Donnerstag, Mai 8

Der amerikanische Präsident möchte mehr darüber erfahren, was die Grönländer über eine Annexion denken. Man kann wohl vorwegnehmen: Nichts Gutes.

Was soll das jetzt wieder? Das fragt man sich derzeit in Kopenhagen und Nuuk, nachdem der «Wall Street Journal» die neuste Wendung der Grönland-Saga enthüllt hat. Donald Trump hat offenbar eine Spionageoperation gegen Grönland gestartet. Er möchte mehr über die Unabhängigkeitsbewegung und die Einstellungen zur amerikanischen Rohstoffgewinnung auf der Insel erfahren. Die Geheimdienste sollen insbesondere Personen identifizieren, die den amerikanischen Annexionsplänen positiv gegenüberstehen.

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Um an diese Informationen zu kommen, hätte es wohl gereicht, eine Zeitung aufzuschlagen. Seit Monaten wiederholt Grönlands Regierung mantraartig eine Botschaft: Grönland will unabhängig werden. Grönland möchte nicht zu den USA gehören. Grönland ist offen für eine stärkere Zusammenarbeit mit den Amerikanern, militärisch wie wirtschaftlich. Die Zahl der Personen, die von den Amerikanern erobert werden wollen, tendiert gegen null. Nicht einmal Jörgen Boassen, Trumps grösster Fan, will ein Amerikaner werden.

Trotzdem will Trump Kommunikationsverbindungen abhören lassen und Satellitenüberwachung und Spione einsetzen gegen ein verbündetes Land. Die oberste US-Geheimdienstoffizierin Tulsi Gabbard hat die Recherchen des «Wall Street Journal» indirekt bestätigt, in dem sie der Zeitung vorwarf, «Akteure des tiefen Staates zu unterstützen, die den Präsidenten durch Politisierung und Weitergabe geheimer Informationen zu schwächen versuchen.» Damit würden sie gegen das Gesetz verstossen und die Sicherheit und Demokratie des Landes untergraben.

Empörung in Dänemark

Die Episode belastet das ohnehin schon angespannte Verhältnis zwischen Dänemark und den USA weiter. Der dänische Aussenminister Lars Lökke Rasmussen sagt gegenüber dem grönländischen Sender KNR: «Es ist sehr beunruhigend, wenn die Herangehensweise darin besteht, in Dänemark und Grönland nachrichtendienstliche Informationen zu beschaffen – offenbar mit dem Ziel, Bruchlinien zu finden, in die sich ein Keil treiben lässt.»

Die Angelegenheit wird ein diplomatisches Nachspiel haben. Die Geschichte hat Rasmussen dazu veranlasst, den amerikanischen Botschafter vorzuladen. Er will den Amerikanern klar machen, dass Dänemark Spionagetätigkeiten eines Landes, das als enger Verbündeter gilt, nicht auf die leichte Schulter nimmt.

Aus der Politik wurden bereits Forderungen laut, das amerikanische Konsulat in Nuuk zu schliessen. Der ehemalige Chefanalytiker des dänischen Verteidigungsgeheimdienstes, Jacob Kaarsbo, forderte in einem Gespräch mit der Zeitung «Berlingske» sogar, die Zusammenarbeit der dänischen Geheimdienste mit den USA so weit wie möglich einzuschränken.

Ein neuer Tiefpunkt

Trumps Aussagen, Grönland notfalls mit militärische Gewalt zu erobern, sorgen auf der Insel seit Januar für Verunsicherung. Mit ungebetenen Besuchen und seltsamen Aktionen stiftet Washington Unruhe. Etwa im grönländischen Wahlkampf, als das amerikanische Konsulat in Nuuk von den grönländischen Parteien wissen wollte, wie deren Prioritäten für die nächste Regierung, einschliesslich der Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, aussehen.

Dass Trump nun auch zu Spionage greifen möchte, um sein Ziel zu erreichen, überrascht Aaja Chemnitz, eine grönländische Abgeordnete im dänischen Parlament, nicht. Gegenüber der Zeitung «Politiken» sagt sie: «Ich weiss, dass die Amerikaner bereits Biografien über uns grönländische Politiker gemacht haben, also wissen sie, wer wir sind und wofür wir stehen.» Die neuste Aktion werde kaum etwas ändern an den Beziehungen der beiden Länder. Die sind bereits auf einem Tiefpunkt.

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