Mittwoch, Februar 5

Trotz seinen groben Drohungen gegenüber engsten Handels- und Bündnispartnern sucht Trump den Deal.

Einen kurzen Moment lang hielt die Welt den Atem an: Macht Präsident Donald Trump wirklich Ernst mit seiner Drohung, Importzölle in Höhe von 25 Prozent gegenüber Mexiko und Kanada zu verhängen? Bricht er den Freihandelsvertrag, den er mit den Nachbarländern selbst ausgehandelt hat und dessen Abschluss im Jahr 2020 er als grosse Leistung seiner Regierung feierte?

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Am Montag, nach einem langen, bangen Wochenende für die Regierungen in Ottawa und Mexiko-Stadt, folgte die Antwort: Nein, er tut es doch nicht, wenigstens nicht jetzt. Trump liess sich in letzter Minute auf einen Deal mit der mexikanischen Präsidentin Claudia Sheinbaum und dem kanadischen Premierminister Justin Trudeau ein, jedoch ohne die Zoll-Drohungen vom Tisch zu nehmen.

Die Episode, die auch an den Börsen für einige Unruhe sorgte, entpuppt sich als Neuauflage des «chicken game», das Trump bereits während seiner ersten Amtszeit unter anderem mit den nordamerikanischen Nachbarn ausgetragen hatte. Dieses taktische Machtspiel ist in der Spieltheorie auch als «Spiel mit dem Untergang» bekannt. Rasen etwa zwei Autofahrer direkt aufeinander zu, verliert derjenige, der zuerst nachgibt, während derjenige, der standhaft bleibt, als Sieger gilt.

Die alte Bully-Strategie, aber schneller und härter

Trump ist ein Meister in diesem Spiel – ganz einfach, weil man ihm zutraut, dass er zum Äussersten bereit ist. Und er hat Erfahrung. Bereits während seiner ersten Amtszeit bedrohte er die Nachbarländer wiederholt mit Strafzöllen; schon damals reagierte die Weltpolitik schockiert. Man erinnere sich an den G-7-Gipfel in Kanada im Jahr 2018, als Trump wegen Einfuhrzöllen auf Stahl und Aluminium mit Trudeau kollidierte und sich nach der Abreise weigerte, die G-7-Abschlusserklärung zu unterschreiben.

In seiner zweiten Amtszeit wendet Präsident Trump dieselbe Bully-Strategie wieder an, einfach härter und schneller als in seiner ersten. Damals führte er erst im zweiten Amtsjahr Zölle ein, und zwar nur auf bestimmte Waren wie Stahl, Aluminium, Waschmaschinen und Solarpanels. Diesmal droht er damit, flächendeckende Massnahmen sofort einzuführen, via Notstandserklärung.

Zudem hat Trump den Einsatz erhöht. Er scheint nun bereit, nicht weniger als das Wohlergehen der amerikanischen Volkswirtschaft aufs Spiel zu setzen. Denn eskaliert ein Handelskrieg im eng verflochtenen nordamerikanischen Wirtschaftsraum, käme es höchstwahrscheinlich auch in den USA zu höherer Inflation. Gegenmassnahmen von Kanada und Mexiko könnten etwa die amerikanische Autoindustrie mit ihren stark integrierten Produktions- und Lieferketten empfindlich treffen.

Wer will schon den totalen Handelskrieg?

Damit bedroht Trump nicht nur Mexiko und Kanada, sondern auch die Republikaner im Kongress. Auf den totalen Handelskrieg haben sie keine Lust. Das heisst wiederum: Trump pokert zwar hoch, aber das ist nicht unbedingt ein schlechtes Zeichen für die drangsalierten Handelspartner. Sie können damit rechnen, dass Checks and Balances das Katastrophenszenario verhindern würden.

Dabei können plötzlich regionale Interessen wichtig werden, auch das zeigt ein Blick in die erste Amtszeit von Trump: Auf die gezielten Gegenzölle auf Harley-Davidson-Motorräder und amerikanischen Whiskey reagierten damals Senatoren aus den produzierenden Regionen durchaus empfindlich.

Auch die Tatsache, dass Trump sich nach einem einzigen Telefongespräch mit Sheinbaum auf einen für Mexiko relativ günstigen Deal eingelassen hat, wirkt beruhigend. Offenbar will Trump die nordamerikanische Handelsordnung doch nicht zerstören; er gab sich zufrieden damit, dass die Mexikaner 10 000 Soldaten an die Grenze schicken und, Stunden später, dass Kanada einen Plan zum verstärkten Grenzschutz umsetzt, der bereits beschlossen war.

Transaktion als Chance

Der transaktionale Ansatz der trumpschen Aussenpolitik führt zweifellos zu Destabilisierung und Unsicherheiten insbesondere für Handels- und Bündnispartner der USA. Aber er kann auch eine Chance bieten: Man kann sich mit Trump einigen, ja er scheint geradezu gierig nach einem Handschlag zu sein, und dies nicht nur in den von ihm angezettelten Handelskonflikten: So zeigte sich Trump jüngst angetan von der Idee, im Gegenzug für die Militärhilfe an die Ukraine seltene Erden zu erhalten.

Die Drohkulisse drakonischer Zölle auf Waren aus Kanada und Mexiko wird jedoch fortbestehen; wer weiss, wie viele Forderungen Trump noch stellen wird, bis es – vielleicht – zu einer weiteren Reform des nordamerikanischen Freihandelsvertrags kommt. Ebenso klar bleibt die brachiale America-First-Agenda von Trump; als Nächstes müssen sich die europäischen Handelspartner der USA wappnen. Das «chicken game» ist nicht zu Ende gespielt – und bekanntlich kann es einen fatalen Ausgang nehmen, wenn keiner nachgibt.

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