Vorwahlen gestartet.

Natürlich darf das Gewicht des kleinen, ländlichen Staates im mittleren Westen nicht überschätzt werden. Auch ist Iowa üblicherweise ein schlechter Wegweiser zur republikanischen Präsidentschaftsnomination – zumeist machte in der Geschichte der Vorwahlen am Ende nicht der Sieger von Iowa das Rennen. Doch zwei Ereignisse des Wahlabends sprechen dafür, dass Trump den ersten Bewährungstest souverän bestanden hat und nun gestärkt in die nächsten Vorwahlen gehen wird.

Niemand kann mobilisieren wie Trump

Erstens wurde im Vorfeld des Caucus, zu dem die Wähler persönlich in Wahllokalen erscheinen mussten, viel über den Einfluss der derzeit besonders eisigen Temperaturen in Iowa spekuliert. Doch Trumps Mobilisierungskraft ist so magisch, dass sich seine Fans auch durch Schnee und Eis nicht von der Unterstützung ihres Idols abhalten liessen. Kein Konkurrent – weder bei den Republikanern noch bei den Demokraten – kann Trump hierbei das Wasser reichen. Das wird sich auch in den nächsten Wochen und Monaten nicht ändern.

Zweitens hat der viertplatzierte Anwärter Vivek Ramaswamy mit seinem frühen Rückzug aus den Vorwahlen Trump einen grossen Gefallen getan. Der schillernde Unternehmer und selbsterklärte Trump-Fan hatte immer als chancenlos gegolten; doch er zog einen Teil der potenziellen Trump-Stimmen auf sich. Diese werden nun weitgehend an Trump gehen, während dessen verbleibende Rivalen Ron DeSantis und Nikki Haley sich bis auf weiteres die oppositionellen Stimmen teilen.

Trump sichert sich den Sieg in Iowa

Zahl der bei den Vorwahlen in Iowa erhaltenen Delegiertenstimmen, nach Kandidat

Ex-Gouverneurin von South Carolina

8

Alles Spekulieren über den zweiten und dritten Platz ist im Moment müssig, denn weder Haley noch DeSantis vermochten sich klar für die erste Verfolgerposition zu empfehlen. Zusammen kamen sie nur gerade auf 40 Prozent der Stimmen. Eine ernste Gefährdung von Trumps Vorsprung in den Wählerumfragen zur republikanischen Nomination zeichnet sich derzeit in keiner Weise ab.

Wer doch noch auf ein Scheitern von Trumps erneutem Sturm auf das Weisse Haus hofft, kann deshalb realistischerweise nur noch auf die Präsidentschaftswahl im November und den wahrscheinlichen demokratischen Kandidaten Joe Biden setzen. Doch auch dort gibt es wenig Anlass für Zuversicht. Laut den neusten Wählerumfragen – deren Prognosekraft beschränkt ist – liegt Trump leicht vor Biden.

Biden ist der Anti-Trump – und sonst?

Bedeutsamer ist, mit welchen Strategien sich Biden für die Wiederwahl positioniert. Was er vor zehn Tagen in seiner als Wahlkampfauftakt verstandenen Rede präsentierte, weckt einige Zweifel. Biden scheint es zum Kern seiner Strategie zu machen, Trump als Gefahr für die demokratische, freiheitliche Ordnung der USA darzustellen. Damit hat er zweifellos recht. Doch es ist fraglich, wie stark dieses Wahlkampfthema zu mobilisieren vermag. Der Sturm auf das Capitol im Januar 2021, die Machenschaften zum versuchten Umsturz von Bidens Wahlsieg und die laufenden Rechtsverfahren Trumps werden von vielen Amerikanern weitgehend ausgeblendet oder umgedeutet.

Deshalb müsste Biden weniger gegen Trump als mehr für sich kämpfen. Aber mit welchen Argumenten? Biden ist ähnlich unbeliebt, wie es Trump während seiner Präsidentschaft war, und vermag kaum jemanden zu begeistern. Die erhebliche Geldentwertung der letzten zwei Jahre wiegt schwer auf den privaten Haushaltkassen der Amerikaner. Die Wirtschaftslage ist zwar gut und die Arbeitslosigkeit niedrig, aber das war auch unter Trump schon so. Bidens klimapolitische Erfolge polarisieren die Gesellschaft bloss, die Aussenpolitik ist etwas für eine kleine Minderheit. Und dazu kommt das hohe Alter, das Biden viel mehr anzusehen ist als Trump. Auf vorhersehbare Vorwahlen dürfte eine dramatische Präsidentschaftswahl im November folgen.

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