Donnerstag, Januar 2

Der ins Weisse Haus Zurückkehrende verspricht den Amerikanern ein «goldenes Zeitalter», doch seine Wirtschaftspolitik ist mit Widersprüchen durchsetzt. Trump wird sie nicht ewig mit Rhetorik und Geld zukleistern können.

Donald Trump kehrt im Januar ins Weisse Haus zurück, doch die Politauguren der USA rufen bereits jetzt eine neue Ära aus. Die grossen Lager der amerikanischen Politik, die sich seit Ronald Reagan gefestigt hatten, sind nicht mehr. Die alten Gräben zwischen Republikanern und Demokraten wurden zugeschüttet, neue ausgehoben.

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Alles für alle

Die Republikaner haben unter Trumps Einfluss dem Freihandel und einem aktiven bis aggressiven Militärinterventionismus im Ausland abgeschworen, zwei zentrale Überzeugungen der Partei. Auch das Bekenntnis zu einem schlanken Staat warfen sie über Bord und näherten sich in sozialen Fragen den Gewerkschaften an.

Trumps «Make America Great Again»- oder Maga-Bewegung eroberte so die amerikanische Arbeiterklasse, die früher stets Demokraten wählte. 2016 gewann Trump die weissen Arbeiter für sich, 2024 vermehrt auch die nichtweissen. Teile der alten republikanischen Stammwählerschaft – weisse Frauen mit Hochschulabschluss oder manche Konservative alten Schlags, die sich für ein ausgeglichenes Budget und freien Handel einsetzen – wanderten dagegen zu den Demokraten ab.

Die Neuordnung der Lager ist aber nicht abgeschlossen, und es herrscht grosse Verwirrung, für welche Politik Trump 2.0 stehen wird. Das zeigt sich besonders in Wirtschaftsfragen. Sein Wahlkampf, seine Kabinettsernennungen und die vielen Tweets in Grossbuchstaben, die er wieder im Tagesrhythmus absetzt, haben diese Konfusion nicht aufgelöst, im Gegenteil. Trump verspricht allen alles: mehr Zölle, aber auch tiefere Preise. Weniger Staatsausgaben, aber auch üppige Altersrenten.

Das politische Kalkül hinter diesem Wunschkonzert ist simpel. Trump will gleichzeitig neue Wähler gewinnen und die alten bei Laune halten. Es ist aber eine kurzfristige Strategie. Die Widersprüche in Trumps Wirtschaftsprogramm werden irgendwann aufbrechen und ihn zu einer Entscheidung zwingen in der Frage, welchen Wählern er die Treue hält. Und welche er enttäuschen muss.

Die Schulden

Trumps langfristig wichtigstes Problem sind die hohen und rasch wachsenden Staatsschulden, die ihm sein Vorgänger Joe Biden hinterlassen wird. 2023 gab der amerikanische Staat 6,3 Billionen Dollar aus, nahm aber bloss 4,6 Billionen ein. Das Loch entspricht mehr als 6 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung – viel zu viel für ein Land, das sich im wirtschaftlichen Aufschwung befindet.

Die USA stehen nicht vor dem Staatsbankrott, weil die starke Wirtschaft des Landes mit ihren zukünftigen Steuerzahlungen dafür bürgt, dass die ausstehenden Schulden beglichen werden. Doch im Steuerjahr 2024 haben die USA netto 882 Milliarden Dollar für Schuldzinsen ausgegeben – mehr als für das Militär. Trump wird das Budgetproblem zunächst verschlimmern, wenn er 2025 wie versprochen die Unternehmenssteuern senkt und die Steuerrabatte aus seiner ersten Amtszeit weiterführt. Die Staatsverschuldung schränkt Trumps Optionen indes bereits jetzt ein, wie der jüngste Streit um den Überbrückungshaushalt und die Schuldenobergrenze gezeigt hat.

Seine Kabinettsbesetzungen zeigen, dass er das Problem durchaus wahrnimmt. Sein designierter Finanzminister Scott Bessent hat vorgeschlagen, das Defizit schrittweise auf 3 Prozent der Wirtschaftsleistung pro Jahr zu drücken. Trump hat zudem die beiden Unternehmer und Milliardäre Elon Musk und Vivek Ramaswamy darauf angesetzt, mit einer neuen «Effizienzkommission» den Beamtenapparat in Washington zu verschlanken und dem enormen Defizit zu Leibe zu rücken.

Doch selbst wenn der Tesla-Chef alle Bundesbeamten entliesse, würde er nur ein paar wenige Prozent des Haushalts einsparen. Allein die Altersvorsorge und Medicare, die Krankenversicherung für Rentner, kosten den Staat 2,1 Billionen Dollar pro Jahr. Trump hat im Wahlkampf versprochen, diese beiden Programme nicht zu kürzen.

Musk will sich ein Beispiel nehmen am argentinischen Präsidenten Javier Milei, der ganze Bundesämter gestrichen und den Staatshaushalt um einen Viertel gekürzt hat. Aber die Amerikaner mögen ihren Sozialstaat und haben keine Lust auf radikale Veränderungen. Die Effizienzkommission soll ihre Vorschläge bis 2026 präsentieren. Dann stehen in Washington aber bereits die Zwischenwahlen vor der Tür, und die Sparlust der Parlamentarier sinkt. Älteren Amerikanern Geld wegzunehmen, hat sich in der Vergangenheit noch nie als gute Wahlkampfstrategie erwiesen.

Die Inflation

Trump verdankt seinen klaren Sieg der hohen Inflation während der Biden-Jahre, die er im Wahlkampf dessen Vizepräsidentin Kamala Harris in die Schuhe schieben konnte. Die Strategie war effektiv, aber riskant. Sollten die Preise unter Trump wieder anziehen, verliert er seinen Nimbus als «Wirtschaftspräsident». Ein Grossteil seiner Agenda ist inflationär: Die Importzölle, die er angedroht hat, könnten die Teuerungsrate 2026 um einen vollen Prozentpunkt erhöhen, rechnete das unparteiliche Congressional Budget Office kürzlich vor.

Die von Trump versprochene massenhafte Ausschaffung von illegalen Einwanderern wirkt ähnlich. Fehlen diese Arbeitskräfte auf den Feldern, den Baustellen, in den Fabriken und den Spitälern, steigen dort die Löhne; Orangen, Häuser oder Autos würden teurer.

Trump und seine Wirtschaftsberater wissen, dass sie sich punkto Inflation nicht viel erlauben können. Scott Bessent will daher die einheimische Ölproduktion um 3 Millionen Fass pro Tag erhöhen, um den Benzinpreis zu drücken. Der hat im laufenden Jahr aber schon nachgegeben. Und ausgerechnet Trumps Verbündete in der Ölindustrie haben wenig Interesse daran, sich die Preise mit neuen Bohrungen selbst kaputtzumachen.

Die Zölle

Überhaupt die Zölle: Man kann sie für ein sinnvolles, ein nutzloses oder gar ein gefährliches Instrument halten. Aber selbst Trumps Unterstützer müssen einsehen, dass er zu viele und zu widersprüchliche Ziele damit erreichen will. Erstens sollen sie die hohen Handelsbilanzdefizite der USA mit Partnerländern verringern. Das ist möglich, wenn auch mit hohen Kosten. Zweitens will Trump mit Zöllen mehr Geld einnehmen. Im Wahlkampf sinnierte er mehrfach, damit die Einkommenssteuern zu ersetzen oder das Haushaltsdefizit zum Verschwinden zu bringen. Das ist unmöglich. Hohe Zölle könnten aber immerhin einen kleinen Beitrag zur Verringerung des Defizits leisten.

Drittens hat Bessent gesagt, dass die Drohung mit Importabgaben vor allem Verhandlungstaktik sei – Trump eskaliere, um zu deeskalieren. Bezogen auf Trumps erste Amtszeit ist etwas dran an dieser Aussage. Die Handelsbeziehungen zum Ausland haben sich nicht fundamental verändert. Die Ausnahme bildet die Beziehung zu China, die sich aber auch unter dem Demokraten Biden weiter verschlechtert hat.

Die drei Ziele erfordern jedoch ein sehr unterschiedliches Vorgehen. Nutzt Trump Zölle als taktisches Mittel, muss er bereit und in der Lage sein, sie rasch wieder abzuschaffen, wenn sich ein «Deal» abzeichnet. Das kann er aber nicht, falls er mit den Zöllen langfristig die Löcher im Staatshaushalt stopfen und die Handelsbilanzdefizite verschwinden lassen muss.

Entscheide sind gefragt

Weitere Dilemmata zeichnen sich ab. Der Status des Dollars als Weltreservewährung, den Trump erhalten will, ist eng mit dem Handelsbilanzdefizit verknüpft, das er abbauen will. Es liegt auf der Hand, dass der designierte Präsident früher oder später einen Teil seiner Basis enttäuschen muss. Wenn er geschickt vorgeht – wie er das in seiner Amtszeit, zur Überraschung vieler Beobachter, mehrmals getan hat –, kann er diesen Moment der Wahrheit einige Jahre in die Zukunft schieben.

Der frühere Immobilienkönig erbt von Joe Biden eine US-Wirtschaft in beneidenswerter Form: Die Arbeitslosigkeit ist tief, die Löhne wachsen. Die Inflation, die im Sommer 2022 noch bei 9 Prozent lag, hat die Notenbank wieder unter Kontrolle gebracht. Die Unternehmen und die Arbeitnehmer haben sich nach der Pandemie neu sortiert. Das hat Amerika zu einem Produktivitätsschub verholfen, der Trumps Budget- und Inflationsprobleme abmildern wird.

Die Firmen investieren zudem weiter in Technologien, die das Land noch effizienter machen sollten. Sollte der Einsatz künstlicher Intelligenz einen weiteren Produktivitätsschub auslösen – was offen bleibt –, kann sich Trump mit Glück sogar ohne harte Entscheide durch seine zweite Präsidentschaft mogeln. Wahrscheinlich ist dieses Szenario aber nicht. Der Bondmarkt und die amerikanischen Konsumenten werden ihn an die vielen Versprechen erinnern, die er ihnen gegeben hat.

Trump ist nicht der erste US-Präsident, der wirtschaftspolitische Widersprüche auflösen muss, aber bei ihm sind sie eklatant gross. Je früher er seine Prioritäten setzt und kommuniziert, desto besser für seine Regierung – und für die USA. Andernfalls droht er einen Grossteil seiner Amtszeit mit nutzlosem Politdrama zu verspielen, wie er es jüngst beim Streit um den Shutdown getan hat. Gegner und Zyniker mögen vier Jahre Leerlauf im Weissen Haus für das Beste halten, was Trump hervorbringen kann. Aber die Probleme türmen sich weiter auf – Stillstand kann sich in Washington eigentlich niemand leisten.

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