Samstag, November 23

Als Verlierer verweigerte Donald Trump seinem Nachfolger Joe Biden 2020 eine geordnete Amtsübergabe. Er lud ihn auch nicht zum traditionellen Treffen ins Weisse Haus ein. Biden hingegen empfing Trump am Mittwoch im Oval Office. Als Sieger kam dieser gerne.

Unangenehmer kann ein Treffen kaum sein. Seit Jahren bezeichnet Präsident Joe Biden seinen Amtsvorgänger Donald Trump als Gefahr für die amerikanische Demokratie. Im Wahlkampf bezeichnete er ihn «als einen dieser Typen, denen du eins auf den Arsch hauen möchtest». Während der verhängnisvollen Fernsehdebatte im Juni nannte er seinen Rivalen einen «verurteilten Straftäter». Biden verabscheut Trumps oft vulgäre und entmenschlichende Rhetorik, mit der dieser über seine politischen Gegner herzieht und seine eigenen Anhänger begeistert. Er selbst sah sich stets in einem Kampf für die amerikanische Seele: «Das ist nicht, wer wir sind», kritisierte der amtierende Präsident den Trumpismus gerne.

Diesen Kampf haben Biden und die Demokraten vorerst verloren. Doch als wolle er seinem Vorgänger und Nachfolger nochmals vorführen, wie sich ein echter Staatsmann zu verhalten habe, schluckte er diese bittere Pille: Er rief Trump nach der Wahlnacht an, anerkannte dessen Sieg gegen seine Vizepräsidentin Kamala Harris und lud ihn – wie es die Tradition vorsieht – am Mittwoch ins Weisse Haus ein. Als grosser Sieger nahm Trump diese Einladung mit Genugtuung an, reiste allerdings ohne seine Frau Melania nach Washington. Fast vier Jahre nachdem er vom Weissen Haus aus am Fernsehen den Sturm seiner Anhänger auf das Capitol lange tatenlos verfolgt hatte, kehrte er in das Zentrum der politischen Macht zurück.

«Die Politik ist hart»

«Willkommen zurück», sagte Biden beim Handschlag mit Trump vor dem lodernden Kaminfeuer im Oval Office und versuchte stets ein Lachen zu bewahren. Er wolle für eine «reibungslose Amtsübergabe» sorgen, versprach der Präsident. «Die Politik ist hart, und es ist oft keine schöne Welt», antwortete Trump. «Aber heute ist es eine schöne Welt, und ich schätze das sehr.»

Was die beiden danach hinter verschlossenen Türen genau besprochen haben, blieb am Mittwoch zunächst unklar. Amerikanische Medien berichteten, dass Biden mit Trump insbesondere über den russischen Angriffskrieg in der Ukraine und die Unterstützung für Kiew habe reden wollen. Vermutlich dürfte er ihm auch nochmals ins Gewissen geredet haben, die Verfassung und die Institutionen Amerikas zu respektieren. Bei den Gesprächen waren auch Bidens Stabschef Jeff Zients und Trumps künftige Stabschefin Susie Wiles anwesend.

Ob Bidens staatsmännisches Vorbild seinen Nachfolger wirklich beeindruckt, scheint hingegen zweifelhaft. Im Gegensatz zu ihm hat Trump bis heute seine Wahlniederlage nicht anerkannt. Vor vier Jahren blockierte er während Wochen eine geordnete Machtübergabe und blieb Bidens Amtseinführung am 20. Januar 2021 fern. Einzig einen Brief hinterliess Trump seinem Nachfolger in einer Schublade des grossen Schreibtischs im Oval Office. Dessen Inhalt sei indes «wohlwollend und gütig» gewesen, meinte Biden damals selbst.

Loyalität als oberstes Kriterium

Neben dem Weissen Haus werden die Republikaner voraussichtlich auch das Repräsentantenhaus und den Senat kontrollieren. Trump scheint fest entschlossen, dieses «starke Mandat» des amerikanischen Volkes zu nutzen, um das Vermächtnis der Biden-Regierung rückgängig zu machen. Insgesamt hat der Kongress in den vergangenen Jahren rund 4 Billionen Dollar für Investitionen, Steuererleichterungen und Subventionen für Konjunkturpakete, den Bau von Infrastruktur und die Förderung klimafreundlicher Technologien bewilligt. Gänzlich werden sich diese Programme nicht eliminieren lassen. Auch weil insbesondere republikanisch beherrschte Gliedstaaten ebenfalls davon profitieren. Aber zumindest ist damit zu rechnen, dass die Trump-Regierung versuchen wird, sie zurückzustutzen.

Trumps bisherige Ernennungen für sein Kabinett deuten zudem darauf hin, dass die Loyalität gegenüber ihm und seiner Agenda das oberste Kriterium ist. Kompetenz ist zwar auch wichtig, aber doch eher zweitrangig. Am deutlichsten offenbarte sich dies bisher beim Posten des künftigen Verteidigungsministers. Der konservative Fernsehmoderator Pete Hegseth ist zwar ein ehemaliger Armeeoffizier mit Einsätzen in Afghanistan und im Irak. Aber seine militärische und politische Führungserfahrung ist ungewöhnlich dürftig für dieses verantwortungsvolle Amt.

Noch nicht allmächtig

Unklar ist zudem auch, ob der Senator Marco Rubio aus Florida nun tatsächlich Aussenminister werden soll. Am Montag berichtete die «New York Times», dass Trump den früheren Präsidentschaftsbewerber für dieses Amt nominieren wolle. Er steht für eine robuste Aussenpolitik und weiss um die sicherheitspolitische Bedeutung der Nato. Doch im Hintergrund wollen isolationistische Kräfte in Trumps Umfeld offenbar Rubios Ernennung zum Aussenminister noch verhindern.

Am Mittwoch zeigte sich zudem erneut, wie eng Trumps Verhältnis derzeit zu Elon Musk ist. Der Tesla-Gründer reiste mit dem angehenden Präsidenten von Florida nach Washington. Vor der Visite im Weissen Haus war Musk bei Trumps Zusammentreffen mit republikanischen Kongressabgeordneten im Weissen Haus dabei. Der reichste Mann der Welt hatte rund 120 Millionen Dollar in den Wahlkampf des Republikaners investiert. Nun soll er gemeinsam mit dem Unternehmer und Präsidentschaftsbewerber Vivek Ramaswamy eine neue Behörde führen, welche die Regierung bei der Verschlankung und Deregulierung der Bürokratie beraten soll.

Am Mittwoch zeigte sich indes in Washington auch, dass die Trump-Republikaner zumindest im Senat noch nicht allmächtig sind. Der rechte Flügel der Partei wollte Rick Scott – der zweite Senator aus Florida – zum Mehrheitsführer wählen. Am Ende setzte sich mit John Thune aber der Favorit des Establishments und die bisherige Nummer zwei in der Hierarchie des Senats durch. Er wird die Nachfolge des legendären Mitch McConnell antreten. Da der Senat die Ernennung von Ministern bestätigen muss, könnten moderate Republikaner fragwürdige Personalentscheide wie im Falle des Verteidigungsministers theoretisch rückgängig machen.

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