Mittwoch, Februar 12

Hinter den Kulissen knüpfen Russland und die USA wieder Kontakte an. Die Gefahr von grundlegenden Missverständnissen ist jedoch auf beiden Seiten gross.

Haben sie miteinander gesprochen oder doch nicht? Und wenn ja, worüber? Selten waren diplomatische Annäherungen auf höchster staatlicher Ebene so bizarr wie derzeit zwischen Russland und Amerika. Seit Wochen wird darüber gerätselt, wann die beiden Präsidenten Wladimir Putin und Donald Trump miteinander telefonieren. Aufgekratzte Hofberichterstatter im Kreml blasen jeden Informationshappen auf. Sie schüren damit Erwartungen, die der russischen Führung unangenehm sind.

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Selbst als Trump jetzt behauptete, bereits mit Putin gesprochen zu haben, gab sich dessen Sprecher Dmitri Peskow überfragt. Derzeit werde auf so vielen Ebenen zwischen Washington und Moskau kommuniziert, dass er das weder dementieren noch bestätigen könne. Das klingt so unglaubwürdig, dass manch ein russischer Kommentator schlicht Trumps Aussage für eine Erfindung hält.

Geheimnis um ein Telefonat

Die Geheimniskrämerei kommt beiden Seiten entgegen. Solange in der Schwebe ist, ob überhaupt ein Kontakt besteht, verzögert sich auch die öffentliche Konfrontation mit der Realität. Seit Trumps Wahlsieg und erst recht seit seinem Amtsantritt wissen Russlands Politiker und die Propagandisten des Regimes nicht, ob sie das, was sie aus den USA hören, ermutigend, befremdlich oder enttäuschend finden sollen. Erlebt das russisch-amerikanische Verhältnis tatsächlich bald eine Renaissance? Oder entpuppt sich das als Illusion, und bleibt von Trumps Losung «America first» nur die unschöne Assoziation mit Hitlers «Deutschland über alles», woran sich Aussenminister Sergei Lawrow kürzlich erinnert fühlte?

In Trump und seiner Politik finden sich viele Russen wieder. Seiner Brachialität und Rüpelhaftigkeit schauen sie fasziniert zu, auch weil sie auf einen Vorteil für Russland hoffen. Wie viele Medien- und andere Projekte oppositioneller russischer Exilanten direkt oder indirekt von USAID-Geldern abhängen und nun in finanzielle Nöte geraten, war ein gefundenes Fressen für alle Kreml-Apologeten. Trumps «konservative Konterrevolution» mit ihrem vulgären Freiheitsverständnis ist genau nach ihrem Geschmack. Russische Funktionäre hatten schon lange behauptet, in Russland sei die Freiheit grösser als im Westen, weil niemand sich politisch korrekt ausdrücken müsse.

Die Ähnlichkeiten wecken aber auch falsche Erwartungen. Alexander Baunow vom Berliner Carnegie-Zentrum verwies darauf, dass angesichts der Faszination für den energischen, unberechenbaren Trump der Kremlchef beim heimischen Publikum langweilig, grau und alt erscheinen könnte. Trump, der in weltpolitisch aufstrebenden Staaten Hoffnungen auf ein Ende der amerikanischen Hegemonie weckt, droht auch dort Putin in den Schatten zu stellen, zumal die USA diesen Ländern mehr zu bieten haben als Russland. Dabei baut Moskaus Vorstellung einer neuen Weltordnung der angeblichen «globalen Mehrheit» gerade auf diesen Staaten auf.

Eine Waffenruhe reicht Moskau nicht

Putin scheint Trump grundsätzlich gewogen zu sein. Dabei verkörpert dieser erst recht den amerikanischen Anspruch darauf, in der Welt die eigenen Interessen brachial durchzusetzen. Seit Jahren macht Putin genau das in jeder Rede für alles Übel verantwortlich. Er will offenbar die Gunst der Stunde nutzen und von den Trümmern der bisherigen Weltordnung profitieren. Mehrmals schmeichelte er Trump, indem er dessen Selbstbild bestätigte – etwa als er vor kurzem sagte, 2020 sei diesem die Wahl zum Präsidenten gestohlen worden. Aber auch sehr loyale Kommentatoren wie der Aussenpolitik-Experte Fjodor Lukjanow sehen die Bedingungen für grosse Übereinkünfte zwischen den beiden Präsidenten vorerst als nicht gegeben an. Russland hat derzeit nicht einmal einen Botschafter in Washington.

Das hat Auswirkungen auf die Debatten um eine Friedenslösung für die Ukraine. Trumps Behauptung, er hätte diesen Krieg gar nie erst zugelassen, und seine Überzeugung, die USA müssten diesen beenden, spielen Putin in die Hände. Aber die Annahme, Putin habe sehnlichst auf einen Friedensstifter gewartet, ist bizarr. Wenn er in den vergangenen Jahren über die Bereitschaft zu Friedensverhandlungen sprach, ging es ihm immer darum, die Schuld an deren Ausbleiben bei der Gegenseite zu suchen und die eigenen Kriegsziele unangetastet zu lassen.

Letztere haben sich auch nach drei Jahren nicht geändert. Es geht Russland darum, die Ukraine, das aus seiner Sicht zur Gefahr gewordene «Anti-Russland», definitiv zu neutralisieren. Der Territorialgewinn über die bereits annektierten Gebiete hinaus steht dabei nicht im Vordergrund, solange die Ukraine politisch den Vorgaben Russlands folgt. Innenpolitisch hiesse das eine Russifizierung, aussen- und sicherheitspolitisch einen neutralen Status mit einer bedeutungslosen Armee. Radikalere Kräfte wollen die Ukraine aufspalten oder gar, bis auf die widerborstige Westukraine, Russland anschliessen.

Ein reines Waffenstillstandsabkommen ist Moskau deshalb zu wenig; das Ende der Kämpfe ist kein Ziel an sich. Russland sei nur an einer vollständigen Ausmerzung der Wurzeln des Konflikts interessiert, wiederholen russische Funktionäre ständig und fragen sich, ob das in Washington überhaupt verstanden werde. Dazu gehörte eine neue Sicherheitsordnung für Europa. Sicherheitsgarantien mittels europäischer Truppen in der Ukraine stünden dazu im Gegensatz und stossen auf heftige Ablehnung in Moskau. Für Trump mag es sich um einen «lächerlichen Krieg» handeln, der viel zu viele Opfer fordert. Putin stellt es als existenzielle Auseinandersetzung dar, von der das Schicksal Russlands abhängt.

Putin ist nicht unter Druck

Noch lässt sich nicht erkennen, ob Trump und seine Mitarbeiter verstanden haben, dass Russlands Führung an einem Frieden angesichts der militärischen Lage und mangelnden internen Drucks derzeit gar nicht sonderlich interessiert ist.

In der Wirtschaft machen sich zwar immer deutlichere Verwerfungen bemerkbar. Der Kreml kann diese nicht auf Dauer ignorieren. Sie schlagen sich auch im Sorgenbarometer der Bevölkerung nieder. Die Inflation steht an erster Stelle. Nur gut ein Drittel beschäftigt die «Spezialoperation» – die Mehrheit würde trotzdem ein Ende des Krieges begrüssen. Mit einem baldigen Frieden ist auch die Hoffnung auf ein Ende der Wirtschaftssanktionen verbunden. Die Repression gegen Andersdenkende ist aber so umfassend, dass der alternde Herrscher innenpolitisch vorläufig nichts zu befürchten hat.

Trump könnte geneigt sein, Putin gerade deshalb ziemlich weit entgegenzukommen. Moralische und sicherheitspolitische Bedenken dürften ihn kaum belasten. Darauf deutet die Aussage seines Ukraine-Beauftragten Keith Kellogg hin, der die von Putin geschürten Zweifel an der Legitimität des ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenski aufnahm und Kiew dazu aufforderte, spätestens beim Erreichen eines Waffenstillstands Wahlen abzuhalten. Wahlen in derart fragiler Atmosphäre könnten das politische Gefüge in der Ukraine allerdings erschüttern – der Kreml würde frohlocken.

Trump wiederum forderte als Gegenleistung für die milliardenschwere Unterstützung der kriegführenden Ukraine Zugriff auf deren seltene Erden. Es sei ja auch nicht sicher, ob die Ukraine nicht zu Russland komme, sagte er dabei beiläufig und bewies damit, wie gleichgültig ihm die Essenz dieses Krieges ist.

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