Samstag, März 15

Anfang März kursierten Spekulationen über Gespräche zur Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2. Nun machte der russische Präsident Putin eine ähnliche Andeutung. Werden die Europäer überrumpelt?

«Wenn, sagen wir mal, die USA und Russland sich auf eine Zusammenarbeit im Energiesektor einigen, könnte eine Gaspipeline für Europa gewährleistet werden. Und das wird Europa zugutekommen, weil es billiges russisches Gas erhalten würde.» Mit diesen Worten hat die Agentur Bloomberg am Donnerstagabend den russischen Präsidenten Wladimir Putin zitiert. Dessen Andeutung während eines Auftritts in Moskau hat den Spekulationen über geheime amerikanisch-russische Gespräche über Energie neue Nahrung verschafft.

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Die Lieferungen sind versiegt

Schon Anfang März hatten Medienberichte Aufsehen erregt, die unter Berufung auf anonyme Quellen Bestrebungen zur Inbetriebnahme der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 unter Führung oder Zwischenschaltung amerikanischer Investoren beschrieben haben.

Vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine im Februar 2022 war Russland der wichtigste Erdgaslieferant von Europa: Deutschland bezog etwa 55 Prozent des Gases aus Russland, die ganze EU rund 40 Prozent. Die Lieferungen erfolgten über mehrere Pipelines. Doch inzwischen sind die wichtigsten Routen stillgelegt. Die beiden Nord-Stream-Pipelines, die Russland durch die Ostsee mit Deutschland verbinden, sind im September 2022 durch einen Sabotageakt unterbrochen worden. Schon zuvor hatte Russland die Lieferungen durch Nord Stream 1 eingestellt. Intakt geblieben ist nur eine der beiden Röhren von Nord Stream 2. Nord Stream 2 war aber noch gar nicht in Betrieb und ist von Deutschland nie für den Betrieb zugelassen worden.

Auch Lieferungen über die durch Polen führende Jamal-Pipeline hat Russland 2022 eingestellt. Die Transitroute durch die Ukraine wiederum, über die vor allem die Slowakei und Österreich noch russisches Gas bezogen haben, ist seit dem 1. Januar stillgelegt, weil der ukrainische Staatskonzern Naftogaz den Ende 2024 ausgelaufenen Transitvertrag mit dem russischen Gaslieferanten Gazprom nicht verlängert hat.

Zudem strebt die EU an, Energieimporte aus Russland bis 2027 ganz auslaufen zu lassen. Deutschland bezieht kein Erdgas mehr direkt aus Russland, sondern versorgt sich vor allem aus Norwegen sowie aus Häfen in den Niederlanden und Belgien, wo viel verflüssigtes Erdgas angelandet wird.

Wem nützt es?

Vor diesem Hintergrund wäre es ein weiter Weg bis zur Wiederaufnahme Pipeline-gebundener europäischer Erdgasimporte aus Russland. Das schliesst nicht aus, dass hinter den Kulissen tatsächlich entsprechende Szenarien diskutiert oder gegenüber Moskau als Lockmittel verwendet werden. Putin könnten Gasexporte dringend benötigte Einnahmen bescheren, dem amerikanischen Präsidenten Donald Trump Verhandlungsmasse für einen «big deal» und amerikanischen Investoren Einfluss auf und Einnahmen aus Europas Energieversorgung.

Die Europäer könnte man locken mit der Aussicht auf billigere Energie. Allerdings dürften sie nach den geopolitischen Schocks der letzten Jahre kaum zulassen, dass ihre Energiebezüge über ihre Köpfe hinweg zwischen den USA und Russland ausgehandelt und von amerikanischen Firmen umgesetzt werden. Auch wäre eine Rückkehr zu Bezügen aus Russland wohl erst denkbar, wenn ein von allen Seiten akzeptierter Friedensplan für die Ukraine vorläge. Und selbst dann schiene es aus Gründen der Geopolitik und der Versorgungssicherheit töricht, sich wieder im selben Ausmass von Russland abhängig zu machen wie vor 2022.

«Steht nicht zur Debatte»

Bis jetzt jedenfalls weist man solche Überlegungen weit von sich. Eine Sprecherin des deutschen Wirtschaftsministeriums erklärte am Freitag auf Anfrage, eventuelle Äusserungen von Putin kommentiere man nicht und es gelte weiterhin die Stellungnahme von Anfang März. Damals hatte das Ministerium in Reaktion auf die Spekulationen über Nord Stream 2 erklärt, es gebe keine Gespräche mit Russland über eine etwaige leitungsgebundene Lieferung von russischem Gas. Dies stehe nicht zur Debatte. Für die Bundesregierung sei die Unabhängigkeit von russischem Gas sicherheitspolitisch von strategischer Bedeutung, daran halte sie fest.

Neben diesen grundsätzlichen Hürden gibt es auch praktische. Noch sind amerikanische und europäische Sanktionen gegen Russland und Nord Stream in Kraft. Die Eigentümerin von Nord Stream 2, die in der Schweiz ansässige Gazprom-Tochter Nord Stream 2 AG, ist insolvent; ein Konkursverfahren ist hängig. Für die erneute Nutzung der Transitroute durch die Ukraine wiederum wäre ein neuer Vertrag zwischen Naftogaz und Gazprom nötig.

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